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Vakzine aus der Tabakpflanze

31.01.2006  11:02 Uhr

Borreliose

Vakzine aus der Tabakpflanze

von Conny Becker, Berlin

 

Einem deutsch-französischen Forscherteam ist es gelungen, einen Impfstoff gegen die bakterielle Infektionskrankheit Borreliose in Tabakpflanzen zu produzieren. Bei Mäusen zeigte die Vakzine bereits eine gute Schutzwirkung.

 

Nicht nur Bakterien wie Escherichia coli können Bakterienantigene für Impfstoffe liefern, sondern auch Pflanzen. Dass dies auch beim Oberflächenprotein OspA von Borrelia burgdoferi gelingt, konnte kürzlich Dr. Heribert Warzecha vom Institut für Pharmazeutische Biologie in Würzburg zeigen. Der Pharmazeut schleuste den für OspA kodierenden DNA-Abschnitt in Tabakpflanzen ein ­ allerdings nicht in den Zellkern, sondern in die Chloroplasten, von denen grüne Pflanzenzellen rund hundert Stück enthalten.

  

Diese Wahl basierte auf zwei Gründen: Zum einen war die Proteinausbeute nach dem Transformieren von DNA in den Zellkern in früheren Experimenten häufig gering, zum anderen handelt es sich bei OspA - Outer surface protein A - nicht nur um ein Eiweiß, sondern um ein Lipoprotein. Und dessen n-terminaler Lipidrest ist bei eukaryotischen Zellen bislang nicht beobachtet worden. Da Chloroplasten, wie auch Mitochondrien, ein eigenes Genom besitzen, sehr produktiv sind und zudem ursprünglich von Bakterien stammen, boten sie sich als Produktionsstelle für das Vakzineantigen an. Unklar war zunächst noch, ob sie das fremde Protein nach der Translation auch wie gewünscht modifizieren können. In Zellversuchen konnte Warzechas Team dann aber zeigen, dass die Mehrheit des produzierten OspA den Dipalmitoyl-Glycerol-Rest trug, den es als vollständiges Antigen benötigt.

 

Eine so gewonnene, aufgereinigte und mit einem Adjuvans versehene Antigenlösung testeten Wissenschaftler von der Uni Freiburg an Mäusen. Als Kontrolle spritzen sie zudem aus E. coli gewonnenes OspA, das bereits in großen Studien erfolgreich getestet worden war. Das Ergebnis: Beide Vakzinlösungen waren vergleichbar gut wirksam und induzierten über rund zwei Monate Antikörper in den Mäusen.

 

Auch wenn bislang in Deutschland nie eine Vakzine gegen Borreliose zur Verfügung stand  neu ist der Ansatz einer Impfung mit dem bakteriellen Oberflächenprotein nicht. In den USA war eine mithilfe von E. coli hergestellte Vakzine schon 1999 auf dem Markt. Da jedoch bei wenigen Patienten Autoimmun-Erkrankungen in Zusammenhang mit der Immunisierung gebracht worden waren, nahm Hersteller GlaxoSmithKline sein unpopulär gewordenes Präparat LymerixTM wieder vom Markt. Und auch der schon in klinischen Studien befindliche trivalente Impfstoff für Europa (hier existieren neben Borrelia burgdoferi noch die zwei Subspezies B. afzelii und B. garinii) wurde nicht mehr weiterverfolgt.

 

Mittlerweile haben sich bei der Studie methodische Mängel herausgestellt, so dass sie zurückgezogen wurde. Die FDA hatte zudem nie eine Marktrücknahme angeordnet. Die Chancen für ein Revival stehen also gar nicht so schlecht - möglicherweise diesmal mit aus Pflanzen gewonnenem Antigen. Denn die Produktion könnte dadurch kostengünstiger sein, sagte Warzecha im Gespräch mit der PZ. Es würden keine Fermenter, kein steriles Medium, weniger Energie und wohlmöglich auch keine Aufreinigungsprozesse mehr benötigt, schwärmte der Wissenschafter. Seine Vision ist es, den Impfstoff irgendwann einmal in Tomaten oder Salat zu produzieren. Dann könnte das Antigen mit dem Essen aufgenommen werden, von der Matrix der Pflanzenzelle geschützt durch den Magen wandern und in Dünndarmzellen die Immunantwort einleiten.

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