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Lithium

EMA prüft Risiko für Nierentumoren

20.01.2015  16:25 Uhr

Von Annette Mende / Der Pharmakovigilanz-Ausschuss PRAC der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) will die Sicherheit der Langzeitanwendung von Lithium unter die Lupe nehmen. Dabei steht insbesondere ein möglicher Zusammenhang zwischen der langjährigen Einnahme von Lithium und einem erhöhten Risiko für Nierentumore im Fokus.

Der PRAC hat dazu bereits im September 2014 alle Hersteller Lithium-haltiger Präparate mit einer Recherche zu diesem Thema beauftragt. Sie sollen dem Ausschuss entsprechende präklinische Daten, Einzelfall- und Literaturberichte liefern, die ihm als Basis für eine Empfehlung dienen werden.

 

Nephrotoxisches Potenzial

 

Beobachtungen beziehungsweise Überlegungen, die diesen Schritt veranlassten, werden im aktuellen »Bulletin zur Arzneimittelsicherheit« des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und des Paul-Ehrlich-Instituts genannt. Lithium besitzt bekanntermaßen ein nephrotoxisches Potenzial: Im Laufe der Behandlung, die zwanzig Jahre und länger dauern kann, nimmt die Konzentrationsleistung der Niere bei jedem zweiten Patienten ab. Die Langzeittherapie birgt ein erhöhtes Risiko für eine Niereninsuffizienz. Wie genau es die Nieren angreift, ist noch nicht vollständig geklärt. Man weiß aber, dass die Konzentrationen diverser Proteine, die unter anderem am Zelltod, an der Apoptose und der Zellproli­feration beteiligt sind, in den Nieren Lithium-behandelter Patienten stark erhöht sind.

 

Dem BfArM liegen einige Fallberichte eines Arzneimittelherstellers über Tumoren beziehungsweise Zysten der Niere unter Lithium vor. Wissenschaftliche Publikationen weisen zudem auf einen möglichen Kausalzusammenhang hin. Dass dieser erst jetzt diskutiert wird, erstaunt, denn immerhin wird Lithium bereits seit mehr als 60 Jahren bei affektiven Störungen, manischen Phasen und bipolarer Depression eingesetzt. Zulassungsstudien und kurze Sicherheitsstudien können aufgrund ihrer kurzen Beobachtungszeit dieses Risiko jedoch nicht erfassen.

 

Lithium-haltige Arzneimittel kommen in Deutschland relativ häufig zum Einsatz: Laut »Arzneiverordnungsreport 2014« wurden im Jahr 2013 allein 16,0 Millionen definierte Tagesdosen (DDD) Quilonum® zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung verordnet, 4,2 Millionen DDD entfielen auf Hypnorex® retard und 0,72 Millionen auf Lithium Apogepha®. Dennoch vermuten die Autoren des Arzneiverordnungsreports, dass insbesondere Patienten mit bipolarer Störung in Deutschland mit Lithium unterversorgt sind, da die Verordnungszahlen gegenüber dem Vorjahr leicht rück­läufig, die Zahl der Diagnosen aber gestiegen sei.

 

Enge therapeutische Breite

 

Ein Grund dafür ist sicher die schmale therapeutische Breite des Arzneistoffs, die individuelle Dosierungen und häufige Blutspiegel-Kontrollen erforderlich macht. Eine Umstellung auf ein anderes Präparat muss engmaschig überwacht werden, da die einzelnen Arzneimittel Lithium in verschiedenen Salzen und unterschiedlichen Mengen enthalten. Bei Überschreiten der therapeutischen Serumkonzentration von 0,6 bis 1,0 mmol/l drohen zunächst Lethargie, Muskelschwäche, Tremor, Übelkeit und Diarrhö, bei steigender Konzentration unter anderem Verwirrtheit, Muskelzuckungen, EKG-Veränderungen, Krampfanfälle und sogar der Tod. Unter Beachtung der Vorsichtsmaßnahmen kann die Behandlung mit Lithium aber laut Bulletin zur Arzneimittelsicherheit als sicher angesehen werden.

 

Einige Arzneimittel, darunter ACE-Hemmer, nicht steroidale Antirheumatika und Diuretika, erhöhen den Lithium-Spiegel dauerhaft. Lithium, das als erstes Element der Alkalimetalle chemisch eng mit Natrium verwandt ist, wird wie dieses in den Glomeruli der Niere frei filtriert und zu 70 bis 80 Prozent im proximalen Tubulus reabsorbiert. Ein geringer Anteil wird in der Henle-Schleife oder im distalen Tubulus rückresorbiert. Im Sammelrohr wird Na­trium über einen epithelialen Kanal reabsorbiert, den auch Lithium benutzt. Anders als Natrium kann Lithium die Zelle aber nicht auf der anderen Seite über die Natrium-Kalium-ATPase wieder verlassen, da es kein Substrat für dieses Transportprotein ist. In der Folge reichert sich Lithium in den Zellen des Sammelrohrs an. /

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