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Blankenburg (Harz)
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Zu Besuch in der größten unterirdischen Apotheke der Welt

Oberfeldapotheker Roman Roosen leitet die Bundeswehrapotheke in Blankenburg (Harz) und erklärt, was die Arbeit dort besonders macht und welche Rolle die Logistik für eine zuverlässige Medikamentenversorgung spielt.
AutorKontaktMelanie Höhn
Datum 10.12.2025  18:00 Uhr

Es ist ein kalter Morgen Ende November, nebelige Luft liegt über der Feldwebel-Anton-Schmid-Kaserne der Bundeswehr, etwa drei Kilometer von der Kleinstadt Blankenburg im Harz entfernt. Nichts lässt beim Betreten des Geländes mit etwa 200 stationierten Soldaten vermuten, dass hier die größte unterirdische Apotheke der Welt nur ein paar Gehminuten entfernt ist.

In Gebäude 11 befindet sich das Büro von Oberfeldapotheker Roman Roosen, Leiter des Versorgungs- und Instandsetzungszentrums Sanitätsmaterial Blankenburg, so der offizielle Name des Standorts. Er begrüßt Besucher mit einem offenen Lächeln. »Ich lebe den Traum hier«, sagt Roosen, der die Dienststelle seit 2023 leitet. Für ihn ist es der Mix aus hohem betriebswirtschaftlichem Management, Personalführung und pharmazeutischer Expertise, was den Job besonders interessant macht.

Das Zentrum hat den Status einer Bundeswehrapotheke inne und versorgt unter anderem den Regionalbereich München, Berlin und Erfurt, zu dem etwa 40.000 Soldaten gehören, mit Sanitätsmaterial. Die Apotheke ist Teil der »unentgeltlich truppenärztlichen Versorgung« und richtet sich nach der Bundeswehr-Heilfürsorgeverordnung. Im Unterschied zur zivilen Krankenversicherung müssen Soldatinnen und Soldaten für Arzneimittel und die meisten medizinischen Hilfs- oder Heilmittel nichts zuzahlen. Außerdem stellt der Standort Blankenburg Sanitätsmaterial für Übungen der Bundeswehr zur Verfügung.

Insgesamt gibt es drei Zentren, die sich die Bundeswehrversorgung in Deutschland aufteilen – neben Blankenburg liegen diese in Quakenbrück im Landkreis Osnabrück und in Pfungstadt im Landkreis Darmstadt-Dieburg.

4000 Arzneimittel und Medizinprodukte gelagert

Der Standort Blankenburg ist jedoch besonders. Ein kleiner Hügel hinter Gebäude 11 führt zu einem gigantischen Felsen im Regensteinmassiv. Um dessen Dimension zu erfassen, muss der Blick in Richtung Himmel wandern und bleibt an einer 100 Tonnen schweren Stahltür mit einer Größe von etwa sechs mal sechs Metern hängen. Sie führt in ein Untertagesystem, das sich über acht Kilometer erstreckt. Auf dem Gelände ist eine Betriebsfeuerwehr ansässig, das ist Pflicht für den Betrieb der Anlage. »Ein Untertagefeuer brennt deutlich heißer und schneller«, erklärt Roosen. Deshalb gilt auch für Besucher: Das Betreten ist nur mit einem Sauerstoffnotgerät gestattet.

Das Stollensystem, in dem etwa 4000 Arzneimittel und Medizinprodukte in jeweils unterschiedlichen Mengen gelagert sind, entstand in Zeiten des Nationalsozialismus zur Produktion von U-Bootteilen, war aber nur teilweise fertiggestellt worden. Zwangsarbeiter aus dem dafür errichteten KZ-Außenlager Blankenburg-Regenstein, das zum KZ Mittelbau-Dora gehörte, wurden dort eingesetzt. Ab dem Jahr 1980 diente die Einrichtung als atombombensicheres »Komplexlager 02« für Material und Munition der NVA.

Im Jahr 1990 übernahm die Bundeswehr die Anlage. »Solch ein Berg hat für Arzneimittel den großen Vorteil, dass die Lagerbedingungen relativ leicht konstant zu halten sind. Es ist nie besonders kalt und nie besonders warm«, erklärt Oberfeldapotheker Roosen.

An diesem Dienstag arbeiten dort seit 7:30 Uhr sechs Pharmazeutinnen und Pharmazeuten, Roosen organisiert als Dienststellenleiter den Ablauf in der Apotheke. Detailkenntnis sei wichtig für die Planung: »Arzneimittel und Medizinprodukte kann ich nicht behandeln wie Munition oder Wasser. Die Kunst ist es, sich die Standardversorgungsverfahren anzuschauen und wirklich zu analysieren, wann kann ich abweichen, wann muss ich abweichen, wann sollte ich nicht abweichen.«

»Wir sind Apotheker, aber gleichzeitig auch Kameraden«

Die Kunden der Bundeswehrapotheke, also Truppenärzte oder Kommandobehörden, fordern in Blankenburg Sanitätsmaterial an, darunter Arznei- und Verbandmittel, Infusionslösungen, Desinfektionsmittel, Spritzen, Kanülen oder Infusionsbestecke. Roosens Team berät diese telefonisch oder per E-Mail zu den Bestellungen, macht auf bestimmte Vorlaufzeiten aufmerksam oder gibt Tipps zu bisherigen Erfahrungen. Es wird beispielsweise erfragt, ob eine Teillieferung verschickt werden soll oder für welche Indikationsklassen das Material gedacht ist.

