Weißdorn nicht mehr empfohlen |
04.01.2017 09:54 Uhr |
Von Daniela Hüttemann / Pflanzliche Zubereitungen aus Weißdornblättern mit Blüten sollen nicht mehr bei Herzinsuffizienz Stadium II der New York Heart Association (NYHA) angewendet werden. Das empfiehlt der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) der Europäischen Arzneimittelagentur nach einer Neubewertung der Heilpflanze.
Die Indikation entspreche nicht mehr dem aktuellen Stand der Wissenschaft, berichten Mitarbeiter des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im aktuellen »Bulletin für Arzneimittelsicherheit«. Die Wirksamkeit sei weder in der Monotherapie noch als Add-on-Anwendung zur etablierten Therapie der Herzinsuffizienz belegt.
Risiko der Fehlbehandlung
»Auch wenn mit der Einnahme von Weißdornblättern mit Blüten und deren Zubereitungen nach dem aktuellen Kenntnisstand kein besonderes stoffliches Risiko verbunden ist, besteht bei der bisherigen Indikation das Risiko einer Fehlbehandlung bei einer Erkrankung, die einer klaren Diagnosestellung und Therapie bedarf«, heißt es im Bericht. »Das Stadium II nach NYHA bedarf der ärztlichen Diagnose und Behandlung. Damit sollten Therapieentscheidung und Empfehlung dem Arzt obliegen«, bekräftigte das BfArM auf Nachfrage der PZ.
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Die neue HMPC-Monographie für Crataegus ssp. folium cum flore sieht nur noch zwei Indikationen zur traditionellen Anwendung (Traditional Use) vor: die symptomatische Behandlung bei zeitweiligen nervösen Herzbeschwerden wie Herzpochen, wenn schwerwiegende Erkrankungen durch einen Arzt ausgeschlossen wurden, sowie die Linderung milder Stresssymptome und als Schlafhilfe. Die Monographie bezieht sich dabei auf die Zubereitungen zerkleinerte oder gepulverte pflanzliche Substanz, wässrige, methanolische oder ethanolische Trockenextrakte, ethanolische Flüssigextrakte und Presssäfte.
»Die Anwendungsgebiete der HMPC-Monographie basieren auf traditionellen Anwendungen in Frankreich und Spanien und sind ein Kompromiss nach langjähriger Diskussion«, heißt es in dem Bericht. Die Formulierungen entsprächen jedoch nur begrenzt der traditionellen Anwendung in Deutschland. Hier und in Österreich könnten weiterhin Registrierungen für Weißdorn-Präparaten erteilt werden, zum Beispiel mit Anwendungsgebieten wie »traditionelles pflanzliches Arzneimittel zur Unterstützung der Herz-Kreislauf-Funktion« und mit Hinweis, dass die Anwendung ausschließlich auf langjähriger Erfahrung beruht. Das entspricht der nunmehr schon etwas älteren Monographie der deutschen Kommission E.
Die europäischen HMPC-Monographien seien nicht unmittelbar bindend, so das BfArM gegenüber der PZ, aber als strenge Empfehlung auszulegen. Das BfArM will nun in allen Verfahren die neue Bewertung des HMPC unter Berücksichtigung der geltenden Bestimmungen so weit wie möglich umsetzen. Bereits zugelassene Präparate genießen allerdings Bestandsschutz, es sei denn, es sind besondere Risiken abzuleiten.
Crataegutt®-Hersteller Schwabe betont in einer Stellungnahme die Sicherheit und Unbedenklichkeit pflanzlicher Wirkstoffe aus Weißdornblättern mit Blüten, die nicht nur durch Studien und langjährige Anwendung belegt sei, sondern auch durch die Registrierung entsprechender Präparate durch die Behörden. Diese erfolge nur, wenn eine Anwendung unter den angegebenen Bedingungen unschädlich ist.
Arztbesuch muss sein
Zwar habe eine lebensverlängernde Wirkung durch zusätzliche Gabe von Weißdornextrakt zu maximaler leitliniengerechter Standardtherapie in einer Studie mit Patienten mit Herzinsuffizienz nicht nachgewiesen werden können (»European Journal of Heart Failure« 2008, (DOI: 10.1016/j.ejheart. 2008.10.004). Dieselbe Studie und eine weitere, 2014 im Fachjournal »Sports« veröffentlichte Arbeit (DOI: 10.3390/sports2030059) hätten jedoch eine Reihe positiver Effekte und insbesondere keine nachteiligen Wirkungen oder Wechselwirkungen mit der Standardtherapie gezeigt, so Schwabe.
Standardisierte Präparate aus Weißdornblättern mit Blüten können also weiterhin in der Apotheke zur Unterstützung der Herz-Kreislauf-Funktion abgegeben werden. Eine Herzinsuffizienz stellt jedoch keine Indikation für die Selbstmedikation dar, sodass hier zuvor ärztlicher Rat eingeholt werden muss. /