Apotheker als Ansprechpartner oft übersehen |
Laura Rudolph |
11.12.2022 18:00 Uhr |
Immer mehr Jugendliche lassen sich in der Apotheke zu ihrer Ernährung beraten. / Foto: Adobe Stock/Pormezz
PZ: Wie beliebt ist die Ernährungsberatung in Apotheken bei Jugendlichen?
Schlenk: Immer mehr Jugendliche lassen sich in der Apotheke zur Ernährung beraten. Durch spezielle Kostformen wie die vegetarische oder vegane Ernährung hat der Bedarf insbesondere bei pubertierenden Mädchen stark zugenommen. Es kommen aber auch viele männliche Jugendliche, die häufig sportlich sehr aktiv sind und durch die Ernährung den Muskelaufbau fördern wollen. In unseren beiden Apotheken finden etwa vier bis fünf Beratungen pro Monat speziell bei Jugendlichen statt.
PZ: Spielen auch Erkrankungen und Medikamente eine Rolle?
Schlenk: Ja, beispielsweise können Schilddrüsenerkrankungen oder Diabetes die ernährungsbezogenen Bedürfnisse der Jugendlichen verändern. An Medikamenten kann sich etwa Methylphenidat auf das Essverhalten auswirken. Jugendliche, die an der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) leiden, haben medikationsbedingt häufig ein verzögertes Wachstum sowie verminderten Appetit. In diesem Fall ist auf eine hochkalorische Nahrung zu achten. Dies gilt auch für Kinder und Jugendliche mit stark erhöhtem Bewegungsdrang.
PZ: Wie läuft eine Ernährungsberatung in der Regel ab?
Apothekerin Margit Schlenk / Foto: PZ/Berg
Schlenk: Der Ablauf ist bei Jugendlichen und Erwachsenen gleich. Beim ersten Beratungstermin in der Apotheke sprechen wir über Grundlegendes: Was ist das persönliche Ziel, bestehen Erkrankungen oder werden bestimmte Medikamente eingenommen, die die Ernährung beeinflussen? Am Ende des Gesprächs erhält die ratsuchende Person ein Verzehrprotokoll, in dem sie drei Tage lang alle verzehrten Speisen und Getränke dokumentieren soll. Dieses werten wir in der Apotheke mithilfe spezieller Computerprogramme hinsichtlich des Mikro- und Makronährstoffgehalts aus und leiten daraus Hinweise ab, wie man die Ernährung – häufig durch sehr einfache Maßnahmen – verbessern kann.
PZ: Wie erfolgreich werden diese Tipps umgesetzt?
Schlenk: Das ist individuell sehr unterschiedlich. Die Erfahrung zeigt: Je einfacher und konkreter die Ernährungstipps, desto größer die erzielten Erfolge. Nur wer wirklich versteht, wie gesunde Ernährung funktioniert, setzt diese auch um und behält sie langfristig bei. Beim zweiten Beratungstermin, in der Regel vier bis acht Wochen nach dem ersten Gespräch, klären wir anhand eines aktuellen Verzehrprotokolls, wo noch Verbesserungspotenzial besteht.
PZ: Wie erfahren Jugendliche von dem Beratungsangebot der Apotheken?
Schlenk: Viele Kinder und Jugendliche erreichen wir über Impulsvorträge in Schulen, etwa im Rahmen des Präventionsprojekts »Apotheke macht Schule«. Leider besteht noch immer massiver Aufklärungsbedarf: Insbesondere adipöse Kinder und Jugendliche, die oft aus bildungsfernen Familien stammen, wissen zu selten um das Angebot. Die Apotheke wird als Ansprechpartner in Ernährungsfragen leider oft übersehen.
PZ: Wo stößt die Apotheke an ihre Grenzen?
Schlenk: Bei massiven Essstörungen, die mit einer psychischen Komponente einhergehen, können Apothekerinnen und Apotheker keine adäquate Beratung leisten. So ist beispielsweise bei Anorexie oder Bulimie eine intensive ärztliche beziehungsweise psychologische Betreuung der Betroffenen notwendig.
PZ: Wie arbeitsintensiv ist eine Ernährungsberatung und wie wird sie honoriert?
Schlenk: Im Schnitt dauert eine Sitzung eine halbe Stunde. Leider gehört die Ernährungsberatung bislang nicht zu den pharmazeutischen Dienstleistungen – und kann dementsprechend nicht als solche abgerechnet werden. Wir kalkulieren die Dienstleistung als Vollkostenrechnung nach dem Leistungskatalog der Präventionsmaßnahmen in Apotheken (LeiKA).