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Covid-19

Aufnahme auf Intensivstation ist kein »Todesurteil«

Die bayerischen Universitätskliniken haben derzeit genügend Kapazitäten, um Covid-19-Patienten aufzunehmen und intensivmedizinisch zu versorgen. Als Covid-19-Patient auf die Intensivstation zu kommen, sei kein »Todesurteil«, treten Mediziner oft geäußerten Ängsten entgegen.
Brigitte M. Gensthaler
09.04.2020  12:10 Uhr

Kritische Situationen wie in Italien und Frankreich, die eine Triage erfordern, seien hier aktuell nicht zu erwarten, versicherte Professor Dr. Karl-Walter Jauch, Ärztlicher Direktor am Universitätsklinikum München, bei einer Pressekonferenz im Klinikum München-Großhadern. Er sieht die Pandemie in Deutschland an einem Wendepunkt. Dank der restriktiven Maßnahmen seien die Infektionszahlen gesunken und die Basisreproduktionszahl auf etwa 1, in München sogar unter 1 gefallen. Diese Zahl gibt an, wie viele andere Menschen eine mit dem Virus infizierte Person im Durchschnitt ansteckt. Gelingt es dauerhaft, die Zahl unter 1 zu drücken, kommt die Ausbreitung zum Stillstand.

Jauch gab sich vorsichtig optimistisch, erwartet aber, dass die Durchseuchung der Bevölkerung zwei bis drei Jahre beanspruchen wird. Man müsse das richtige Maß zwischen Lockerungen bei den Beschränkungen und nötigen Maßnahmen zur Eindämmung finden, um einen erneuten exponenziellen Anstieg der Infektionszahlen zu verhindern. Eventuell werde die Pandemie im Sommer zurückgehen, aber »sie kommt im Herbst wieder«.

Erfahrungen aus der Intensivstation

Am Klinikum Großhadern wurden in einem Monat 36 Intensivpatienten wegen Covid-19 behandelt, die alle gerettet wurden, berichtete Professor Dr. Bernhard Zwißler, Direktor der dortigen Klinik für Anästhesiologie. »Man muss der Bevölkerung die Angst nehmen, dass die Aufnahme auf einer Intensivstation einem Todesurteil gleichkommt.« Das durchschnittliche Alter der Intensivpatienten lag bei 62 Jahren, 90 Prozent waren Männer. Praktisch alle mussten beatmet werden, einige wurden mittels extrakorporaler Membran-Oxigenierung (ECMO) versorgt. Ein wichtiger Schritt sei die Entwöhnung von der Beatmung (Extubation).

Angesichts von zwei Covid-19-Sterbefällen in den letzten Tagen sagte der Intensivmediziner, es gebe auch »überraschende Todesursachen«, zum Beispiel schwere Stürze mit massiven Verletzungen infolge der allgemeinen Schwächung. »Viele Patienten werden an Erkrankungen sterben, die nicht Covid-19 sind, aber irgendwie damit zusammenhängen.«

Zur Frage, ob eine Covid-19-Erkrankung Langzeitschäden an inneren Organen verursacht, äußerte sich Zwißler sehr vorsichtig. Eine Langzeitprognose sei nicht möglich, da die Erkrankung in der westlichen Welt erst seit drei Monaten bekannt ist. Allerdings seien die Patienten, die nach der Akutphase die Intensivstation in Großhadern verlassen konnten, »in einem Zustand, der erwarten lässt, dass sie sich völlig erholen werden«.

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