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Gesundheitsstudie KiGGS

Wie geht es den Kindern und Jugendlichen in Deutschland?

Mit dieser Frage beschäftigen sich seit der Jahrtausendwende Epidemiologen des Robert-Koch-Instituts (RKI). Kürzlich veröffentlichten sie die Ergebnisse des jüngsten Gesundheitsmonitorings. Ihre Bilanz: Die Prävalenz von Unter- und Übergewicht hat sich nicht verändert, aber immer mehr Kinder und Jugendliche leiden an einem Diabetes oder Schmerzen. 
Judith Lorenz
09.10.2019  14:42 Uhr

Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit untersucht das RKI regelmäßig die gesundheitliche Situation der in Deutschland lebenden Kinder und Jugendlichen. Erstmals lieferte die zwischen 2003 und 2006 durchgeführte »Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS)« umfassende und bundesweit repräsentative Gesundheitsdaten für Heranwachsende. Seit der ersten Folgeerhebung zwischen 2009 und 2012 (KiGGS-Welle 1) wird KiGGS als Langzeitstudie fortgeführt.

Zwischen 2014 und 2017 hat das RKI nun erneut die Gesundheit der in Deutschland lebenden Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen überprüft. Die mehreren Tausend Teilnehmer dieser zweiten Folgeerhebung (KiGGS Welle 2) stammen aus 167 verschiedenen Städten und Gemeinden. Außer einer neuen Zufallsstichprobe von Kindern im Alter zwischen 0 und 17 Jahren umfasste das Studienkollektiv zusätzlich alle ehemaligen Teilnehmer, sodass auch inzwischen volljährige Personen in die Analyse eingingen. Die Inhalte der Befragungen, die Untersuchungen und Tests sowie die Laboruntersuchungen von Blut- und Urinproben entsprachen zu einem großen Teil den bisher erfassten Indikatoren. Die Ergebnisse wurden vor Kurzem im »Bundesgesundheitsblatt« veröffentlicht.

Einen wichtigen Themenschwerpunkt der aktuellen Erhebung bildet die Gewichtsentwicklung. Die Analyse des Body-Mass-Index (BMI) der Studienteilnehmer zeigt: Rund 8 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen 3 und 17 Jahren sind untergewichtig, etwa 77 Prozent normalgewichtig und 15 Prozent übergewichtig oder sogar adipös. Die Prävalenz des Untergewichts und der extremen Adipositas hat sich dabei seit der Basiserhebung nicht wesentlich verändert. Die Epidemiologen beobachten allerdings eine geringfügige Verschiebung der oberen BMI-Perzentilen nach unten vor der Pubertät, was sie als erste Erfolge von Adipositas-Präventionsstrategien werten.

Die Prävalenz von Essstörungen, die typischerweise einen Erkrankungsgipfel in der Jugend aufweisen, ist im Vergleich zur KiGGS-Welle 1 um nahezu 3 Prozentpunkte auf nun rund 20 Prozent gesunken. Dieser Rückgang betrifft insbesondere die 11- bis 13-jährigen Jungen, wogegen das Erkrankungsrisiko der 14- bis 17-Jährigen geschlechtsunabhängig konstant geblieben ist. Emotionale Probleme, ein schwacher familiärer Zusammenhalt, eine geringe Selbstwirksamkeits-Erwartung sowie eine verzerrte Körperwahrnehmung prädisponieren für Essstörungen, berichten die Forscher.

Häufiger Diabetes und Schmerzen

Epilepsien, Migräne und Herzerkrankungen im Kindes- und Jugendalter beobachten die Epidemiologen ähnlich häufig wie in den Vorerhebungen. Diabetes-Diagnosen scheinen jedoch – obwohl insgesamt selten – seit zehn Jahren zuzunehmen. Die Masern-, Windpocken- und Keuchhusten-Erkrankungen gehen dagegen in Folge veränderter Impfstrategien zurück, so die Forscher weiter. Angesichts regionaler Immunitätslücken in einigen Altersgruppen ist ihrer Einschätzung nach das Präventionspotenzial der Impfempfehlungen jedoch bei weitem nicht ausgeschöpft.

Anlass zur Sorge gibt die Untersuchung der Schmerzbelastung der Heranwachsenden: Wie auch einige andere Länder verzeichnet Deutschland einen Anstieg der Prävalenz von Kopf-, Bauch- und Rückenschmerzen bei Kindern und Jugendlichen. Ein Drittel der 3- bis 10-jährigen Mädchen und ein Viertel der altersgleichen Jungen klagt über wiederholt auftretende Bauchschmerzen. In der Altersgruppe der 11- bis 17-Jährigen stehen Kopfschmerzen an erster Stelle: Fast jedes zweite Mädchen und jeder dritte Junge sind betroffen. Auch die Arzneimitteleinnahme untersuchten die Epidemiologen.

Um fundierte gesundheitspolitische Entscheidungen treffen zu können, müssen die Lebensbedingungen der Heranwachsenden in Deutschland regelmäßig überprüft und Erkrankungstrends sowie relevante Risikofaktoren im Zeitverlauf abgebildet werden. Die KiGGS-Erhebungen liefern hierfür einen wertvollen Beitrag.

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