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Vorsicht geboten?

Adenovirus-5-basierte Impfstoffe und das HIV-Risiko

Möglicher Mechanismus und Relevanz

Eine mögliche Erklärung für diese unerwartete Beobachtung liegt in der Art und Weise, wie T-Zellen aktiviert werden. Dabei spielen dendritische Zellen (DC) eine entscheidende Rolle. Diese sind in der Lage, sowohl eine Antwort der CD4-Zellen (T-Helferzellen) als auch eine CD8-Antwort zu induzieren.

In der STEP-Studie fand man bei Probanden mit hohen Antikörpertitern vermehrt ausgereifte dendritische Zellen, die sowohl Ad5-Antigene als auch HIV-Antigene präsentieren. Besteht – etwa aufgrund einer durchgemachten Erkältung, die von Ad5 verursacht war, oder einer bereits zuvor erhaltenen Impfung mit einem anderen Ad5-basierten Vektorimpfstoff – eine Immunität gegen Ad5, könnten diese DC selbst von Ad5-spezifischen CTL angegriffen werden. Folglich würden in der Ad5-positiven Population im Vergleich zur Ad5-negativen Population wesentlich mehr Ad5-positive CTL gebildet als HIV-spezifische CTL. Zudem zeigte sich, dass Ad5-spezifische CD4-Zellen eine erhöhte Empfänglichkeit gegenüber HIV-Infektion haben könnten.

Das Problem wurde in einer Konsensuskonferenz über Ad5-Vektoren im Jahr 2013 diskutiert. Diese kam zu dem Schluss, dass Impfstoffe auf Basis von Ad5-Vektoren in Gebieten mit hoher HIV-Prävalenz mit Vorsicht einzusetzen sind. Denn das Risiko, sich nach einer Impfung mit einem solchen Impfstoff mit HIV zu infizieren, steige deutlich, wenn eine Person zuvor bereits mit einem Ad5-Impfstoff geimpft wurde, also insgesamt zweimal Vektorimpfstoffe dieses Typs erhalten habe.

Das Problem betrifft unter den Covid-19-Impfstoffen momentan den russischen Sputnik-V-Impfstoff, der als eine von zwei Komponenten einen Ad5-Vektor verwendet, und eine chinesische Vakzine von Cansino. Für alle anderen weitentwickelten Vektorimpfstoffe, darunter die Impfstoffe von Astra-Zeneca und Johnson & Johnson, gilt diese Warnung nicht. Eine Reihe von Ad5-basierten Impfstoffen befindet sich aber zurzeit in klinischer Entwicklung, darunter auch ein nasal zu applizierender Kandidat.

Ob die Bedenken bezüglich des Ad5-Vektors bei der Beurteilung des Sputnik-V-Impfstoffs durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) thematisiert werden, bleibt abzuwarten. Die EMA teilte gestern mit, ein sogenanntes rolling Review zu Sputnik V gestartet zu haben. Das Risiko muss hierzulande als sehr gering gewertet werden, da Zentraleuropa nicht als Gebiet mit hoher HIV-Prävalenz gilt.

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