SPD zeigt sich kompromissbereit |
18.01.2017 09:36 Uhr |
Von Ev Tebroke / Bislang war die SPD-Bundestagsfraktion gespalten, was das von der Union geplante Gesetz zum Verbot des Rx-Versandhandels betrifft. Insbesondere Fraktionsvize Professor Karl Lauterbach galt als klarer Gegner des Gesetzesvorhabens. Nun zeigt der SPD-Gesundheitsexperte Kompromissbereitschaft. Jedoch knüpft er die Zustimmung der SPD an eine Bedingung.
Die SPD scheint beim Thema Rx-Versandverbot doch noch einzulenken. Das lässt zumindest ein Tweet des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Karl Lauterbach vermuten. Für die SPD sei ein Versandverbot nur möglich, wenn die Zuzahlung für Chroniker ganz wegfiele, schrieb er vergangenen Samstag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Wörtlich heißt es dort: »CDU will Versandhandelsverbot für Apothekerlobby. Patienten verlören Boni für Zuzahlung. Für SPD nur möglich wenn Zuzahlung für Chroniker ganz wegfiele.« Als Begründung nannte der SPD-Politiker Medienberichten zufolge die Tatsache, dass chronisch Kranke von dem Verbot am stärksten betroffen seien.
Bundesrat pro Gesetz
Gewichtige Stimme: Ob das Rx-Versandverbot kommt, hängt von der Unterstützung der SPD ab.
Foto: imago/imagebroker
Bislang ist die SPD uneins beim Thema Rx-Versandverbot. Während einzelne Länder mit SPD-Beteiligung im Bundesrat eine entsprechende Gesetzesinitiative Ende November 2016 unterstützten, findet die Bundesfraktion noch keinen gemeinsamen Nenner. Insbesondere Gesundheitsexperte Lauterbach hatte sich stets eindeutig gegen das von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und Union geplante Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ausgesprochen. Für ihn war dies der falsche Weg. Der Rx-Versandhandel habe sich etabliert und sei gerade für chronisch Kranke angenehm und bequem. Statt eines Verbots hatte Lauterbach dafür plädiert, die Beratungsleistungen und Notdienste der Apotheker vor Ort besser zu vergüten und so deren Position im Wettbewerb mit dem Versand zu stärken.
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016 dürfen Versandapotheken mit Sitz im EU-Ausland Rabatte auf Rx-Medikamente anbieten, denn die EU-Richter sehen die Preisbindung in diesem Bereich als Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit. Die seither für ausländische Versender möglichen Preisnachlässe bewegen sich im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Arzneimittel-Zuzahlungen. Diese belaufen sich auf 5 bis 10 Euro pro Rx-Packung. Die über solche Boni ermöglichten Einsparungen für Patienten will Lauterbach nun für Chroniker erhalten. Bedingung für die Zustimmung der SPD zum Versandverbot ist demnach die Bereitschaft der Union, die Zuzahlungen auf Rx-Medikamente für Chroniker komplett abzuschaffen.
In der Unionsfraktion findet der Vorstoß keine Zustimmung. Der Arzneimittelexperte Michael Hennrich (CDU) sprach gegenüber der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« von einem »vergifteten Angebot«. »Wenn nach dem Wegfall der Praxisgebühr jetzt auch noch die Zuzahlung für Arzneimittel für chronisch Kranke fällt, können wir Zuzahlung als Finanzierungsinstrument gleich ganz aufheben«, so Hennrich. Es gehe auch darum, ob eine Patientengruppe auf Kosten anderer bevorzugt werden dürfe. Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Union, Maria Michalk (CDU), ist gegen ein solches Tauschgeschäft. »Wenn die Zuzahlungspflicht für chronisch Erkrankte entfällt, findet die Verteilung der Kosten auf Gesunde und akut Kranke statt. Das ist unsolidarisch«, sagte sie auf Anfrage der PZ. Das Versandhandelsverbot für Rx-Medikamente habe in seiner grundsätzlichen Intention die Chancengleichheit von inländischen und ausländischen Apotheken im Blick. Es sei legitim darüber nachzudenken, ob es auch andere Aspekte gibt, welche berücksichtigt werden sollten. »Die Abschaffung der Zuzahlungen für chronisch Kranke sollte dies jedoch nicht sein«, so Michalk.
Die Krankenkassen halten ebenfalls nichts von Lauterbachs Vorstoß: »Ein Versandhandelsverbot wäre im 21. Jahrhundert nicht zeitgemäß und würde auch durch eine Zuzahlungsbefreiung für Chroniker nicht zeitgemäßer«, so der stellvertretende Chef des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), Johann Magnus von Stackelberg, via Twitter.
Letztlich geht es für die GKV auch um viel Geld. Nach Angaben der ABDA belaufen sich die gesetzlichen Zuzahlungen für Arzneimittel zugunsten der Kassen jährlich auf mehr als 2 Milliarden Euro. Wie viel davon von chronisch Kranken gezahlt wird, ist statistisch nicht bekannt. Grundsätzlich müssen gesetzlich Krankenversicherte maximal 2 Prozent ihres Jahresbruttoeinkommens an Zuzahlungen leisten, ansonsten sind sie von Zuzahlungen befreit. Bei Chronikern liegt die Grenze bei 1 Prozent. Laut ABDA waren im Jahr 2014 rund 6,4 Millionen chronisch Kranke zuzahlungsbefreit. Von den übrigen Patienten 0,3 Prozent.
Wie sich die Debatte um das Versandverbot weiter gestaltet, bleibt abzuwarten. Fakt ist: Auch wenn die Koalition nach wie vor uneins ist, die Mehrheit der Bevölkerung kann Gröhe mit seinem Gesetzesvorhaben hinter sich wissen. Einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach von Dezember 2016 zufolge halten 51 Prozent der Befragten ein Verbot für richtig. 34 Prozent sind dagegen, 15 Prozent sind noch unentschieden. /