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Neue Arzneistoffe 2018

Schwerpunkt Immunsystem

17.01.2018  10:43 Uhr

Von Daniela Hüttemann / Der Schwerpunkt bei den neuen ­Arzneistoffen wird voraussichtlich auch dieses Jahr auf Immun- und Krebstherapeutika liegen, darunter zwei CAR-T-Zelltherapien. Zudem könnte zwei neuartigen Migränemitteln, zwei Neuro­leptika und einigen Antibiotika und HIV-Mitteln der Markteinstieg gelingen.

2017 kamen mehr als 30 neue Wirkstoffe in Deutschland auf den Markt, davon allein zehn Krebsmedikamente. Ebenfalls stark vertreten waren Arzneistoffe gegen Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis und Psoriasis. Dieser Trend wird sich in diesem Jahr vermutlich fortsetzen, schaut man in die Pipeline der Pharmaindustrie. Mit Til­drakizumab steht ein weiterer monoklonaler Antikörper zur Behandlung der Psoriasis in den Startlöchern. Wie das kürzlich zugelassene Guselkumab (Tremfya®) richtet er sich gegen das ­Interleukin-23.

Frisch zugelassen ist der ­Antikörper Benralizumab (Fasenra® von Astra-Zeneca) mit der Indikation Asthma. Angriffsziel ist der Interleukin-5-Rezeptor, was ihn von Mepolizumab und Reslizumab, die IL-5 direkt hemmen, unterscheidet.

 

Antikörper gegen Migräne

 

Zwei weitere Antikörper sind Hoffnungsträger zur Migräneprophylaxe: Erenumab (Aimovig® von Amgen und Novartis) soll als Antagonist am Cal­citonin-Gene-Related-Peptide (CGRP)-­Rezeptor das Auftreten von Migräne­attacken verhindern. Ähnlich wirkt Galcanezumab von Lilly, allerdings zielt dieser Antikörper direkt auf CGRP.

 

Bewegung könnte auch in die Therapie der Schizophrenie kommen. Mit ­Cariprazin (Reagila® von Gedeon Richter) ist bereits seit Sommer vergangenen Jahres ein neues atypisches Neuroleptikum zugelassen. Es könnte im zweiten Quartal dieses Jahres auf den Markt kommen. Mit Brexpiprazol (Rexulti® von Osaka) könnte ein D2- und D3-Rezeptoragonist in derselben Indikation folgen. Dieser Wirkstoff wird auch bei Depres­sion und Alzheimer untersucht.

 

Ebenfalls zwei Arzneistoffkandi­daten gibt es in der Indikation Typ-2-­Diabetes: Für Semaglutid (Ozempic® von Novo Nordisk) liegt seit Dezember eine Zulassungsempfehlung vor. Das GLP-1-Analogon wirkt so lang, dass eine einmal wöchentliche Applikation möglich ist. Für den SGLT-2-Inhibitor Ertugliflozin (Steglatro®) hat Hersteller Pfizer vor knapp einem Jahr die EU-Zulassung beantragt.

 

Potenzielle Zulassungen stehen auch bei den Antiinfektiva an: Letermovir (Prevymis® von Aicuris) ist das erste spezifische Mittel gegen Zytomegalie­viren (CMV) werden. Es handelt sich um einen oral verfügbaren nicht nukleosi­dischen Hemmer der CMV-Terminase. Laut Hersteller hat die EU-Kommission vergangene Woche die Zulassung erteilt.

 

Mit Doravirin von MSD, einem nicht nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Hemmer, und Bictegravir, einem Integrase-Inhibitor von Gilead, befinden sich zudem zwei neue HIV-Wirkstoffe in der klinischen Prüfung. Bictegravir soll als Kombination mit Emtricitabin und Tenofovir alafenamid auf den Markt kommen; Doravirin als Monopräparat sowie zusammen mit Lamivudin und Tenofovir disoproxil. Neu wäre auch die Kombination der bereits zugelassenen antiretroviralen Arzneistoffe Dolutegravir und Rilpivirin (Juluca™ von Janssen-Cilag und Viiv).

 

Neue Antibiotika

 

Auch bei den Antibiotika tut sich was: Eravacyclin von Tetraphase ist ein Breitband­antibiotikum aus der Klasse der Fluorocycline. Es ist gegen Tetra­zyklin-resistente Erreger bei komplizierten Bauchrauminfektionen gedacht. Vaborbactam wäre ein neuer β-Lactamase-Hemmer, der in fixer Kombination mit Meropenem bei komplizierten Harnwegsinfektionen durch gramnegative Bakterien helfen soll.

