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»Dopamin Dressing«

Antidepressiva aus dem Kleiderschrank

Farben lösen Stimmungen aus und Mode ist immer auch ein Spiegel ihrer Zeit. Kein Wunder, dass der Gute-Laune-Look »Dopamin Dressing« zum Trend in Coronazeiten wurde. Dieses Phänomen lässt sich jedoch auch bei anderen weltweiten Krisen beobachten. Was dahinter steckt, berichtet der Trendforscher Carl Tillessen der PZ.
Jennifer Evans
17.02.2023  07:00 Uhr

Ein Modetrend des vergangenen Jahres war das sogenannte »Dopamin Dressing«. Ganz wie das Glückshormon verfolgt dieser Style den Zweck, mit seinen fröhlichen und leuchtenden Farben ein Belohnungsgefühl auszulösen und damit stimmungsaufhellend zu wirken. Insbesondere Limettengrün, Blutorange, Zitronengelb oder Electric Blue sind Garanten für gute Laune. Laut der Fashionszene wirkt der Dopaminrausch am stärksten, wenn man gleich mehrere der intensiven Nuancen miteinander kombiniert, zum Beispiel Pink mit Orange, Blau mit Gelb oder Grün mit Lila. Im Fachjargon spricht man dann von Color Blocking. Hauptsache es knallt.

Der Einzug dieser Stimmungsbooster in den Kleiderschrank kam aber nicht von ungefähr. Denn in Krisenzeiten ist Optimismus ein guter Begleiter. Wissenschaftlich belegt ist spätestens seit dem Jahr 2012 der Effekt, den Kleidung auf die Psyche hat. Die Forscher Hajo Adam und Adam D. Galinsky kamen unter anderem zu dem Schluss: Fühlen wir uns in unserer Kleidung wohl, nimmt unser Umfeld uns auch als positiver wahr. Und je nachdem, was eine Person trägt, verändert sich damit ihre Mimik, Stimme sowie ihre gesamte Haltung.

Mode als Psychopharmakon

Dass Mode einen Spiegel ihrer Zeit darstellt, ist ebenfalls nicht neu. »Dopamin Dressing« ist also eine direkte Reaktion auf die Coronavirus-Pandemie und hatte das simple Ziel, Freude in dunkle Zeiten zu bringen. »Man kann sagen, dass Mode während der Coronakrise die Funktion von Psychopharmaka übernommen hat«, so der Trendforscher Carl Tillessen vom Deutschen Modeinstitut zur PZ.

Dabei unterscheidet er zwischen dem ersten und dem zweiten Pandemiejahr. Anfangs habe die Mode die Funktion eines Beruhigungsmittels übernommen, damit die Menschen den Ängsten besser begegnen konnten, die das Virus überall auf der Welt auslöste. Daher flüchteten sie sich in extrem bequeme und kuschelige Kleidung. Die sanften Beige- und Grautöne, in denen die Looks zunächst gehalten waren, halfen Tillessen zufolge mit der Destabilisierung und Verunsicherung zurechtzukommen, als die Pandemie schlagartig private Pläne und berufliche Routinen durchkreuzte.

Im zweiten Pandemiejahr schien dann die Verbreitung des Virus berechenbarer und das Risiko überschaubarer zu sein. »Wir konnten beginnen, die textilen Beruhigungsmittel auszuschleichen, brauchten dafür aber jetzt textile Antidepressiva«, so der Trendforscher. Um in der Isolation des Lockdowns und des Homeoffice nicht in eine emotionale Abwärtsspirale zu geraten, seien Stimmungsaufheller gefragt gewesen. Diese globale Gefühlslage ebnete praktisch dann dem »Dopamin Dressing« den Weg, um zum kollektiven Phänomen zu avancieren.

Kleidung dient dem »emotionalen Komfort«. Davon ist auch die Psychologieprofessorin Dawnn Karen vom New Yorker Fashion Institute of Technology überzeugt. Sie befasst sich damit, wie Farbe und Stil das menschliche Verhalten beeinflussen. Die in den USA auch als »Dress Doctor« bekannte Karen hatte den Begriff »Dopamin Dressing« ursprünglich geprägt.

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