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Prä- und Prokrastination

Zwei Extreme in puncto Arbeitsverhalten

Pflichtaufgaben, die unattraktiv und unbeliebt sind, werden gerne verschoben. Dabei erscheinen sie zu einem späteren Zeitpunkt auch nicht attraktiver: Die Inventur in der Apotheke wird nicht spannender, ein Thema nicht interessanter und eine Prüfung auch nicht einfacher.
Tatiana Dikta
30.05.2020  08:00 Uhr

Prokrastination ist das Aufschieben von dringenden, notwendigen und meistens unangenehmen Aufgaben. Nicht nur Studenten und Schüler prokrastinieren von Zeit zu Zeit, auch Berufstätige schieben ihre Aufgaben vor sich her. Prokrastination während des Studiums ist jedoch wesentlich einfacher festzustellen, da sich hier die Erledigung oder Nicht-Erledigung des vorgegebenen Arbeitspensums schnell in den Zensuren widerspiegelt. Ein Alarmzustand ist spätestens dann erreicht, wenn die Prokrastination nicht nur auf ein paar unbeliebte Aufgaben beschränkt ist, sondern das gesamte Leben des Betroffenen beherrscht.

Prokrastination ist nicht per se schlecht, denn es gibt auch weniger angenehme Aufgaben, die eine »mentale« Entwicklungszeit brauchen, das heißt erst einmal im Geiste reifen müssen. Im Gegenteil können sogar die Folgen eines unüberlegten, emotionsbetonten Handelns negative Konsequenzen mit sich bringen: Eine kontroverse Beschwerde-E-Mail an den Arbeitgeber, den Kunden oder den Dozenten sollte beispielsweise lieber nicht im Affekt geschrieben werden. Hier ist eine »Nacht darüber zu schlafen« die bessere Option.

Lästiges Charaktermerkmal?

Psychologische Untersuchungen zeigen, dass sich etwa 20 Prozent der Bevölkerung als chronische Prokrastinierer bezeichnen. Auch eine scharfe Trennung in berufliche, akademische oder private Prokrastination ist schwierig. Prokrastinierer kommen im privaten Leben häufig zu spät zu Verabredungen und Veranstaltungen, versäumen Fristen, sind chaotisch und erledigen ihre Aufgaben weniger zuverlässig.

Chronische Prokrastination kann diverse Gründe haben: Depressionen, Angststörungen, eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder auch ein temporäres Problem im Sozialleben. Ist eine ernsthafte psychische Grunderkrankung Ursache für das chronische Aufschieben, sollten sich Betroffene professionelle Unterstützung in Form einer Psychotherapie suchen. Andererseits kann auch die Prokrastination selbst das psychische Wohlbefinden beeinträchtigen und somit psychische Beschwerden verursachen. Dann zweifeln Betroffene häufig an sich selbst, sind pessimistisch gestimmt, unzufrieden und in schweren Fällen auch hoffnungslos.

Wie zahlreiche psychologische Studien belegen, wirken bestimmte Persönlichkeitsfaktoren wie Gewissenhaftigkeit und Offenheit für neue Erfahrungen der Prokrastinations-Neigung eher entgegen. Demgegenüber sollen Perfektionismus, Ängstlichkeit, Impulsivität sowie eine geringe Ausdauer das Prokrastinieren begünstigen.

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