 

Im April soll ein Medikament gegen Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhö auf den Markt kommen. Zinplava® von MSD enthält den humanen monoklonalen Antikörper Bezlotoxumab, der sich gegen das von Clostridien produzierte Toxin B richtet. Er ist nicht als kausale Therapie, sondern als Add-on zu einer Antibiotikatherapie gedacht.

 

Mit Shingrix® befindet sich ein Impfstoff gegen Gürtelrose für Erwachsene ab 50 Jahren seit November im Zulassungsverfahren. In den USA ist die Vakzine bereits seit Oktober zugelassen. Sanofi hatte vergangenen März die EU-Zulassung für seinen Dengue-Impfstoff Dengvaxia® beantragt. In einigen ­Ländern mit hoher Krankheitslast wie Mexiko, Brasilien und den Philippinen ist er bereits zugelassen. Zuletzt war Dengvaxia aber auf den Philippinen in die Kritik geraten, da Geimpfte, die zuvor noch nie mit Dengue-Viren infiziert waren, teils schwerer erkrankten als Ungeimpfte.

 

Fokus Blutgerinnung

 

Auch die Blutgerinnung bleibt ein Thema: Nach Lonoctocog alfa (Afstyla® von CSL Behring) und Nonacog beta pegol (Refixia® von Novo Nordisk) im vergangenen Jahr könnten Rurioctocog alfa pegol (Adynovi® von Baxalta), Damoctocog alfa pegol von Bayer und Emicizumab (Helimbra® von Roche und Chugai) zur Hämophilie-Behandlung folgen. Das Antidot Andexanet alfa von Portola soll die Wirkung von Anti­koagulanzien aufheben, die sich gegen den Gerinnungsfaktor Xa richten ­(Heparine, Rivaroxaban, Apixaban, ­Edoxaban). Der Antikörper Caplacizumab von Ablynx richtet sich gegen den von-Willebrand-Faktor und soll bei erworbener thrombotischer Thrombozytopenie helfen.

 

Die neuen Krebsmittel sind unter anderem zur Behandlung von Blasen-, Brust- und Eierstockkrebs vorgesehen. Astra-Zeneca hat die Zulassung zur Erstlinientherapie von Blasenkrebs für den Checkpoint-Inhibitor Durvalumab (Imfinzi®) beantragt, der sich gegen ­PD-L1 richtet. ­Padeliporfin (Tookad® von Steba Biotech) ist ein wasserlösliches Palladium-Bakteriochlorophyll-Derivat, das in die Blutgefäße des Tumors injiziert wird. Durch Laserstrahlen wird es aktiviert und soll den Tumor abtöten, ohne in umliegendes Gewebe aufgenommen zu werden. Zudem sind einige Kinase-Hemmer für unterschiedliche Krebsarten derzeit im Prüfverfahren. Gute Chancen könnte der PARP-1- und -2- Hemmer Rucaparib ­(Rubraca® von Clovis Oncology) haben, der in den USA bereits gegen Eierstockkrebs eingesetzt wird; ebenso der CDK4/6-Inhibitor Abema­ciclib (Verzenio® von Lilly) in der Indikation Brustkrebs.

 

Im Kommen sind auch zellmanipulierende Verfahren. Diese Woche soll Zalmoxis® von Molmed in Deutschland auf den Markt kommen. Dabei handelt es sich um eine ergänzende Gentherapie für Patienten mit akuter lymphoblastischer Leukämie, die eine Stammzelltransplantation erhalten. Um Abstoßungsreaktionen zu vermeiden, sollen sie während der Transplantation gentechnisch geänderte T-Zellen bekommen, die ein Suizid-Gen exprimieren – eine Thymidin-Kinase aus Herpex-­simplex-Viren. Das soll die Immunantwort unterdrücken, ohne dass zusätzlich Immunsuppressiva benötigt werden.

 

Immunzellen gegen Krebs

 

Gleich zwei CAR-T-Zell-Therapien warten auf die Zulassung. Axicabtagen ­ciloleucel (Yescarta™ von Gilead) soll Patienten mit bestimmten Non-Hodgkin-Lymphomen helfen. Hier werden dem Patienten T-Zellen entnommen und so manipuliert, dass sie einen chimären Antigen-Rezeptor exprimieren. Dieser kann an CD19-tragende ­B-Zellen binden und sie zerstören. Das gleiche Prinzip wird bei Tisagenlecleucel (Kymriah™ von Novartis) angewendet; hier ist die Zulassung zur Behandlung von ALL und diffusen großzelligen B-Zell-Lymphomen beantragt. Beide Therapien sind in den USA bereits zugelassen. /

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