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Kassen versus Pharmaindustrie

Streit um Arzneimittelpreise

08.02.2017  09:39 Uhr

Von Jennifer Evans / Die Arzneimittelausgaben haben 2016 »ein Rekordniveau« erreicht, sagt die KKH Kaufmännische Krankenkasse. Der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) behauptet hingegen, die Ausgaben seien gemessen am Bruttoinlandsprodukt seit Jahren stabil.

Die Arzneimittelausgaben der KKH sind im Jahr 2016 extrem angestiegen. Wie die Kasse vergangene Woche mitteilte, zahlte sie rund 840 Millionen Euro für die Versorgung ihrer Versicherten mit Medikamenten aus öffentlichen Apotheken. Demnach liegen die Kosten pro Mitglied laut KKH 4 Prozent über den Ausgaben des Vorjahres. Insgesamt seien aber nur 0,7 Prozent mehr Rezepte abgegeben worden. Das bedeute, dass 2016 mehr hochpreisige Arzneimittel verschrieben worden sein müssen.

 

»Die Kostenspirale geht weiter nach oben. Deshalb muss das geplante Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung hier gegensteuern«, so der KKH-Vorstandsvorsitzende Ingo Kailuweit. Er fordert, dass die für neue Medikamente ausgehandelten Preise mit Pharmafirmen rückwirkend ab dem Tag der Zulassung gelten sollen. »Gleichzeitig muss diese Regelung für alle neuen Arzneimittel möglich sein – nicht erst ab einer Umsatzschwelle von 250 Millionen Euro, wie es aktuell geplant ist«, so Kailuweit. Ansonsten blieben Mondpreise weiter ein Problem.

 

Erstes Marktjahr

 

Seit 2011 ist die Beurteilung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über den Zusatznutzen eines Medikaments die Basis für Preisverhandlungen zwischen Herstellern und dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Bis das Verhandlungsergebnis im ersten Jahr nach Markteintritt auf dem Tisch liegt, setzt der Hersteller den Preis fest.

 

Der BPI widerspricht den KKH-Behauptungen zur Preisentwicklung im Jahr 2016. »Es gab und gibt nachweislich keine Kostenexplosion«, teilte der stellvertretende BPI-Hauptgeschäftsführer Norbert Gerbsch mit. Der Anteil der pharmazeutischen Industrie an den GKV-Ausgaben liege gemessen am Bruttoinlandsprodukt bereits seit Jahrzehnten konstant unter 10 Prozent. Daran ändere auch der von der KKH vermeldete Rekordanstieg nichts. Eine Kostendämpfung der Arzneimittelpreise im Rahmen des geplanten Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetzes (AM-VSG) sei daher unnötig. Gerbsch warnte, »trotz Wahlkampf die Diskussion um die Arzneimittelausgaben dringend zu versachlichen und einzelne Kassen-Zahlen nicht für gesetzgeberische Schnellschüsse zulasten der Versorgung zu instrumentalisieren«.

 

Schon die Umsatzschwelle ist Gerbsch zufolge für die Hersteller eine große Zumutung, da sie Kalkulations- und Planungssicherheit infrage stelle. »Aber auch für Patienten, die schnell und dauerhaft von Arzneimittelinnovationen profitieren sollen, ist die Aufweichung der freien Preisbildung kein gutes Signal.« Die KKH solle sich besser auf die Versorgungsverantwortung ihrer Versicherten besinnen, so Gerbsch.

 

Die Kasse sieht das mit Blick auf das AM-VSG anders. Kailuweit: »Dort, wo Krankenkassen im Sinne der Patienten für höhere Qualitätsstandards und im Sinne der Beitragszahler für mehr Effizienz sorgen könnten, werden ihnen die Instrumente aus der Hand genommen.« Die KKH befürchtet, dass die Vertrags- und Gestaltungsspielräume der Kassen durch das Gesetz künftig eingeschränkt werden, etwa indem exklusive Ausschreibungen bei Zytostatika und Impfstoffen verboten werden. /

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