Gemeinsam zur Attacke |
12.01.2015 15:30 Uhr |
Von Heidi Schooltink / Was hat der pelzige Zahnbelag im Mund mit den ekeligen Ablagerungen in den Abflussrohren der Badewanne zu tun? Auf den ersten Blick nicht viel. Ein Blick ins Mikroskop offenbart jedoch, dass beide Beläge ganz ähnlich aufgebaut sind und aus in einer Schleimschicht eingebetteten Mikroorganismen bestehen. Solche Biofilme können chronische Infektionen auslösen.
Biofilme kommen in der Natur an allen Grenzflächen vor. Am häufigsten siedeln sich Mikroorganismen zwischen einer Fest- und einer Flüssigphase an. Auch im menschlichen Körper gibt es solche Grenzflächen, beispielsweise zwischen Blasenepithel und Urin oder zwischen Herz- oder Gefäßendothelien und Blut. In der Regel herrschen hier sterile Bedingungen. Gelingt es Mikroorganismen einzudringen und an den mit Epithel ausgekleideten Wänden einen Biofilm zu bilden, hat dies schwer behandelbare Infektionen zur Folge.
Wissenschaftler sind überzeugt, dass in Biofilmen organisierte Pathogene für einen Großteil der Infektionen im Menschen verantwortlich sind. Auch im Magen-Darm-Trakt tummeln sich haufenweise Mikroorganismen – etwa zehnmal mehr als Körperzellen –, wovon ein Großteil in Biofilmen organisiert ist. Die Darmflora ist wichtig für die Verdauung von Nahrungsbestandteilen und verhindert die Ansiedlung von pathogenen Keimen. Biofilme können also durchaus nützlich sein.
Vom Wanderer zum Siedler
Foto: Fotolia/gemiphoto
Was bewegt Bakterien, Pilze und Co., ihr Wanderleben aufzugeben, sich mit anderen Mikroorganismen zusammenzutun und »sesshaft« zu werden? Das ist natürlich keine aktive Entscheidung. Der erste Kontakt mit der Oberfläche erfolgt meist zufällig und ist in der Regel reversibel (Abbildung 1, unten). Für eine dauerhafte Adhäsion sind bei vielen Bakterien, zum Beispiel uropathogenen Escherichia (E.) coli (UPEC) und Pseudomonas (P.) aeruginosa, sogenannte Pili essenziell. Dies sind fadenförmige Proteinstrukturen, die mit Oberflächenmolekülen, zum Beispiel Kohlenhydraten, eine Verbindung eingehen.
Die »Lifestyleänderung« führt zu großen phänotypischen Umwälzungen bei den Bakterien, die aus einer veränderten Genexpression resultieren. Sessile Bakterien produzieren, verglichen mit ihren umherschwimmenden Verwandten, andere Proteine oder andere Mengen der gleichen Proteine. Bei Staphylococcus (S.) aureus werden über 250 Gene differenziell exprimiert (1), bei P. aeruginosa sogar über 800 Gene und damit mehr als die Hälfte (2).
Ein Charakteristikum der sessilen Zellen ist die Produktion und Sekretion extrazellulärer polymerer Substanzen (EPS), meist Polysaccharide, aber auch Proteine, Lipide und extrazelluläre Desoxyribonukleinsäuren (eDNA). Diese EPS bilden ein dreidimensionales Netzwerk, das als Matrix bezeichnet wird (3). Die wachsende Matrix erleichtert anderen Mikroorganismen die Ansiedelung (Abbildung 1). Dabei kommt es zur lateralen Ausdehnung der Biofilme, aber auch zum Aufbau dreidimensionaler Gebilde aus mehreren Schichten. Die Bedingungen in den »Etagen« des Biofilms können verschieden sein, beispielsweise Sauerstoff- und Nährstoffangebot, sodass sich unterschiedliche Keime und Subpopulationen der gleichen Spezies wohlfühlen (4).
Das Dickenwachstum der Biofilme ist aufgrund der stärker werdenden Scherkräfte begrenzt. Teile des Biofilms können abreißen. In Biofilmen organisierte Zellen können auch wieder zur planktischen Lebensweise zurückkehren (Dispersion).