Die Bereiche der Apotheke umfassen Annahme, Wareneingang und -ausgang sowie Anforderungen, Bestandsführung, Buchung und Qualitätsmanagement. Entweder wird Ware aus den Zentrallagern der Bundeswehr bezogen oder beim Hersteller bestellt. Die Individualrezeptur spielt nur eine untergeordnete Rolle.

Mit zivilen Apotheken gibt es keine Kooperation. Für den Ernstfall ist eine zivil-militärische Zusammenarbeit mit eigenem Verfahrensweg vorgegeben, so Roosen: »Das machen wir nie eigenständig, sondern in aller Regel stellen Städte, Gemeinden und Länder, aber auch staatliche Organisationen wie Polizei oder Feuerwehr, ein Amtshilfeersuchen. Im Rahmen dieser Bearbeitung bekomme ich dann einen Befehl, um Dinge zu tun.«

Roosen machte deutlich, dass der Beruf des Wehrpharmazeuten in vielerlei Hinsicht komplex sei. »Es geht nicht nur um die klassische pharmazeutische Tätigkeit. Man ist in aller Regel Sanitätsstabsoffizier. Da hängt mehr dran. Wir sind Apotheker, aber gleichzeitig auch Offiziere. Befehle müssen ausgewertet und umgesetzt werden. Dazu muss man die Abläufe außerhalb des eigenen fachlichen Zuständigkeitsbereichs kennen und verstehen.« Vor allem sei es das Zusammengehörigkeitsgefühl und das Zwischenmenschliche, das die Arbeit so außergewöhnlich macht.

»Menschlichkeit spielt hier eine große Rolle«

Etwa 100 Pakete täglich machen sich in der Bundeswehrapotheke für den Versand bereit, inklusive Ersatzteilen und Briefakten seien dies einige tausend Versorgungsvorgänge pro Woche. Die Apotheke bleibt im Notfallbetrieb geöffnet, wenn die Soldaten auf Marsch gehen oder Schießübungen machen. Bei Versorgungsengpässen muss das Apothekenteam mit Truppenärzten, Kommandobehörden und den vorgesetzten Dienststellen kommunizieren und Vorschläge unterbreiten, was geliefert werden könnte.

»Die Kommunikation mit den Dienststellen oder den Kunden ist tatsächlich das, was die Arbeit kompliziert macht«, sagt der Apotheker. Im Militär gebe es gewisse Zwänge, was die Betriebswirtschaft angeht: »Die Beschaffung ist im Geschäftsbereich des Verteidigungsministeriums besonders geregelt. Militärische Dienststellen wie diese hier müssen nach speziellen Regularien arbeiten, die aus den zivilen Teilen des Verteidigungsministeriums vorgegeben werden. Wir können nicht einfach so auf dem freien Markt einkaufen, wie das eine zivile Firma könnte.« Teilweise werden auch Vorgaben gemacht, auf welche Artikel bei Engpässen ausgewichen werden muss.

Roosens Gesamtauftrag als Dienststellenleiter umfasst die komplette Versorgung der zugewiesenen Truppe mit Arzneimitteln und Medizinprodukten: der Versand und die Planung strategischer Vorräte, die Vorbereitung und Ausstattung von Übungen bis hin zur Instandsetzung der Medizingeräte – inklusive der Ausbildungsplanung der Medizingerätetechnikerinnen und -techniker. Er verantwortet außerdem Lagerflächen und hoheitliche Versandverfahren. Gleichzeitig gehört das Führen und die Fürsorge des Personals zu seinen wichtigsten und liebsten Aufgaben, sagt er. »Die Bundeswehr nimmt den Aspekt Fürsorge deutlich ernster, als das zivil der Fall ist. Wir haben hierfür den Bereich ‚Innere Führung‘, man ist verantwortlich für das unterstellte Personal. Jeder Soldat hat beispielsweise das Recht, mit mir auch über seine persönlichen Probleme zu sprechen, wenn es ihn sehr beschäftigt. Menschlichkeit spielt hier eine große Rolle.«

Man spürt die Fürsorge und Empathie der Kameraden beim Durchqueren der Anlage, es wird gegrüßt, gelacht und das Gefühl von Zusammenhalt wird auch für Außenstehende deutlich sichtbar. Das respektvolle Miteinander ist allgegenwärtig, während unter der Erde die Arbeit langsam ein Ende findet: Zwei Feuerwehrleute durchkämmen die langen Gänge, bis das Tor um Punkt 16:30 Uhr in der Dämmerung schließt.

Draußen verabschiedet Roman Roosen seine Kolleginnen und Kollegen und macht sich bewusst: »Wir liefern einen großen Beitrag zur Durchhaltefähigkeit der Truppe.«

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