Verhandlungen |
24.01.2012 17:33 Uhr |
Für die pharmazeutische Industrie ist es vielleicht keine gute Nachricht, für die meisten anderen Menschen in Deutschland wahrscheinlich schon: In dieser Woche hat ein Arzneimittelhersteller erstmals Preisverhandlungen mit dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen (lesen Sie dazu Preisverhandlungen: Der Basar ist eröffnet).
Wie viel müssen die Krankenkassen für Medikamente mit dem Wirkstoff Ticagrelor bezahlen? Noch vor zwei Jahren wäre dies keine Fragestellung für Verhandlungen gewesen. Bei Medikamenten, die eine deutliche therapeutische Verbesserung bedeuteten, konnte der Hersteller mit dem Preis nahe an die Schmerzgrenze gehen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Die Kassen waren gesetzlich verpflichtet, auch sehr teure Medikamente zu erstatten. Das ist heute anders. Auch wenn der Gemeinsame Bundesausschuss dem Hersteller AstraZeneca bescheinigt hat, der Thrombozytenaggregationshemmer habe einen »beträchtlichen Zusatznutzen« in bestimmten Indikationen, kann das Unternehmen den Preis nicht einfach festsetzen. Es muss darüber verhandeln. Das ist richtig so.
In den vergangenen Jahren haben sich Pharmaunternehmen ihre Innovationen teuer, manchmal auch zu teuer, bezahlen lassen. In Zeiten klammer Sozialsysteme fehlte das Geld dann an anderer Stelle. Es ist deshalb gut, dass es nun obligatorische Preisverhandlungen gibt. Da die Medikamente schon vor den Verhandlungen auf den Markt kommen, gibt es auch keine Verzögerungen für den Markteintritt.
Auf der anderen Seite ist es aber auch nachvollziehbar, dass die pharmazeutische Industrie den ersten Verhandlungen mit gemischten Gefühlen entgegenblickt. Für die Krankenkassen verhandelt der Quasi-Monopolist GKV-Spitzenverband mit seiner erdrückenden Marktmacht. Was das bedeutet, wissen die Apotheker nur zu gut. Die Verhandlungen zum Apothekenabschlag zeigen, mit welch harten Bandagen die Kassen kämpfen. Sie sollten bei den Preisverhandlungen nicht ähnlich rabiat vorgehen.
Das wäre auch ein grober Fehler. Die Entwicklung neuer Arzneimittel kostet viel Geld, auch wenn man die Ausgaben für Marketing und Werbung herausrechnet. Die Krankenkassen sollten ihre Stärke nicht missbrauchen. Wenn sich diese Investitionen nicht mehr lohnen, gäbe es am Ende nur noch Verlierer.
Daniel Rücker
Chefredakteur