Abbildung 1: Lebenszyklus eines Biofilms. Zellen adhärieren an einer Oberfläche (1), verlieren ihre Mobiliät und produzieren extrazelluläre polymere Substanzen (2). Der Biofilm wächst, mehrere Schichten entstehen und weitere Spezies können sich ansiedeln (3-5). Zellen können aus dem Biofilm zur planktischen Lebensweise (Dispersion) zurückkehren (6).
Gemeinschaften entstehen
Die Vorteile des Lebens im Biofilm liegen auf der Hand und ähneln in verblüffender Weise denen von Gemeinschaften höherer Lebewesen. Gemeinsam sind Organismen effektiver und stärker als alleine, sie überstehen Angriffe von außen und auch Zeiten des Nahrungsmangels besser. Die extrazelluläre Matrix bietet unter anderem mechanischen Schutz und weitgehend stabile Lebensbedingungen (Tabelle 1).
Viele Biofilme in der Natur beherbergen neben Bakterien auch Archaebakterien, Protozoen, Pilze und Algen. Auch im menschlichen Organismus können verschiedene Mikroorganismen an solchen Lebensgemeinschaften beteiligt sein. Aufgrund ihres langfristigen Zusammenlebens entstehen verlässliche Kooperationen zum gegenseitigen Nutzen der Partner.
Ein allseits bekanntes Beispiel für einen »gemischten Biofilm« ist der Zahnbelag, der als Hauptverursacher von Karies und entzündlichen Zahnfleischerkrankungen (Gingivitis, Parodontitis, Periimplantitis) gilt. Mehrere hundert verschiedene Spezies wurden in Zahnbelägen nachgewiesen. Dabei unterscheiden sich die Lebensgemeinschaften in frischem und älterem Zahnbelag. In alten Plaques kommen gehäuft anaerobe Bakterien vor, die als Auslöser der Erkrankungen gelten. Erst die schützende Matrix des Biofilms und die Unterstützung der Mitbewohner erlauben es den Anaerobiern, in der primär aeroben Umgebung der Mundhöhle zu überleben (5).
Aufgabe | Bedeutung für die Biofilme |
---|---|
Adhäsion | Entstehung und Ausbreitung des Biofilms |
Aggregation der Mikroorganismen | Schaffung hoher Zelldichten, Austausch von Information (Quorum sensing) und DNA (horizontaler Gentransfer) |
Rückhalt von Nährstoffen und Wasser | Überdauern von Hunger- und Trockenperioden |
Rückhalt von extrazellulären Enzymen | Ausweitung des Nährstoffspektrums auf extrazelluläre Makromoleküle |
Adsorption von organischen und anorganischen Stoffen | Akkumulation von Nährstoffen und Mineralien |
Schaffung von Mikrobiotopen | Ansiedelung von spezialisierten Zellen und Subpopulationen, zum Beispiel Persister |
Schutzbarriere | Erhöhung der Resistenz der Organismen gegen äußere Einflüsse, zum Beispiel radioaktive Strahlung, Oxidationsmittel, Angriffe des Immunsystems und Antibiotika |
Quorum sensing: Sprache der Bakterien
Wer eine Lebensgemeinschaft gründen will, sollte wissen, ob es genügend potenzielle Mitbewohner gibt. Wie erhalten Bakterien diese Information?
Die simple Lösung sind Botenstoffe, sogenannte Autoinducer, die kontinuierlich von den Bakterien produziert und sezerniert werden. Je dichter die Bakterienpopulation wird, desto höher wird die Autoinducer-Konzentration in der Umgebung (Abbildung 2). Wird ein bestimmter Schwellenwert überschritten, kommt es einerseits zu einer positiven Rückkopplung – die Zellen produzieren größere Mengen der Autoinducer-Moleküle –, andererseits schaltet die gesamte intrazelluläre Maschinerie auf »Lifestyleänderung« um. Solche, auf der Zelldichte beruhende Regulationsprozesse werden als Quorum sensing (QS) bezeichnet.
