Pharmazeutische Zeitung online
Haiti

Wir werden uns noch mehrere Jahre engagieren

18.01.2011  16:55 Uhr

Von Daniel Rücker / Im Januar 2010 wurde Haiti von einem starken Erdbeben erschüttert. Rund 300 000 Menschen kamen dabei ums Leben. Knapp 2 Millionen wurden obdachlos. Die Hilfsorganisationen der deutschen Apotheker beteiligten sich an der Hilfe. Das Engagement ist bis heute noch nicht abgeschlossen, sagt der Vorsitzende von »Apotheker ohne Grenzen«, Ulrich Brunner.

PZ: In der vergangenen Woche hat sich die Erdbebenkatastrophe in Haiti gejährt. Apotheker ohne Grenzen hat damals sehr schnell Helfer in das Katastrophengebiet geschickt. Was haben Sie erreicht?

 

Brunner: Unseren Nothilfeeinsatz in drei Ambulanzen in der Hauptstadt Port-au-Prince und Leogane haben wir im Sommer abgeschlossen. Unsere knapp 20 Pharmazeuten haben in dieser Zeit vor Ort in über 3000 Stunden ehrenamtlicher Arbeit medizinische Ersthilfe geleistet. Daran schließt sich nun ein mittelfristiges Projekt in der Stadt Leogane an. Gemeinsam mit dem Missionsärztlichen Institut in Würzburg und Caritas International betreiben wir dort ein Gesundheitszentrum. Dieses konnte inzwischen weiter ausgebaut werden. Erst vor wenigen Tagen haben wir eine autarke Trinkwasserversorgung in Betrieb genommen. Wir werden uns in Leogane vermutlich noch mehrere Jahre engagieren. Das Gesamtvolumen dieses Projekts beläuft sich auf rund 500 000 Euro. Die Apotheker ohne Grenzen verantworten dort den Bereich der pharmazeutischen Versorgung – angefangen von der Beschaffung von medizinischem Gerät und Arzneimitteln über deren Lagerung bis hin zur ordnungsgemäßen Abgabe.

 

PZ: Nach dem Erdbeben kam ein Hurrikan über Haiti, ein paar Monate später die Cholera. Hilfe wird dort also immer noch dringend gebraucht. Ist AoG noch vor Ort?

 

Brunner: In der Tat: Die Hurrikansaison und dann noch der Ausbruch der Cholera halten uns und auch die zahlreichen anderen Hilfsorganisationen in Atem. Zusätzlich erschwerten politische Unruhen Ende 2010 die Arbeit vor Ort, weil wir teilweise nicht mehr die Sicherheit unserer Mitarbeiter garantieren konnten. Mit einer größeren Lieferung von Cholera-Medikamenten und Wasserentkeimungstabletten, aber auch Schulungen des lokalen Personals haben wir uns in Leogane auf die Cholera gut vorbe­reitet.

PZ: In welchen Ländern außer Haiti sind Sie derzeit aktiv?

 

Brunner: Neben Haiti betreuen wir derzeit verschiedene langfristige Projekte in der Republik Moldau, in Nepal, Sri Lanka, Tansania, Uganda, Mexiko und Argentinien. Neben unseren deutschen Pharmazeutinnen und Pharmazeuten, die mehrmals jährlich dort sind, beschäf­tigen wir an den einzelnen Standorten auch lokale Mitarbeiter. Erst vor wenigen Wochen haben wir in Buenos Aires ein eigenes Büro eröffnet.

 

PZ: In welchem Umfang arbeiten Sie mit lokalen Behörden oder Organisationen zusammen?

 

Brunner: Ohne die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern im Land – vor allem Nichtregierungsorganisationen und kirchlichen Trägern – könnten wir unsere Hilfsprojekte nicht realisieren. Und auch ein guter Draht zu den Behörden ist wichtig, auch wenn gerade das in Haiti derzeit ein großes Problem ist.

 

PZ: Wie wählen Sie die Leute aus, die Sie in einen Hilfseinsatz schicken? Welche Qualifikationen braucht es dafür?

 

Brunner: Wir unterscheiden zwischen ehrenamtlichen Mitarbeitern und unseren Projektkoordinatoren, die teilweise auch hauptberuflich für uns arbeiten und in einem gesonderten Bewerbungsverfahren ausgewählt werden. Unsere freiwilligen Helfer sollten zunächst über eine pharmazeutische Ausbildung verfügen. Zudem setzen wir eine spezielle Schulung zur Vorbereitung auf den Einsatz voraus. Diese Kurse bieten wir Interessierten regelmäßig an.

 

PZ: AoG ist eingebettet in die internationale Hilfsorganisation »Pharmaciens sans frontières«. Wie eng arbeiten Sie zusammen?

 

Brunner: Die Apotheker ohne Grenzen sind eine unabhängige eigenständige Nichtregierungsorganisation (NRO). Wir pflegen aber in einem internationalen Netzwerk gute Kontakte mit anderen auf pharmazeutische Hilfe spezialisierten NRO, unter anderem in Argentinien, Kanada, der Schweiz und skandinavischen Ländern. Das ursprünglich in Frankreich gegründeten Pharmaciens sans frontières Comité International besteht seit 2009 nicht mehr.

 

PZ: Die vergangenen Jahre waren für die öffentlichen Apotheken nicht leicht. Merken Sie das? Hat die schlechte Lage Konsequenzen für das Spendenaufkommen und für die Mitgliederzahl von Apotheker ohne Grenzen?

 

Brunner: Die deutschen Apothekerinnen und Apotheker sind unsere wichtigsten Förderer und Unterstützer. Ohne ihre große Solidarität wäre unsere Arbeit in dieser Form nicht möglich. Und trotz der wirtschaftlich angespannten Lage unterstützen uns unsere Kollegen mit ihren Spenden und Aktionen sehr großzügig. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken. Unser Verein wächst seit der Gründung 2000 beständig. Derzeit haben wir in Deutschland knapp 1000 Mitglieder, darunter auch Fördermitglieder wie Apothekerkammern und -verbände.

 

PZ: Derzeit gibt es mit AoG und »Apotheker helfen« zwei pharmazeutische Hilfsorganisationen. Ist das sinnvoll? Halten Sie eine Fusion für denkbar?

 

Brunner: Genau genommen sind es mit dem Medikamentenhilfswerk Action Medeor eigentlich drei. Ich denke, jede dieser Organisationen hat einen anderen Schwerpunkt. Unsere Stärke ist vor allem unser gut ausgebildetes Personal. Wir haben in den letzten Jahren rund 200 Mitarbeiter geschult. Mit Hilfe eines eigenen Notfallplans können wir mit diesem Personalpool schnell auf eine Katastrophe reagieren. Und auch unsere langfristigen Projekte betreuen eigene Mitarbeitern. Hilfsgüter stellen wir nach dem individuellen Bedarf vor Ort zusammen und überwachen auch deren ordnungsgemäße Verteilung. / 

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