Worauf beim Impfen geachtet werden muss |
Daniela Hüttemann |
19.08.2019 17:00 Uhr |
Patienten mit Autoimmunerkrankungen wie rheumatoider Arthritis sollten sich impfen lassen. Über das Wann und das Wie müssen sie sich gemeinsam mit Arzt und Apotheker allerdings mehr Gedanken machen als gesunde Personen. / Foto: Adobe Stock/DDRockstar
Beim Thema Impfen und Autoimmunerkrankungen besteht ein Dilemma. Häufig schwächen Autoimmun- und chronische entzündliche Erkrankungen das Immunsystem der Patienten, was sie anfälliger für Infektionen macht. Menschen mit einer rheumatischen Erkrankung sind zum Beispiel doppelt so häufig von viralen oder bakteriellen Infektionen betroffen wie Personen ohne Grunderkrankung. Daher sind sie besonders auf Schutzimpfungen angewiesen. Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Impfung ist jedoch bei ihnen nicht immer gegeben. »Das Problem ist, dass die Wirkung einer Impfung auf ein intaktes Immunsystem angewiesen ist«, sagt Professor Dr. Hendrik Schulze-Koops, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie. »Es muss die Antikörper bilden, die später vor einer Infektion schützen.«
Noch schwieriger wird es, wenn die Patienten mit Medikamenten behandelt werden, die das Immunsystem bremsen. Diese Medikamente bilden mittlerweile in vielen Indikationen die Basis der Therapie. »Ob Patienten, die mit Immunsuppressiva behandelt werden, geimpft werden dürfen, hängt in erster Linie vom Impfstoff ab«, betont die Fachgesellschaft. Totimpfstoffe können nach Einschätzung eines interdisziplinären Expertenteams bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen meist bedenkenlos eingesetzt werden. Dazu zählen Impfstoffe gegen Pneumokokken, Hepatitis B, Meningokokken, humane Papillomaviren (HPV) sowie die Grippeimpfstoffe bis auf den nasal zu verabreichenden Lebendimpfstoff (Fluenz® tetra).
»Bei einigen stark wirkenden Immunsuppressiva kann die Fähigkeit des Immunsystems zur Antikörperbildung jedoch soweit eingeschränkt sein, dass keine Schutzwirkung erzielt wird«, gibt Schulze-Koops zu bedenken. Dazu gehören vor allem Biologika wie Rituximab oder Abatacept. Daher wird dringend geraten, notwendige Impfungen möglichst vor Behandlungsbeginn durchzuführen. Gleiches gilt, wenn Lebendimpfstoffe verabreicht werden sollen.
Mit Lebendimpfstoffen wird heute vor allem gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR-Impfung) sowie gegen Rotaviren geimpft. »Diese Impfungen erfolgen in den ersten Lebensjahren und sind in der Regel abgeschlossen, wenn entzündlich-rheumatische Erkrankungen auftreten«, so die Fachgesellschaft. Auch die Gelbfieber-Impfung ist nur als Lebendimpfung erhältlich. Gegen Gürtelrose (Herpes zoster) gibt es mittlerweile mit dem Subunit-Impfstoff Shingrix® eine Alternative zum Lebendimpfstoff Zostavax® – wenn er denn wieder lieferfähig ist, was voraussichtlich zumindest eingeschränkt ab Ende August wieder der Fall sein soll.
Während einer Therapie mit Immunsuppressiva sollten Personen mit Autoimmunerkrankungen oder anderen chronisch-entzündlichen Erkrankungen nicht mit Lebendimpfstoffen geimpft werden. Ausnahmen sind nur in begründeten Einzelfällen unter individueller Nutzen-Risiko-Abschätzung möglich. Dabei ist auch einzuschätzen, wie stark die medikamentös bedingte Immunsuppression ist.
Hier ist jeder Arzneistoff individuell zu betrachten. So kommt es beispielsweise unter niedrig dosierte Glucocorticoid-Therapie oder unter Hydroxychloroquin, Sulfasalazin und Mesalazin zu keiner relevanten Immunsuppression; eine Lebendimpfung ist in der Regel möglich. Auch die Dosierung kann eine Rolle spielen.
Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie betont nicht nur die Wichtigkeit eines möglichst umfassenden Impfschutzes für die Patienten selbst. Auch die Angehörigen sollten sich impfen lassen, um Ansteckungen zu vermeiden.