Ein Beispiel: Das potenziell humanpathogene Bakterium P. aeruginosa beginnt bei einer ausreichenden Zelldichte QS-gesteuert mit der Produktion verschiedener Virulenzfaktoren. Dazu zählen Toxine wie Exotoxin A und Proteasen, mit deren Hilfe das Bakterium in Gewebe eindringen und Zellen zerstören kann, Adhäsionsmoleküle wie Pili-Proteine, die das Anheften an Oberflächen ermöglichen, und EPS, zum Beispiel Alginate, die die Bakterien vor Angriffen des Immunsystems schützen (6). Biofilme mit P. aeruginosa führen bei Patienten mit Mukoviszidose zu schwer behandelbaren und immer wiederkehrenden Lungenentzündungen. QS-Mechanismen spielen auch bei der Kommunikation zwischen verschiedenen Mikroorganismen und zwischen Mikroorganismen und Wirt eine Rolle (7).
Akute versus chronische Infektion
Rasant verlaufende, akute Infektionen werden in der Regel durch freilebende, sich schnell vermehrende Bakterien verursacht. Für viele chronische Infektionen sind dagegen Bakterien in Biofilmen verantwortlich. Fremdmaterialien, die gezielt in den Körper eingebracht werden, stellen offenbar einen attraktiven Siedlungsplatz dar. Daher sind Biofilme auf Prothesen, Implantaten und Kathetern ein wachsendes Problem (Tabelle 2).
Je nach zeitlichem Auftreten der Infektion sind unterschiedliche Infektionswege wahrscheinlich. Bei Infektionen im zeitlichen Zusammenhang mit der Platzierung des Fremdmaterials sind die Erreger wahrscheinlich bei dem medizinischen Eingriff in den Körper gelangt (exogene Infektion). Dagegen beruhen endogene Infektionen auf der hämatogenen Streuung der Keime von einem unabhängigen Infektlokus, zum Beispiel einer Tonsillitis. Solche Infektionen können jederzeit – auch Jahre nach der Implantation einer Prothese – auftreten.
Medizinprodukt | Mögliche Folgen einer mikrobiellen Besiedlung (Auswahl) | Beteiligte Mikroorganismen (Beispiele) |
---|---|---|
Dialyse-Shunts | Thrombophlebitis, Endokarditis, Sepsis | Staphylokokken, gramnegative Stäbchen |
Endotracheal-Tubus | ventilator-assoziierte Pneumonie (VAP) | Pseudomonas aeruginosa, Staphylokokken |
Blasenkatheter | Zystitis, Urethritis, Pyelonephritis | UPEC, Klebsiella spec., Proteus spec., Enterokokken, Candida spec. |
Herzschrittmacher | Endokarditis, Sepsis | Staphylokokken (S. aureus) |
Knochen- und Gelenkprothesen | Osteomyelitis, Implantatlockerung | Staphylokokken (S. aureus, S. epidermidis), Bacillus spec. |
Künstliche Herzklappen | Endokarditis, Sepsis | Streptokokken, Staphylokokken, Enterokokken u. v. m. |
Intrauterine Kontrazeptiva (Spirale) | Vaginose | Candida spec. |
Kontaktlinsen | Hornhautinfektionen | P. aeruginosa, Serratia marcescens, S. aureus |
Zahnimplantate | Periimplantitis | Variable, zum Beispiel Porphyromonas gingivalis, Aggregatibacter actinomycetemcomitans |
Zentralvenöse Katheter | Thrombophlebitis, Kathetersepsis | Koagulase-negative Staphylokokken, Candida spec. |
Cerebral-Shunt | Meningitis | S. aureus, S. epidermidis, Enterokokken |
Warum Antibiotika nicht helfen
Derzeit sind Antibiotika die Therapie der Wahl bei Bakterieninfektionen. Gegen Bakterien in Biofilmen sind sie aber oft machtlos. An der Antibiotikatoleranz der Biofilmbewohner sind verschiedene Mechanismen beteiligt.
Die extrazelluläre Matrix stellt ein Diffusionshindernis dar, sodass die effektive Antibiotikakonzentration im Biofilm niedriger ist. Weiterhin können im Inneren der extrazellulären Matrix Bedingungen herrschen, wie ein niedriger pH-Wert, die die Antibiotika inaktivieren. In Biofilmen eingebundene Bakterien tragen verglichen mit ihren frei umherschwimmenden Verwandten häufiger Resistenzgene gegen Antibiotika. Durch die enge Nachbarschaft kann genetisches Material zwischen Zellen leichter ausgetauscht werden, sodass sich Resistenzgene leichter verbreiten (horizontaler Gentransfer).
