Hilfe für trockene Augen |
30.01.2006 12:05 Uhr |
Hilfe für trockene Augen
von Brigitte M. Gensthaler, München
Zahlreiche Pharmaka und Medizinprodukte stehen zur symptomatischen Therapie der Keratokonjunktivitis sicca, im Volksmund »trockenes Auge« genannt, zur Verfügung. Manchmal hilft allerdings auch Verzicht, nämlich auf Konservierungsstoffe in Augenarzneien.
Die Ursachen des trockenen Auges, das durch eine verminderte Tränenmenge und veränderte Zusammensetzung des Tränenfilms charakterisiert ist, sind vielfältig. Oft sind ältere Menschen und Frauen nach den Wechseljahren betroffen. Aber auch viele jüngere Menschen, die am Computer oder in trockenen, klimatisierten Räumen arbeiten, klagen über die typischen Symptome: Trockenheits- und Fremdkörpergefühl, Druckgefühl hinter dem Auge, Brennen und Rötung des Auges, Lichtempfindlichkeit, Schmerzen bei Luftzug oder trockener Luft sowie geschwollene Augenlider. Paradoxerweise kann das trockene Auge auch tränen.
Begleiter bei Grundkrankheiten
Benetzungsstörungen des Auges treten bei vielen systemischen Grunderkrankungen auf, erklärte Dr. Elisabeth M. Messmer, Oberärztin an der Universitätsaugenklinik München, bei einer Pressekonferenz des Initiativkreises zur Glaukom-Früherkennung in München. Bei rheumatischen Erkrankungen, Diabetes mellitus, Dermatosen wie Rosazea und Neurodermitis, Schilddrüsenerkrankungen, Allergien und Infektionen komme es fast immer zum Sicca-Syndrom.
Unter schwerer Augentrockenheit leiden Patienten mit Sjögren-Syndrom, bei denen eine Insuffizienz exogener Drüsen zu einem Mangel an Tränenflüssigkeit, Speichel und Gelenkschmiere führt. Bei einer Lidrandentzündung (Blepharitis) wird die äußere Lipidschicht des Tränenfilms nicht ausreichend gebildet; infolge der zu raschen Verdunstung der wässrigen Phase kommt es auch hier zur Trockenheit.
Nebenwirkungen am Auge
Bei der Suche nach der Ursache wird man auch bei der Arzneimittelanamnese fündig, erläuterte die Augenärztin. Die perorale Einnahme von Betablockern, Psychopharmaka wie tri- und tetrazyklischen Antidepressiva oder Neuroleptika, Antihistaminika und Anticholinergika kann Sicca-Symptome auslösen. Ebenso kann die lokale Applikation von Betablockern, Antihistaminika oder Anästhetika eine schmerzhafte Augentrockenheit fördern. Augentropfen mit Sympathomimetika (»Weißmacher«) sind kontraindiziert, da sie die Binde- und Hornhaut durch ihre vasokonstriktiven Effekte weiter austrocknen.
Massive Auswirkungen auf den Tränenfilm haben Konservierungsmittel wie Benzalkoniumchlorid. Dieses werde den Augentropfen nicht nur wegen seiner antibakteriellen Eigenschaften zugesetzt, sondern stabilisiere auch den Arzneistoff und fördere dessen Penetration ins Auge, erklärte Messmer. Das Konservierungsmittel vermindere aber die wässrige und die Lipidphase des Tränenfilms und schädige auf Grund seiner hohen Oberflächenaktivität das Hornhautepithel. Auch okuläre Kontaktallergien könnten durch Konservierungsstoffe hervorgerufen werden.
Ist eine kausale Behandlung des trockenen Auges nicht möglich, verwenden die meisten Patienten »künstliche Tränen«. Die viskösen Polymerlösungen enthalten beispielsweise Polyvinylalkohol, Polyvidon, Zellulosederivate (Hypromellose) oder Hyaluronsäure und bilden einen Film auf der Augenoberfläche. Stärker haften Gele auf Carbomer-Basis oder Augensalben, die sich in der Regel nur für die Anwendung vor dem Schlafengehen eignen. Wenn der Patient keine ausreichende Linderung erfährt, lohnt sich mitunter ein Wechsel des Präparats. Künstliche Tränen sind in der Regel nicht verordnungsfähig.
Eine Stabilisierung der Lipidphase erwartet man von Phospholipiden, die auf das geschlossene Auge aufgesprüht werden und über den Lidrand auf den Tränenfilm gelangen sollen.
Keine Konservierungsmittel
»Sobald ein Patient häufiger als viermal täglich Tränenersatzmittel tropft oder an einer Allergie leidet, sollte er auf Präparate ohne Konservierungsmittel umsteigen«, empfahl die Ärztin. Gleiches gilt für Ophthalmologika zur Daueranwendung, beispielsweise bei Glaukom-Patienten. Dafür stehen Konservierungsmittel-freie Augentropfen mit Pilocarpin, Clonidin und Betablockern sowie seit kurzem auch mit dem Carboanhydrase-Hemmer Dorzolamid zur Verfügung.
Tipp der Augenärztin: Wenn ein Patient mehrere Präparate benutzt, sollte er das Tränenersatzmittel frühestens 10 Minuten nach dem Antiglaukomatosum eintropfen.
Bei der Diagnose der Keratokonjunktivitis sicca kontrolliert der Augenarzt Menge und Zusammensetzung des Tränenfilms.
Mit dem Schirmer-Test wird die Quantität der Tränenflüssigkeit (wässrige Phase) gemessen. Dazu wird ein Filterpapierstreifen teilweise in den Bindehautsack gelegt und für mindestens fünf Minuten belassen. Als sicher pathologisch gilt eine Benetzung von weniger als 5 mm in fünf Minuten.
Aufschluss über die Stabilität und damit die Muzinphase des Tränenfilms gibt die »Break-up-time« (BUT, Tränenfilm-Aufreißzeit). Sie ist definiert als die Zeit bis zum Auftreten trockener Stellen auf der Hornhaut nach einem Lidschlag. Dazu wird der Tränenfilm mit Fluoreszein angefärbt und mit der Spaltlampe beobachtet. Normal ist eine BUT über 10 Sekunden, sicher pathologisch ein Wert unter 5 Sekunden.
Die Anfärbung des Binde- und Hornhautepithels mit Farbstoffen wie Bengalrosa lässt abgeschilferte nekrotische Epithelzellen und trockene Stellen erkennen.