Drogenkonsum zu leicht gemacht |
20.01.2016 09:32 Uhr |
Von Sebastian Becker, Warschau / Die deutsche Bundesregierung kritisiert Polen, die Verbreitung von Crystal Meth nach wie vor nicht wirkungsvoll genug zu bekämpfen. Tatsächlich blüht der Handel – trotz eines neuen Gesetzes. Das Land bleibt ein Drogenzentrum in Europa.
Agnieszka ist drogenabhängig und schwer psychisch krank. LSD, Amphetamine, aber auch Crystal Meth, also Methamphetamin: Alles hat sie schon ausprobiert. »An den Hustensaft oder andere Medikamente, die man für die Herstellung braucht, kommt man hier in Polen ganz leicht«, bestätigt die Warschauerin. In jeder Apotheke könne man diese Arzneien zu niedrigen Preisen kaufen.
Designerdrogen wie Crystal Meth sind in Polen leicht erhältlich. Auch der Schmuggel über die deutsche Grenze ist nach wie vor ein großes Problem.
Foto: Imago/Michael Westermann
Polen, das größte östliche EU-Land, ist nach Ansicht von Experten nach wie vor Drogenzentrum in Europa. Ein Rauschmittel, das derzeit am Markt für Aufruhr sorgt, ist die Modedroge Crystal Meth. Das Methamphetamin gilt als extrem gefährlich, weil es sehr schnell süchtig macht und starke physische und psychische Schäden hervorruft. Pseudoephedrin, ein Grundstoff aus dem sich das Rauschgift vergleichsweise einfach chemisch erzeugen lässt, ist beispielsweise in Erkältungsmitteln enthalten.
Offene Grenze
Die Drogen gelangen problemlos von Polen nach Deutschland – schließlich ist die Grenze offen. »Polen ist hier immer noch eine offene Flanke«, hatte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), den deutschen Nachbarn Ende Dezember kritisiert. Das Land habe in Aussicht gestellt, die Verfügbarkeit von Methamphetamin einzuschränken. Doch handelt es ich es sich hierbei nach Ansicht von Mortler um eine reine Absichtserklärung.
Ursprünglich hatte im Juni vergangenen Jahres die damalige liberalkonservative polnische Regierung ein Gesetz verabschiedet, das die Verbreitung von 114 Mitteln verbietet, aus denen sich synthetische Drogen gewinnen lassen. In Schlesien hatten sich Hunderte Polen mit einer Modedroge namens Mocarz teilweise lebensbedrohlich vergiftet. Der Skandal hatte eine riesige Debatte in den Medien und in der ganzen Gesellschaft losgetreten.
»Dieses Gesetz ist zwar nicht schlecht«, sagte der Sprecher der Drogenbeauftragten, Andreas Deffner, im Gespräch mit der Pharmazeutischen Zeitung. Doch habe sein Amt Hinweise, dass die Verbreitung dieser Mittel nach wie vor ungehindert stattfindet. Das polnische Gesundheitsministerium, das nach den Wahlen im Herbst neu besetzt worden ist, war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Tatsächlich gibt es einen blühenden Internethandel mit Medikamenten, den die polnische Regierung kaum kontrollieren kann. Darunter befinden sich auch kommerzielle Anbieter von Medikamenten, die sonst nur auf Rezept erhältlich sind. Doch nicht nur Arzneimittel zur Herstellung von Rauschmitteln, sondern auch die fertigen synthetischen Drogen sind in Polen leicht erhältlich.
Dazu gehören insbesondere Amphetamine. »Gerade in Polen sind in der Vergangenheit die meisten chemischen Fabriken ausgehoben worden«, zitiert der polnische TV-Sender TVN einen Sprecher der Warschauer Polizei. »Diejenigen, die sich mit der Herstellung dieser Droge in Europa beschäftigen, stammen meistens aus Polen«, erklärte der Sprecher. Es handelt sich demnach um polnische Chemiker, die ein ganzes Produktionssystem leiten.
»Die fertigen Drogen bekommt man hier ganz leicht«, unterstreicht auch Agnieszka. Die Rauschmittel gebe es problemlos in den Wohnvierteln der polnischen Hauptstadt zu kaufen. »Irgendein Nachbar hat da immer Zugang«, sagt sie. Woher die Drogen allerdings konkret kommen, weiß sie nicht. /