Impfung gegen schwarzen Hautkrebs |
08.01.2007 13:49 Uhr |
Impfung gegen schwarzen Hautkrebs
Von Hannelore Gießen
Tumoren mithilfe des Immunsystems zu besiegen, ist ein alter Wunschtraum. Bis heute ist es unklar, weshalb der Körper nicht selbst seine Abwehrzellen aktiviert, um maligne Zellen zu vernichten. Eine Impfung mit dendritischen Zellen, die Tumorantigene präsentieren, soll dem Immunsystem auf die Sprünge helfen.
Erste Erfolge auf dem Weg, die Immunabwehr gegen Tumoren zu mobilisieren, zeigen sich jetzt beim malignen Melanom. Das Konzept der therapeutischen Tumorimpfung stellte Professor Dr. Eckhart Kämpgen von der Universitätshautklinik in Erlangen bei der Fachtagung »Vakzine« in München vor. »Das Melanom dient uns als Modellerkrankung, von der wir viel auch für andere Tumorerkrankungen lernen können«, sagte der Erlanger Dermatologe bei der vom Forum MedTech Pharma initiierten Veranstaltung.
Schon länger wird der Ansatz verfolgt, das Immunsystem im Kampf gegen den schwarzen Hautkrebs zu aktivieren. Regelmäßige Injektionen mit Interferon-α gehören bereits zur etablierten Behandlung des malignen Melanoms. Damit kann die Erkrankung zwar nicht geheilt, aber das Auftreten von Fernmetastasen hinausgeschoben werden.
Größeren Erfolg als die Gabe von Interferon-α verspricht ein individualisierter Tumorimpfstoff, der sich gezielt gegen Tumorantigene auf der Oberfläche der Melanomzellen richtet. Zunächst verwendeten Wissenschaftler kleine Antigenbruchstücke, die sie unter die Haut des Patienten injizierten. Seit einigen Jahren werden zudem bestimmte Immunzellen, die sogenannten dendritischen Zellen (DC), eingesetzt. »Wir entnehmen dem Blut des Patienten Vorläuferzellen, entwickeln sie mithilfe von Wachstumsfaktoren zu reifen dendritischen Zellen und beladen sie anschließend mit Tumorantigen«, beschrieb Kämpgen die Vorgehensweise. »Den so individuell hergestellten Impfstoff spritzen wir dem Patienten unter die Haut. Die dendritischen Zellen wandern in die Lymphknoten und aktivieren Tumor-spezifische T-Zellen.«
Eine erste randomisierte Phase-III-Studie mit 100 Patienten, die vor rund einem Jahr publiziert wurde, zeigte, dass die Behandlung von metastasiertem Melanom mit Antigen-beladenen dendritischen Zellen ebenso gut wirkte wie die derzeit beste Chemotherapie mit Dacarbazin. Die Immuntherapie war jedoch der Chemotherapie nicht überlegen. Auch profitierten nicht alle Patienten gleichermaßen von der Tumorantigenbehandlung, sondern nur Patienten mit einem guten Allgemeinzustand. Der Erfolg der Zytostatika-Therapie hing dagegen kaum vom Gesundheitszustand der Patienten ab.
Kluft zwischen in vitro und in vivo
Auch wenn das Ergebnis die euphorischen Erwartungen nicht erfüllte, ermutigte es die Erlanger Arbeitsgruppe, den Weg weiter zu verfolgen. Bei In-vitro-Versuchen zeigte sich, dass das Prinzip funktioniert: Vor der Impfung bestimmten die Wissenschaftler die Zahl der Lymphozyten im Blut des Patienten, die sich spezifisch gegen das Tumorantigen richten, und verglichen sie mit der Konzentration nach der Impfung. Dabei zeigte sich, dass die zelluläre Immunantwort bei 40 bis 80 Prozent der untersuchten Blutproben um das 200- bis 300-fache gestiegen war. Allerdings stand den eindrucksvollen Ergebnissen im Labor ein bescheidener Erfolg in der Klinik gegenüber: Nur bei 3 bis 10 Prozent der Patienten bildete sich der Tumor tatsächlich zurück.
Die Gründe für die Kluft zwischen Labor und klinischen Ergebnis sehen die Wissenschaftler darin, dass gerade größere Tumoren Zytokine wie Interleukin-10 (IL-10) und Tumor Growth Factor β (TGF-β) bilden, die eine Immunantwort hemmen. Zudem exprimieren Tumorzellen bisweilen ein bestimmtes Tumorantigen plötzlich nicht mehr und können deshalb von den T-Lymphozyten, die gerade auf dieses Antigen spezialisiert sind, auch nicht mehr erkannt werden. Schließlich sammeln sich im Tumor regulatorische T-Zellen, die eine effektive Immunantwort regelrecht unterlaufen, indem sie zytotoxische T-Zellen ausbremsen. Die T-Zell-Antwort, die in der Peripherie gemessen wird, spiegelt deshalb nicht unbedingt die Situation im Tumor wider.
Individuelle Mutationen im Visier
Den Gründen für den unbefriedigenden klinischen Erfolg wollten die Wissenschaftler aber noch näher auf die Spur kommen. Dazu untersuchten sie, welche Patienten gut auf die Immuntherapie angesprochen hatten, und charakterisierten deren Tumorantigene. Dabei zeigte sich, dass diese Patienten Antigenmutationen aufwiesen, die nur im Tumor und nicht auch in anderem Gewebe vorkamen und deshalb effektiv angegangen werden konnten. »Wir müssen den Tumor gezielt an den Stellen treffen, an denen er sich von anderem Gewebe unterscheidet«, hob Kämpgen hervor.
