Zweiter RNAi-Wirkstoff von der FDA zugelassen |
Mit der RNA-Inferenz kann gezielt ein Gen stillgelegt werden. Dabei sorgt der Wirkstoff dafür, dass die mRNA, die in diesem Fall für das Enzym Aminolevulinsäuresynthase 1 kodiert, selektiv abgebaut wird. In der Folge kann das entsprechende Protein nicht mehr von der Zelle hergestellt werden. / Foto: Adobe Stock/nobeastsofierce
Die Patienten werden durch starke Bauchschmerzen, Verstopfung, Tachykardie, Hypertonie und periphere neuropathische Schmerzen geplagt. Der Grund für die Erkrankung ist ein Mangel an dem Enzym Hydroxymethylbilan-Synthase (HMBS), das auch als Porphobilinogen-Deaminase bezeichnet wird. Dieser Mangel wird durch eine Mutation im HMBS-Gen verursacht, die als autosomal dominantes Merkmal vererbt wird. Das bedeutet, dass es ausreicht, wenn eine der beiden Genkopien die Mutation trägt, um den Krankheitsphänotyp auslösen zu können.
Allerdings reicht der Enzymmangel zunächst nicht aus, um symptomatisch zu reagieren, sodass die meisten Personen mit einer HMBS-Genmutation keine Symptome zeigen. Zusätzliche Faktoren, darunter hormonelle Veränderungen im Zusammenhang mit der Pubertät, die Einnahme bestimmter Medikamente, übermäßiger Alkoholkonsum, Infektionen oder auch Fasten und Ernährungsumstellungen, sind erforderlich, um das Auftreten von Symptomen auszulösen. Tatsächlich entwickeln nur 3 bis 5 Prozent der Mutationsträger Symptome, die den Einsatz des sehr teuren neuen Medikamentes rechtfertigen. Medienberichten zufolge sollen die Jahrestherapiekosten bei 575.000 US-Dollar, also rund 522.000 Euro liegen.
Konservativ wird die Krankheit mit intravenösen Gaben von Hämin (zum Beispiel Normosang®) behandelt. Givosiran hingegen ist ein RNAi-Konstrukt, also ein doppelsträngiges RNA-Molekül, das den Abbau der messenger-RNA für die Aminolevulinsäuresynthase 1 (ALAS1) sehr effizient katalysiert. Dies führt zu einer Reduktion neurotoxischer Zwischenprodukte wie Aminolevulinsäure (ALA) und Porphobilinogen (PBG), Faktoren, die Porphyrie-Episoden und andere Krankheitsmanifestationen der akuten hepatischen Porphyrie verursachen. Um die Effizienz deutlich zu steigern, ist die RNAi kovalent mit einem Liganden verbunden ist, der drei N-Acetylgalactosamin (GalNAc)-Reste enthält. Dies ermöglicht ein sehr effizientes Targeting der Hepatozyten, wo Givosiran seine Wirkung entfaltet.
Die Wirksamkeit von Givlaari® in der ENVISION-Studie untersucht, eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte, multinationale Studie. 94 Patienten mit akuter hepatischer Porphyrie wurden in die Studie aufgenommen (89 Patienten mit akuter intermittierender Porphyrie, zwei Patienten mit Porphyria variegata, ein Patient mit hereditäre Koproporphyrie und zwei Patienten ohne identifizierte Mutation). Die Patienten erhielten einmal monatlich subkutane Injektionen von Givosiran 2,5 mg/kg oder Placebo während der sechsmonatigen doppelblinden Phase. Im Durchschnitt beobachtete man bei AHP-Patienten, die mit Givlaari® behandelt wurden, 70 Prozent weniger Porphyrie-Episoden als bei den Patienten, die ein Placebo erhalten hatten.
Das Unternehmen Alnylam Pharmaceuticals, das das Medikament entwickelt hat, hat sich auf diese Wirkstoffklasse spezialisiert und mit Patisiran bereits einen ähnlichen Wirkstoff, allerdings für eine ganz andere Indikation, zur Zulassung gebracht. Patisiran (Onpattro®) ist zur Behandlung von Erwachsenen mit Polyneuropathie zugelassen, der eine hereditäre Transthyretin-vermittelte Amyloidose (hATTR) zugrunde liegt.