Daneben gibt es in jeder Bakterienpopulation metabolisch inaktive, sich nicht teilende Zellen, die sogenannten Persister (englisch: persister cells), die jede Antibiotikatherapie überleben. Die wenigen Persister (etwa 0,001 Prozent) in frei schwimmenden Bakterienpopulationen stellen in der Regel für das Immunsystem kein Problem dar. In den tieferen Schichten von Biofilmen sind Persister dagegen häufiger (bis zu 1 Prozent) und zudem unerreichbar für die Immunzellen. Ihre Unempfindlichkeit gegenüber Antibiotika beruht nicht auf Resistenzgenen und ist daher auch nicht erblich. Die Zellen begeben sich vielmehr als Reaktion auf widrige Umweltbedingungen wie Nahrungsmangel in eine Art Dämmerzustand, aus dem sie jederzeit (bei bestimmten Reizen) wieder erwachen können. Mit herkömmlichen Antibiotikatherapien gelingt daher keine komplette Ausrottung (Eradikation), sondern bestenfalls eine Ausdünnung der Bakterienpopulationen der Biofilme. Die überlebenden Persister können nach der Therapie aus ihrem »Dornröschenschlaf« erwachen und sich erneut vermehren (8).
Bei wiederkehrenden Implantatinfektionen (Tabelle 2) bleibt daher häufig nur deren Entfernung.
Zur Therapie von durch Biofilmbakterien ausgelösten Infektionen sind neue Strategien nötig (9). Prinzipiell kann zwischen Therapien unterschieden werden, die auf Abtötung der Mikroorganismen abzielen, und solchen, die lediglich deren Organisation in Biofilmen stören.
Tod den Biofilmbakterien
Zu den potenziell bakteriziden Therapien gehört der Einsatz von bakterienspezifischen Phagen. Darunter versteht man Viren, die Bakterien angreifen und auflösen (lysieren). Bakterien mit Phagen zu bekämpfen, ist keine neue Idee, sondern wurde bereits in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts erforscht. Mit dem Aufkommen der Antibiotika in den 1940er-Jahren verlor die westliche pharmazeutische Industrie das Interesse an den Phagen. In den Ländern des ehemaligen Ostblocks wird sie jedoch heute noch/schon vereinzelt praktiziert.
Wilde Gesellschaft: In diesem Biofilm tummeln sich zahllose Mikroorganismen, unter anderem Amöben und Bakterien.
Foto: CDC/ Janice Haney Carr
Phagen sind in der Natur weit verbreitet und können leicht isoliert werden. Ein immenser Vorteil ist ihre hohe Wirtsspezifität, die einen gezielten Einsatz gegen ausschließlich eine Bakterienspezies erlaubt, ohne beispielsweise die Darmflora zu zerstören. Bei Mehrfachinfektionen und unbekanntem Erreger kann diese Spezifität aber auch nachteilig sein. Zudem können Bakterien gegen Phagen Resistenzen entwickeln, sodass immer wieder neue Phagen isoliert und getestet werden müssten. Zusätzlich besteht die Gefahr eines horizontalen Gentransfers zwischen Bakterien (Transduktion), wenn Phagen Resistenz- oder Virulenzgene übertragen. Um dies auszuschließen, kommen nur obligat lytische Phagen, die ihr Erbmaterial nicht in das Bakteriengenom einbauen und daher auch keine bakteriellen Resistenz- und Virulenzgene »mitnehmen« können, für eine Therapie in Betracht.
Ein großer Vorteil der Phagen ist, dass sie auch metabolisch inaktive Zellen befallen. Daher zerstören sie auch die für wiederkehrende Infektionen verantwortlichen Persister (10).
Implantate oder Katheter können vor einer Biofilmbildung geschützt werden, indem sie mit antimikrobiellen Substanzen beschichtet werden (Tabelle 3). Silber ist schon seit Jahrhunderten für seine bakterizide Wirkung bekannt. Sein Einsatz in der Medizin ist aber durch mögliche Nebenwirkungen, zum Beispiel Ablagerungen, begrenzt. Nanopartikel aus Silber zeichnen sich aufgrund ihres größeren Oberfläche-Volumen-Verhältnisses durch eine bessere Wirksamkeit aus. Erste Versuche mit Silber-Nanopartikel-beschichteten Implantaten im Tiermodell waren vielversprechend. Die Biofilmbildung durch S. epidermidis konnte um 95 Prozent verringert werden, eine Ablagerung im Gewebe fand nicht statt (9).
