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Schlafstörungen

Antidepressiva als Alternative zu Benzodiazepinen

Die Palette der Arzneimittel, die bei Schlafstörungen zum Einsatz kommen können, ist begrenzt – insbesondere wenn es um eine längerfristige Medikation geht. Off Label verschreiben Ärzte in solchen Fällen oft bestimmte Antidepressiva. Was ist dabei wichtig für die Beratung?
Christina Müller
20.11.2019  11:00 Uhr

Laut Dr. Nina Griese-Mammen, Abteilungsleiterin Wissenschaftliche Evaluation bei der ABDA, hat die Verordnung dieser Antidepressiva viele Vorteile gegenüber der Anwendung von Benzodiazepinen. Antidepressiva wiesen ein geringes bis kein Abhängigkeitspotenzial auf, es sei kaum Toleranzentwicklung zu beobachten und auch die sogenannte Rebound-Insomnie bleibe aus, erklärte die Referentin beim Wochenendworkshop Patient und pharmazeutische Betreuung in Halle an der Saale. Nachteilig seien vor allem die anticholinergen Eigenschaften sedierender Antidepressiva. Zudem können diese laut Griese-Mammen etwa zu einer Verlängerung der QT-Zeit im EKG führen und die REM-Schlafphasen unterdrücken. »Das beeinträchtigt die kognitive Regeneration«, betonte die Apothekerin.

Ein Wirkstoff, der den REM-Schlaf nicht verändert, ist das trizyklische Antidepressivum Trimipramin. Neben Doxepin und Trazodon zählt es zu den Substanzen, die in kontrollierten klinischen Studien in puncto Sicherheit und Wirksamkeit bei der Behandlung von Patienten mit primärer chronischer Insomnie am besten abgeschnitten haben. Für diese Indikation ist in Deutschland jedoch kein einziges Antidepressivum zugelassen.

Die Dosierungen, die bei Schlafstörungen üblich sind, liegen bei den meisten Mitteln aus dieser Klasse deutlich unter der antidepressiven Dosis. Bei Doxepin verschreiben Ärzte zum Beispiel meist zwischen 10 mg und 50 mg, während zur Behandlung von Patienten mit Depressionen 100 mg bis 300 mg erforderlich sind. Um eine individuelle Dosisfindung zu ermöglichen, sei es sinnvoll, Tropfen zu verwenden, so Griese-Mammen. Da die Substanzen vergleichsweise langsam anfluten, sollten die Patienten sie rund zwei Stunden vor dem Zubettgehen einnehmen. »Damit lässt sich auch die Hang-Over-Problematik reduzieren.«

In den ersten zwei Wochen der Einnahme könne aufgrund der Blutdruck-senkenden Wirkung morgens eine leichte Benommenheit auftreten. Benötigt der Patient das Medikament nicht mehr, empfiehlt Griese-Mammen, das Mittel langsam auszuschleichen.

Was die anticholinergen Effekte betrifft, unterscheiden sich die einzelnen Substanzen deutlich: Während sie etwa bei Amitriptylin sehr stark ausgeprägt sind, wirken Mirtazapin und Trazodon kaum auf das cholinerge System. Das kann bei der Auswahl des Wirkstoffs für den individuellen Patienten eine große Rolle spielen, unterstrich die Referentin.

Arzneimittel sind jedoch nie die einzige Säule der Therapie bei Schlafstörungen. Den Patienten werden stets allgemeine Maßnahmen zur Schlafhygiene empfohlen. Dazu gehört unter anderem der Verzicht auf Kaffee und übermäßigen Alkoholgenuss am Abend. Um Stress abzubauen, sollten sich Betroffene stattdessen lieber einen Tee kochen – zum Beispiel aus Baldrianwurzel oder Lavendelblüten. Die beruhigende Wirkung dürfte in diesem Fall allerdings eher auf das Ritual der Zubereitung und den Genuss zurückzuführen sein als auf die Inhaltsstoffe, denn »Tees sind keine ernstzunehmenden Phytopharmaka«, sagte Dr. Christian Ude, Inhaber der Stern Apotheke Darmstadt, in einem Seminar zur rationalen Phytotherapie.

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