Wirkort vieler Arzneistoffe |
Wie gelangen nun Arzneistoffe wie Lokalanästhetika oder Antiarrhythmika in den Natriumkanal, um ihn blockieren zu können? Zwei Wege sind den sogenannten Porenblockern möglich.
In beiden Fällen müssen die Arzneistoffe, zum Beispiel Lokalanästhetika, die lipophile Membran passieren, also in einer lipophilen Form vorliegen. In beiden Fällen verschließen sie Teile des Kanals und eine Passage der Natriumionen ist nicht mehr möglich oder sie stabilisieren den inaktiven Zustand oder beides. In der zentralen Kavität liegen die Arzneistoffe positiv geladen vor und interagieren mit Tyrosin-Resten im Natriumkanal (2). Um für beide Prozesse geeignet zu sein, müssen sie sowohl positiv geladen (protoniert) als auch neutral (unprotoniert) sein können. Dazu müssen die sekundären oder tertiären Amine der Lokalanästhetika einen pKa zwischen 7,5 und 9,0 haben (Abbildung 2).
Abbildung 2: Nach dem Löfgren-Schema besteht ein Lokalanästhetikum aus einem lipophilen, meist aromatischen Molekülteil, der über eine kurze Kohlenstoffkette mit einem hydrophilen basischen Teil verknüpft ist. Hier sind die Ladungszustände der Lokalanästhetika ergänzt. / © PZ/Stephan Spitzer
Die neutralen Stoffe Carbamazepin und Lamotrigin komplexieren vermutlich ein Natriumion, um geladen zu sein (3).
Die Frage stellt sich, welchen Weg welcher Arzneistoff nimmt und wie er jeweils bindet. Obgleich es viele Moleküldynamikrechnungen mit verschiedenen Verbindungen gibt (4), sind keine klaren Regeln erkennbar. Neutrale Arzneistoffe wie Benzocain und Phenytoin scheinen »gerne« Interdomänen-Fenster aufgrund ihrer kleinen Größe zu nutzen. Dagegen können Lokalanästhetika wie Lidocain oder Etidocain beide Wege nehmen.
Lokalanästhetika werden häufig bei kleinen Operationen oder Zahnbehandlungen appliziert. Sie sollen dabei lokal wirken und nicht in den Kreislauf gelangen. / © Shutterstock/Ocskay Mark
Zudem gibt es offensichtlich mehrere Bindemodi. Die neutrale Aminseitenkette kann die Fenster verschließen und damit den Natriumkanal verengen, sodass Natriumionen nicht mehr durch den Selektivitätsfilter gelangen. Alternativ kann ein positiv geladenes Lokalanästhetikum (Abbildung 2) den Selektivitätsfilter verschließen – mit dem gleichen Effekt. Dabei spielen π-Kation- und π-π-Wechselwirkungen offensichtlich eine Rolle, wie Mutationsstudien gezeigt haben. Auch das Aktivierungstor kann der Bindeort sein. Bei allem spielt natürlich noch der Ladungszustand des Kanals eine Rolle, für den es aber auch mehrere Hypothesen gibt.
Hiermit stellt sich eine weitere Frage: Reicht das bisherige Wissen, um rational neue Wirkstoffe zu designen, die gezielt mit einem der Natriumkanäle wechselwirken?