Zum Arzt gehen und auf Rx-Mittel setzen |
Daniela Hüttemann |
23.02.2021 16:00 Uhr |
In vielen anderen Ländern ist Sildenafil bereits ohne ärztliche Verordnung erhältlich. In jedem Fall sollten häufiger auftretende Potenzstörungen ärztlich abgeklärt werden. In Deutschland sind sie definitiv kein Fall für die Selbstmedikation (bis auf Hinweise zu einer gesunden Lebensführung). / Foto: PZ/Daniela Hüttemann
Drei bis fünf Männer jenseits der 40 hatten schon einmal eine Erektionsstörung. »In etwa 80 Prozent der Fälle ist Impotenz körperlich bedingt«, erklärt die Stiftung Warentest in der neuen Ausgabe ihres Magazins »Test«. Der Artikel erschien heute vorab online. Erektionsstörungen sollten daher auf jeden Fall ärztlich abgeklärt werden, denn bei rund jedem zweiten Betroffenen liegt eine Gefäßkrankheit zugrunde. Potenzprobleme können zudem ein Hinweis auf Herzerkrankungen sein und auf ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall hindeuten. Von einer erektilen Dysfunktion spricht man, wenn ein Mann innerhalb von sechs Monaten bei den meisten Versuchen trotz sexueller Lust keine ausreichende Erektion erreichen kann.
Apothekerinnen und Apotheker wissen, dass auch manche Medikamente als Nebenwirkungen zu Erektionsstörungen führen können, zum Beispiel Antidepressiva und Antipsychotika sowie die gerade bei älteren Männern sehr häufig eingesetzten Antihypertensiva wie ACE-Hemmer und Betablocker sowie Lipidsenker. Bei diesen Medikamenten könnte jedoch auch die therapierte Grunderkrankung Ursache der Erektionsstörung sein und nicht die Wirkstoffe selbst, wie eine kanadische Analyse vor drei Jahren gezeigt hatte. Zudem sei der 5α-Reduktase-Hemmer Finasterid genannt, der bei benigner Prostatahyperplasie (BPH) und androgenetischer Alopezie (Haarausfall) zum Einsatz kommt.
Ist die Ursache nach Möglichkeit abgeklärt und sind die Nervenbahnen intakt, kann der Arzt einen Phosphodiesterase-V-Hemmer (PDE-5-Hemmer) verordnen – sofern keine Kontraindikation vorliegt oder Wechselwirkungen zu befürchten sind. Daher ordnet die Stiftung Warentest die PDE-Hemmer als »mit Einschränkung geeignet« ein. Nicht geeignet sind sie für Patienten mit schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen und denjenigen, die vor Kurzem einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hatten sowie bestimmten schweren Augenerkrankungen, ausgeprägter Hypotonie und schwerer Leberinsuffizienz. Sie dürfen nicht zusammen mit Nitraten oder NO-Donatoren wie Molsidomin, wie sie bei Angina pectoris eingesetzt werden, genommen werden.
Zur Auswahl stehen mittlerweile vier Substanzen: Sildenafil (Viagra®), Tadalafil (Cialis®), Avanafil (Spedra®) und Vardenafil (Levitra®). Bis auf Avanafil sind alle als deutlich preisgünstigere Generika oder Importe verfügbar. Alle sind verschreibungspflichtig, aber nicht zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig. Sie müssen also auf Privatrezept verordnet werden. Die Packungen enthalten jeweils vier Filmtabletten.
Eine Alternative bei Männern, wenn PDE-Hemmer nicht den erwünschten Erfolg bringen oder kontraindiziert sind sowie bei nicht intakten Nervenbahnen, ist das Prostaglandin Alprostadil. Die Applikationsform ist allerdings weniger praktisch als die der PDE-Hemmer: Alprostadil muss in den Penis injiziert (Viridal® und Caverject® Impuls) oder als Stäbchen in die Harnröhre eingeführt (Muse®). Auch hier wertet die Stiftung Warentest die Präparate als »mit Einschränkung geeignet«.
Dagegen sprechen sich die Verbraucherschützer rigoros gegen einen rezeptfreien Kauf von Potenzmitteln bei nicht seriösen Internethändlern aus. Sie warnt zum einen vor Arzneimittelfälschungen. »Viele Imitate enthalten keinen Wirkstoff, nicht die angegebene Menge oder einen völlig anderen Wirkstoff«, heißt es in dem Artikel. Ebenso rät Warentest von vermeintlich potenzsteigernden Nahrungsergänzungsmitteln ab, die ebenfalls nicht deklarierte Wirkstoffe enthalten können. Solche Mittel wie Präparate mit der Rinde des afrikanischen Yohimbe-Baums (»Potenzholz«) und Fälschungen sind im besten Fall wirkungslos, im schlimmsten Fall haben sie lebensgefährliche Nebenwirkungen oder enthalten gefährdete Tierarten (Stichwort Haifischflossen, Nashornpulver oder Tigerhoden).