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Schleswig-Holstein

Ärzte im Norden sehen Apotheken-Dienstleistungen gelassen

Das Getöse mancher Ärzteverbände gegen das Impfen in der Apotheke und die pharmazeutischen Dienstleistungen kann Schleswig-Holsteins Ärztekammerpräsident Professor Dr. Henrik Herrmann nicht nachvollziehen. Es gebe genug Probleme, die man besser gemeinsam angehen sollte.
Daniela Hüttemann
16.06.2022  15:45 Uhr

»Die Atmosphäre zwischen Ärzten und Apothekern auf Bundesebene ähnelt momentan einer Eiszeit«, beschrieb Dr. Kai Christiansen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein (AKSH), die derzeitige Situation. Ganz anders sei dies im nördlichsten Bundesland der Republik. Hier seien alle Heilberufler in einem engen Dialog, die hiesige »Interessengemeinschaft der Heilberufe« (IDH) mit vielen gemeinsamen Veranstaltungen jährlich sei bundesweit einzigartig.

Trotzdem oder gerade deshalb ist es den Apothekern in Schleswig-Holstein wichtig, mit den Ärzten auch über politisch gewollte Systemänderungen wie die Grippe- und Corona-Impfungen sowie pharmazeutischen Dienstleistungen im Gespräch zu bleiben. Dazu war Schleswig-Holsteins Ärztekammerpräsident Professor Dr. Henrik Hermann zur Kammerversammlung der AKSH am gestrigen Mittwochnachmittag eingeladen.

Hermann: Die Dienstleistungen sind keine Bedrohung

Der Facharzt für Innere Medizin sprach sich erneut in puncto Covid-19-Impfungen dafür aus, dass Apotheker, Zahnärzte und Tierärzte hier ebenfalls zur Nadel greifen dürfen. Und auch mit dem Grippeimpfangebot in den Apotheken hat er kein Problem. Schleswig-Holstein hat ohnehin bereits eine der höchsten Influenza-Impfquoten bundesweit, sodass die Ärzte hier nicht das Gefühl haben, etwas weggenommen zu bekommen.

Auch das jetzt erweiterte Beratungsangebot der Apotheken in Form der pharmazeutischen Dienstleistungen sieht der Ärztevertreter nicht als Bedrohung. Er erinnerte aber daran, dass Apotheker keine Diagnosen stellen und Heilkunde ausüben dürfen, also zum Beispiel bei einer Medikationsberatung ein ärztlich verordnetes Arzneimittel nicht ohne Rücksprache austauschen oder bei schlecht kontrolliertem Bluthochdruck nicht eigenständig ein Antihypertensivum ansetzen.

»Wir haben genug andere Probleme«

Zur Aggressivität der Ärztevertreter auf Bundesebene erklärte er, der generelle Protest und die reflektorische Forderung nach dem Dispensierrecht seien Rituale aus dem letzten Jahrtausend. »Wir haben noch genug andere Probleme, die wir zum Wohl der Patienten besser gemeinsam lösen sollten«, so Hermann, der unter anderem auch seit 2003 Ärztlicher Leiter des Bildungszentrums für Berufe im Gesundheitswesen am Westküstenklinikum Heide ist. 

Auch Apotheker Christiansen betonte das interprofessionelle Miteinander, dass die jüngeren Ärzte schon aus ihrer Zeit im Krankenhaus kennen und schätzen würden. »Und wenn es Diskrepanzen gibt, reden wir hier im Norden miteinander, auch Ärzte und Apotheker vor Ort, um für das Wohl der Menschen eine Lösung zu finden.«

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