Eine alternative Beschichtungsmöglichkeit bieten antimikrobielle Peptide. Diese Peptide werden von Zellen des angeborenen Immunsystems produziert und fungieren im menschlichen Organismus als »natürliche Antibiotika«.
Therapeutische Strategie | Beispiele |
---|---|
Bakterizide Therapien | Phagen-Therapie Metall-Nanopartikel, zum Beispiel Silber Antimikrobielle Peptide, zum Beispiel Cathelicidin und Derivate, lytische Peptide |
Verhinderung der Biofilmbildung, Inhibition der Adhäsion | Nutzung von Materialen mit anti-adhäsiven Eigenschaften Mannoside, Pilicide, Curlicide Anti-Biofilm-Polysaccharide Quorum quenching |
Zerstörung der extrazellulären Matrix | Enzyme (Dispersin B, N-Acetyl-D-glucosamine-1-phosphate acetyl-transferase (GlmU), DNase I) Anti-Biofilm-Polysaccharide Chelatoren |
Förderung der Dispersion | Modulation des Bis-(3´-5´)-zyklisches di-Guanosinmonophosphat-(c-di-GMP)-Signals |
Adhäsion verhindern
Diverse Strategien zielen darauf ab, die Adhäsion der Mikroorganismen an Oberflächen zu verhindern. Die Biofilmbildung an Implantaten lässt sich beispielsweise durch die Entwicklung anti-adhäsiver Oberflächen minimieren.
Andere Ansätze versuchen gezielt, den molekularen Kontakt zwischen den Adhäsinen der Bakterien und konkreten Oberflächenstrukturen zu stören. UPEC tragen ein Protein auf ihrer Oberfläche (FimH-Adhäsin), das an Mannose-haltige Glykoproteine auf Blasenurothelzellen bindet. Mannoside hemmen die FimH-Mannose-Interaktion, indem sie die Bindungsstelle des Proteins besetzen (kompetitive Hemmung). Die Wirksamkeit wurde allerdings bisher nur in vitro beziehungsweise in vivo in Mäusen getestet.
Wenn sich auf Endoprothesen Biofilme bilden, kann dies zu schweren Infektionen führen.
Foto: BVMed
Eine andere Strategie nutzt das Konkurrenzverhalten verschiedener Bakterien. P. aeruginosa produziert extrazelluläre Polysaccharide, die die Biofilmbildung anderer Bakterien verhindern. Als potenzieller Wirkmechanismus wird die Modifizierung der physikalischen Eigenschaften des Konkurrenzbakteriums beziehungsweise der Oberfläche angenommen. Ebenso ist eine Kompetition um Bindungsstellen oder eine Modulation der Genexpression (Abnahme adhäsiver Moleküle auf der Zelloberfläche des Konkurrenzbakteriums) möglich. Das therapeutische Potenzial dieser Polysaccharide ist groß, da viele ein breites Wirkspektrum zeigen oder sogar in der Lage sind, bestehende Biofilme aufzulösen. Einige erhöhen auch die Sensitivität von Biofilmbakterien gegenüber Antibiotika. Denkbar wäre eine Beschichtung von Implantaten, aber auch ein oraler Einsatz als Adjuvans im Rahmen einer Antibiotikatherapie (11).
Der therapeutische Einsatz von Enzymen und Chelatoren zielt auf eine Zerstörung der extrazellulären Matrix ab. Das aus Actinobacillus actinomycetemcomitans stammende Dispersin B ist ein Enzym, das eine in E. coli-, S. aureus- oder S. epidermidis-Biofilmen vorkommende EPS-Komponente spaltet und Biofilme sowohl in vivo als auch in vitro auflösen kann. Der In-vivo-Einsatz von Enzymen ist jedoch durch potenzielle Immunreaktionen limitiert.
