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Apotheken kommen schlecht weg

31.01.2006  16:56 Uhr

WISO

Apotheken kommen schlecht weg

von Daniel Rücker, Eschborn

 

Wieder einmal hat ein Wirtschaftsmagazin die Beratung in Apotheken getestet. Wieder einmal war das Ergebnis nicht zufrieden stellend und wieder einmal war Professor Dr. Gerd Glaeske mit von der Partie.

 

Das Szenario ist bestens bekannt. Mit versteckter Kamera suchte ein Team des ZDF-Wirtschaftsmagazins WISO zwölf Nürnberger Apotheken auf. Gefragt wurde nach drei Medikamenten: Dem Bisphosphonat Actonel (Alendronat), einem Kopfschmerzmittel und einem Magnesium-Präparat. Beim Bisphosphonat hätten die Apotheken den Patienten darauf hinweisen sollen, dass dieser das Präparat mit Leitungswasser und im Stehen einnehmen soll, zwei bis drei Stunden nach der Einnahme nichts essen darf und sich ebenso lang nicht hinlegen soll. Dieser Aufgabe wurde keine der von WISO gezeigten Apotheken gerecht. Ebenfalls unzufrieden waren die Tester mit der Beratung bei einem apothekenpflichtigen Kopfschmerzmittel. Symptome und Unverträglichkeiten seien in keiner Apotheke ausreichend besprochen worden, so die Kritik. Für die Beratung bei Magnesium bekamen immerhin sieben Apotheken das Plazet der WISO-Redaktion. Allerdings wiesen nur drei auf die Wechselwirkung mit dem Bisphosphonat hin.

 

Alles in allem ein Ergebnis, dass nach Kommentaren von Professor Dr. Gerd Glaeske rief. Der konnte in Wiso das tun, was er gerne und häufig macht, nämlich seinen Kolleginnen und Kollegen mangelhafte Beratung vorwerfen: »Mit Magnesium zerstört man die Wirksamkeit von Actonel ­ mit bösen Folgen. Es kann zu schlecht heilenden Knochenbrüchen kommen, weil der Knochenschutz nicht ausreicht²« sagte Glaeske und hat damit unzweifelhaft Recht.

 

Doch neben der Wahrheit gibt es natürlich auch noch die ganze Wahrheit und die sagte Glaeske in WISO nicht. In den vergangenen Jahren hat der Bremer Arzneimittelexperte mit den Apothekerkammern Niedersachsen und Nordrhein in Apotheken Testkäufe mit wesentlich größeren Stichproben gemacht.

 

Testkäufe in allen Kammerregionen

 

Darauf verweist auch die Präsidentin der Bundesapothekerkammer und der Landesapothekerkammer Niedersachsen in einer Stellungnahme: »Diese Ergebnisse treffen unsere Berufsgruppe sehr. Aber sie rechtfertigen nicht den pauschalen Vorwurf, Apotheker würden generell schlecht beraten.« Testkäufe und das Pseudo-Customer-Projekt in allen 17 Kammerbezirken hätten gezeigt, dass die Beratung in Apotheken wesentlich besser sei als das WISO-Ergebnis vermuten lasse. So seien im Dezember die Auswertungen der Testkäufe zu Venenmitteln publiziert worden. Alle überprüften Apotheken hatten beraten, nach wissenschaftlichen Kriterien war die Beratung bei etwa zwei Drittel umfassend oder angemessen.

 

Auch bei den Testkäufen in Niedersachsen und Nordrhein unter der Leitung von Glaeske waren die Ergebnisse deutlich besser: So hätten beispielsweise 96 Prozent aller niedersächsischen Apotheken zu Kopfschmerzen beraten. Linz kündigte an, die Kammern würden sich auch in Zukunft dafür einsetzen, »dass in allen Apotheken gut beraten wird«.

Kommentar: Die halbe Wahrheit

Keine Frage, das Ergebnis des WISO-Tests in Apotheken ist wenig erfreulich. Nur ein kleiner Teil der getesteten Apotheken hat die Testkäufer angemessen beraten. Unzweifelhaft ist aber auch, dass dieses Ergebnis nicht ausreicht, den deutschen Apotheken allgemein eine mangelhafte Qualität in der Beratung zu unterstellen.

 

Das müsste eigentlich auch der allgegenwärtige TV-Berater Professor Dr. Gerd Glaeske wissen. In zwei Kammergebieten war er an Beratungstests mit weitaus größeren Stichproben beteiligt. Auch dort gab es schlechte Beratungsleistungen, sie waren aber nicht die Regel, sondern eher die Ausnahme. Es ist bemerkenswert, dass jemand wie Glaeske, der ja immerhin Hochschulprofessor ist, öffentlich Ergebnisse kommentiert, die sich auf geringe Fallzahlen beziehen, gleichzeitig aber Resultate von Untersuchungen verschweigt, die auf einer wesentlich größeren Datenbasis beruhen und an deren Erhebung er direkt beteiligt war.

 

Was WISO am vergangenen Montag präsentierte, ist deshalb natürlich nicht unwahr. Es ist aber nur die halbe und nicht die ganze Wahrheit. Die hat Glaeske, warum auch immer, wissentlich verschwiegen. Seinen Ruf als neutraler und seriöser Wissenschaftler sollte das zumindest nicht stärken.

 

Daniel Rücker

Stellvertretender Chefredakteur

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