Attacken vorbeugen ohne Medikamente |
Den zweiten wichtigen nicht medikamentösen Ansatz bilden Entspannungsverfahren wie progressive Muskelentspannung (PMR) nach Jacobson, Autogenes Training oder Tai-Chi. Sie werden, wie auch Ausdauersport, in der entsprechenden Leitlinie empfohlen. Dort beschreiben die Autoren, dass neben einer allgemein entspannenden Wirkung damit auch eine zentrale stabilisierende Regulation und Dämpfung der Informationsverarbeitung erreicht wird. »Bei den Entspannungsverfahren ist ebenfalls ziemlich egal, was man macht. Wichtig ist, dass man sich eines aussucht und es relativ konsequent praktiziert, mindestens jeden zweiten Tag«, empfiehlt der Neurologe.
Ein weiterer Pfeiler der Prophylaxe: Stress reduzieren. Zur besseren Stressbewältigung schlägt Diener vor, am Wochenanfang den Plan für die Woche beziehungsweise täglich den Plan für den Tag durchzugehen und auf Stressfallen zu scannen. Wo kann es zu Stress kommen, der nicht notwendig wäre? Sind meine Zeit-Slots zu eng gesteckt? Habe ich zu wenig Pausen eingeplant? Ebenso wichtig in diesem Kontext ist ausreichender Schlaf.
»Der vierte Punkt ist aus meiner Sicht mit Abstand der schwierigste: die Gewichtsreduktion«, so die Erfahrung des Neurologen. »Es ist ziemlich eindeutig, dass die Migränehäufigkeit linear mit dem Körpergewicht korreliert.« Gerade für adipöse Menschen sei es eine immense Aufgabe, Gewicht zu reduzieren. So wäre mehr Bewegung auch für die Gewichtsreduktion wünschenswert, doch mit Blick auf die Gelenke eignet sich bei starkem Übergewicht oft nur Schwimmen oder Fahrradfahren. Einen möglichen Ansatz bilden hier GLP1-Rezeptoragonisten. Es gebe erste Hinweise, dass sich diese Medikamente bei Diabetespatienten mit Übergewicht gleichzeitig positiv auf die Migräne auswirken können.
»Von der Vorstellung, dass es Migränetrigger gibt, haben wir uns weitestgehend verabschiedet«, sagt Diener. Untermauert werde dies durch erste prospektive Studien, bei denen Apps ausgewertet wurden (»Headache« 2022, DOI: 10.1111/head.14328). Darin zeigte sich, dass die meisten vermeintlichen Trigger vermutlich gar keine sind. Eine Ausnahme stellen Alkohol und die Periode dar sowie anscheinend ein sehr hoher Koffeinkonsum.
Bei den meisten anderen als Trigger vermuteten Faktoren handelt es sich sehr wahrscheinlich um Symptome der Prodromalphase einer Migräne. So kommt es beispielsweise häufig Stunden vor Beginn der Kopfschmerzen zu Nackenschmerzen. Viele Patienten vermuten, dass eine falsche Körperhaltung die Nackenschmerzen auslöst und dies dann zu einer Migräne führt. Doch stellen Nackenschmerzen ebenso wie Heißhunger auf Schokolade, eine Abneigung gegen Essen, Müdigkeit, vermehrtes Gähnen oder psychische Veränderungen offenbar bereits den Beginn einer Migräneattacke dar, nicht die Ursache.