Legionellen lieben frisches Wasser und Temperaturen zwischen 25 und 50 °C. Sie vermehren sich deshalb besonders gut in Schwimmbädern oder Warmwasserleitungen. Menschen können sich infizieren, wenn sie die kontaminierten Aerosole beispielsweise beim Duschen einatmen. Legionellen verursachen eine schwere Pneumonie. Bei ansonsten gesunden Menschen liegt die Mortalitätsrate bei 15 Prozent, bei alten und immungeschwächten Menschen noch deutlich höher.
Legionellen können sich zusammen mit verschiedenen Mikroorganismen, darunter auch Protozoen, in Biofilmen ansiedeln. Diese spielen bei der Persistenz von Legionellen eine große Rolle, weil sie sich in den Zellen vermehren. Legionellen in solchen Biofilmen sind extrem resistent gegen Biozide, zum Beispiel Desinfektionsmaßnahmen.
Besser ist es, präventiv die Bildung von Biofilmen zu verhindern (13). In Deutschland gibt es umfangreiche Maßnahmen zur Verhinderung des Legionellenwachstums in Trinkwasserleitungen. Private Hausinstallationen sollten bei einer Temperatur von minimal 60 °C betrieben werden.
Da Metallionen die Matrixstruktur stabilisieren, sind auch Chelatbildner wie Ethylendiamintetraacetat (EDTA, Citrat) möglicherweise geeignet, die Matrix zu zerstören. Citrat wird heute bereits in Katheter-Lock-Solutions eingesetzt und erweist sich als wirksamer zur Verhinderung von Infektionen als Heparin-haltige Lösungen.
Manipulation von Signalen
Wie beschrieben wird die Bildung von Biofilmen durch Quorum Sensing kontrolliert. Moleküle, die die Produktion der Autoinducer inhibieren, Autoinducer inaktivieren oder mit ihnen um die Bindung an Rezeptoren konkurrieren (kompetitive Inhibitoren), sind daher potenziell in der Lage, die Biofilmbildung zu unterdrücken, da die Bakterien die hohe Zelldichte nicht wahrnehmen können (Abbildung 3).
Ein solches Quorum quenching kommt auch in der Natur zwischen konkurrierenden Populationen und Spezies vor. Als therapeutische Strategie steckt das Quorum Quenching noch in den Kinderschuhen. Neben den Autoinducern eignet sich auch das Signalmolekül Bis-(3´-5´)-zyklisches di-Guanosinmonophosphat (c-di-GMP) als potenzielles Target für Anti-Biofilmtherapien, da es bei der Dispersion von Bakterien eine Rolle spielt. Hohe c-di-GMP-Spiegel fördern die Bildung von EPS und damit den sessilen Lebensstil (9, 12). /
Pilze der Gattung Candida besiedeln die menschliche Haut, die Mundhöhle, den Gastrointestinaltrakt und die Vagina. Bei einer Immunschwäche können die normalerweise harmlosen Kommensalen lokale Infektionen, zum Beispiel im Mund oder in der Vagina (Candidosen), und sogar lebensbedrohliche systemische Infektionen hervorrufen. Beim »Switch« vom harmlosen Mitbewohner zum gefährlichen Pathogen spielen Biofilme eine große Rolle. Normalerweise sind Candida-Zellen rundlich oval (Hefeform); im Biofilm bilden sie dagegen ein dichtes Geflecht aus länglichen Hyphen. Die Folgen der Biofilmbildung von Candida für den Menschen ähneln denen bei Bakterien: Die Pilze zeigen einerseits eine zunehmende Pathogenität und Invasivität sowie andererseits eine erhöhte Resistenz gegen immunologische Abwehrmechanismen und Fungizide. Ebenso wie Bakterien besiedeln Candida auch Prothesen und Katheter. Sie sind für rund ein Drittel aller Katheterinfektionen verantwortlich (14).
Literatur
Heidi Schooltink studierte Biologie an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen. Dort wurde sie 1992 am Institut für Biochemie der Medizinischen Fakultät mit einer Arbeit über den hepatischen Interleukin-6-Rezeptor promoviert. Danach arbeitete sie am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg über rekombinante Antikörper. Die Autorin ist seit 2002 als freiberufliche Wissenschaftsjournalistin und Lektorin tätig.
Dr. Heidi Schooltink
Theodor-Heuss-Weg 6
24211 Schellhorn
E-Mail: hschooltink(at)aol.com