Das Erlanger Team sieht drei Ansatzpunkte, um die spezifische Immuntherapie des Melanoms weiterzuentwickeln: bessere Antigene, eine bessere Route des Impfstoffs im Körper und das Ausschalten von regulatorischen T-Zellen. Statt die dendritischen Zellen mit Antigenen zu beladen, die aus dem Tumor gewonnen wurden, wenden die Wissenschaftler nun ein gentechnisches Verfahren an. Sie setzen nicht die autologen Tumorantigene selbst ein, sondern isolieren deren genetische Information in Form der Ribonukleinsäure (RNA). Damit steht nicht nur ein einzelnes Antigen zur Verfügung, sondern »das gesamte Tumorantigen-Repertoire« und damit auch individuelle Mutationen des Tumorantigens.
Da die RNA mithilfe der Polymerasekettenreaktion (PCR) beliebig vermehrt werden kann, werden nur kleine Tumorbiopsien benötigt, um die RNA aus dem Tumor zu gewinnen. Diese RNA wird über winzige Löcher in der Zellwand in die dendritischen Zellen geschleust, ein Verfahren, das als Elektroporation bezeichnet wird. Die Immunzellen beginnen daraufhin, die der jeweiligen RNA entsprechenden Antigene zu exprimieren und auf ihrer Zelloberfläche zu präsentieren.
Kürzlich gelang es den Dermatologen, mit dieser optimierten RNA-DC-Vakzine ein gutes In-vitro-Ergebnis zu erzielen: Bei acht von zehn Patientenproben wurde so eine Immunantwort induziert. Eine In-vivo-Studie mit autologer Tumor-RNA als Vakzine hat gerade begonnen.
Tumorvakzine der Zukunft
Der zweite Ansatz bezieht sich auf den Weg, den die dendritischen Zellen im Körper nehmen. Werden diese, wie bei der bisher angewandten Methode, unter die Haut des Patienten gespritzt, wandern sie in den nächstliegenden Lymphknoten. Dort erfolgt offenbar eine Prägung für die Ausbreitungsrichtung, denn die meisten dendritischen Zellen wandern wieder in die Haut. Um eine breite T-Zell-Antwort im ganzen Körper zu induzieren, können die dendritischen Zellen zusätzlich mit sogenannten Homing-Rezeptoren wie dem Adhäsionsmolekül Selectin ausgestattet werden, die den dendritischen Zellen den Eintritt in die Lymphknoten ermöglicht. Im Mausmodell konnten die Forscher bereits zeigen, dass die so präparierten und jetzt intravenös applizierten Abwehrzellen in mehrere Lymphknoten wandern und dort zytotoxische T-Zellen mobilisieren.
Um den klinischen Erfolg der Immuntherapie zu verbessern, sollten drittens die regulierenden T-Zellen so weit wie möglich abgefangen werden, führte Kämpgen weiter aus. Dazu wird das Fusionsprotein Denileukin Diftitox (Ontak®) verwendet, das aus humanem Interleukin-2 besteht und zudem mit Diphtherietoxin beladen wurde, um die Immunantwort zusätzlich anzustacheln. Denileukin Diftitox wurde für die Behandlung des Lymphoms entwickelt und richtet sich gegen das Oberflächenantigen CD 25, das auch regulatorische T-Zellen auf ihrer Oberfläche tragen.
»Unser Ziel ist es, die Bildung sowohl tumorspezifischer Effektor-T-Zellen als auch von Gedächtnis-T-Zellen zu induzieren und die Zahl der regulierenden T-Zellen, die dem entgegenwirken, niedrig zu halten«, fasste Kämpgen das Konzept für die weiterentwickelte Tumorvakzine zusammen.
Wenn die Strategie der Erlanger Dermatologen beim Melanom aufgeht, könnte sie auch auf Tumoren wie Glioblastome oder Melanome, die die Aderhaut des Auges (Uvea) befallen, ausgedehnt werden.
Dendritische Zellen sind Immunzellen, die überall im Körper vorkommen, vor allem jedoch in Haut und Schleimhaut. Diese Leukozyten spielen bei der Aktivierung noch ungeprägter T-Zellen eine entscheidende Rolle, weshalb sie auch als Basis für die therapeutische Tumorvakzine gewählt wurden. Denn sie nehmen antigenes Material auf und wandern in die Lymphknoten, wo sie die Antigene den T-Zellen präsentieren.
Die wichtigsten T-Zellen sind die T-Helferzellen sowie die zytotoxischen T-Zellen. Beide Gruppen zirkulieren entweder als Effektor-T-Zellen im Blut oder bleiben als Gedächtnis-T-Zellen in den lymphatischen Geweben. Damit aus einer effektiven Immunantwort nicht eine überschießende wird, ist eine Regulation der T-Zellen notwendig. Erst in den letzten Jahren ist es gelungen, eine Untergruppe der T-Helferzellen zu identifizieren, die solche Funktionen wahrnehmen und als regulatorische T-Zellen (Treg) bezeichnet werden. Gewinnen sie die Oberhand, wird die Immunantwort gebremst. Kommen sie ihrer Aufgabe nicht mehr richtig nach, entwickeln sich allergische Reaktionen oder Autoimmunerkrankungen.