Koalition will sich keine Blöße geben |
30.01.2007 16:41 Uhr |
Koalition will sich keine Blöße geben
Von Thomas Bellartz
Klappern gehört zum politischen Handwerk. Wenige Tage vor der Verabschiedung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) durch den Deutschen Bundestag nahm die Debatte noch einmal Fahrt auf. Abtrünnige Abgeordnete wurden an die Kandarre genommen, letzte Änderungen verabredet.
Parallel zur Fertigstellung des Arzneimittelverordnungs-Wirtschaftlichkeitsgesetzes (AVWG) hatte sich die große Koalition auf den Weg gemacht, um den wirklich großen Gesundheitsreform-Wurf zu landen. Das Resultat dieses zähen und monatelangen Ringens soll nun am Freitag den Bundestag passieren. Egal, aus welcher Perspektive: Das Werk ist nur noch eine Ansammlung von Bruchstücken, den roten Faden hatten Union und SPD früh aus der Hand gegeben. Das GKV-WSG ist auch das Werk einer Politik, die um ihrer selbst willen schnell eine Reform durchdrückt.
Nun dürfte das GKV-WSG immer noch einzelnen Interessengruppen, auch den Apothekern, erhebliche Schmerzen bereiten. So sollen Apotheken den Krankenkassen künftig einen Rabatt von 2,30 Euro pro Packung einräumen. 150 bis 180 Millionen Euro dürfte dies jährlich an Einsparungen für die GKV bedeuten. Die Bundesregierung ist nicht ganz unglücklich, dass aus der eher verkorksten und kaum anwendbaren Regelung, die zu einer Benachteiligung der Apotheker geführt hätte, nun eine Einsparung herbeigeführt wird, die kalkulatorisch erfasst werden kann. Freilich wird vonseiten der Apotheken die Befürchtung laut, dass sich damit der Pfeil der Honorierung erstmals nach unten gedreht habe.
Wenige Stunden, bevor in Berlin die Fraktionen der Regierungsparteien zusammen kamen, um die Inhalte der Reform miteinander zu diskutieren und in Probeläufen Signale für die Bundestagsabstimmung am Freitag zu erhalten, sorgte eine weitere Nachricht für Aufmerksamkeit. So soll der Bundeszuschuss für die Krankenkassen in den nächsten beiden Jahren um je eine Milliarde Euro höher ausfallen als ursprünglich vorgesehen. Darauf haben sich die Koalitionsspitzen kurz vor der Verabschiedung des Gesetzes verständigt.
Obwohl das Nachrichtenmagazin »Spiegel« am Montag noch einmal ausführlich die Gegner des GKV-WSG hatte zu Wort kommen lassen, erschien am Dienstag alles andere als eine breite Mehrheit überraschend. Immerhin verfügen Union und SPD gemeinsam über 447 von 614 Mandanten. Sollten tatsächlich 60 Abgeordnete beider Fraktionen mit Nein stimmen, bleibt die Mehrheit ungefährdet, auch wenn der Schaden für die Regierung insgesamt enorm wäre. Sowohl SPD als auch Union gingen vor dem Beginn der Fraktionssitzungen davon aus, dass sich die Zahl der Gesetzesgegner bei der entscheidenden Abstimmung deutlich verringern werde.
Keine Rolle bei der Entscheidungsfindung spielten die jüngsten Vorgänge um DocMorris. Das habe mit der aktuellen Reform nichts zu tun, hieß es aus dem Ministerium. Allerdings beobachte man die Entwicklung aufmerksam.
Da der Gesundheitsfonds frühestens im Jahr 2009 in Kraft treten soll, fehlen der Regierung geeignete Maßnahmen zur eigentlich gewollten Stabilisierung der Einnahmenseite. So ist die kurzfristige Entscheidung zur Erhöhung des Bundeszuschusses zu verstehen. Der wird bei 2,5 statt wie geplant 1,5 Milliarden Euro liegen. 2009 sollen 4 statt 3 Milliarden Euro fließen. Anschließend soll der Zuschuss jährlich um 1,5 Milliarden Euro bis auf 14 Milliarden Euro steigen.
Starttermin 1. April
Nach dem Bundestag am 2. Februar wird sich die Länderkammer entweder am 16. Februar oder am 9. März mit der Reform befassen. Ein Scheitern gilt mittlerweile auch hier als ausgeschlossen; auch wenn einige Länder mit FDP- oder PDS-Regierungsbeteiligung sich der Stimme enthalten werden. In Kraft treten soll die Reform am 1. April.
Gesundheits-Staatssekretärin Marion Caspers-Merk (SPD) forderte unterdessen die baden-württembergische Landesregierung auf, den Weg für die Reform frei zu machen. Zuvor war ein von der Landesregierung in Auftrag gegebenes Gutachten veröffentlicht worden, das darlegt, dass das Bundesland geringer als erwartet von den Auswirkungen des Gesundheitsfonds getroffen werde. Das Gutachten war in Stuttgart von dem Sachverständigen Professor Dr. Jürgen Wasem präsentiert worden.