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Wie funktioniert das E-Rezept der TK?

Anders als in Estland steckt das E-Rezept in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Seit Januar 2019 testet die Techniker Krankenkasse ihre Version im Hamburger Stadtteil Wandsbek. Die PZ ließ sich in der Privilegierten Adler-Apotheke den Arbeitsablauf mit dem E-Rezept im Apothekenalltag zeigen.
Daniela Hüttemann
25.09.2019  08:00 Uhr

In der Privilegierten Adler-Apotheke gehen fast täglich Smartphones über den HV-Tisch. Otto Müller (Name von der Redaktion geändert) kommt als Stammkunde regelmäßig, löst aber heute zum ersten Mal ein elektronisches Rezept ein. Apothekerin Anna Schultheiß nimmt das Handy des Patienten in Empfang, hält den angezeigten QR-Code in der App an den Scanner der Kasse und öffnet das Computerprogramm EVA (»Elektronischer Verordnungsassistent«). Direkt poppt ein rosa Rezept, wie man es kennt, auf dem Bildschirm auf. Daneben ist der Name der verordnenden Ärztin angezeigt.

Mit geübtem Blick geht Schultheiß die notwendigen Angaben durch. »Noch testen wir die Grundfunktionen. Geplant ist, dass wir das E-Rezept bei etwaigen Formfehlern oder Unklarheiten an die jeweilige Arztpraxis kommentiert zurückgeben können – das wird die Kommunikation für beide Seiten deutlich vereinfachen«, erklärt die Apothekerin, die in der Adler-Apotheke für alles rund ums E-Rezept zuständig ist.

Zwei bis drei elektronische Verordnungen kommen dort mittlerweile pro Tag im Rahmen eines Pilotprojekts der Techniker Krankenkasse (TK) an. Bis Anfang September war die Privilegierte Adler-Apotheke die einzige öffentliche Apotheke, die teilnimmt. Der Versuch steht jedoch allen Apotheken im Postleitzahlenbereich 22041, dem Stadtteil Wandsbek im Osten von Hamburg, offen. Laut TK gibt es mittlerweile weitere Interessenten. Die Krankenkasse betont, dass die freie Apothekenwahl erhalten bleiben soll.

Verordnet wird bislang ausschließlich von Ärzten des Diabetes-Zentrums Wandsbek; auch hier können sich weitere Praxen einschreiben. Seit August beteiligt sich zudem die Hanseatische Krankenkasse (HEK). Technische Partner sind die LifeTime GmbH sowie das Rechenzentrum König IDV GmbH. Rund 100 Patienten haben sich bereits für den Modellversuch eingeschrieben.

Mit einem Klick übernimmt Schultheiß die Daten ins Kassenprogramm, geht mit dem Patienten die üblichen Fragen zu seiner Vormedikation durch und sucht den Rabattverträgen gemäß ein entsprechendes Insulin und Blutdruckmittel heraus.

Eine »super Sache«

TK-Patient Müller wurde von seiner Krankenkasse auf den Modellversuch aufmerksam gemacht und hält es für eine »super Sache». »Ich habe einfach in der Praxis angerufen, dass ich neue Medikamente brauche, und die haben mir das Folgerezept sofort aufs Handy geschickt.« Dazu musste Müller lediglich die kostenlose App LifeTime herunterladen und sich mit seiner Versichertennummer registrieren. Neben dem QR-Code sieht der Patient ein Abbild des rosa Rezepts, vorsorglich gekennzeichnet mit »Kontrollansicht«, damit niemand auf die Idee kommt, es sich auszudrucken und mehrfach einzulösen. Es lässt sich nur von eingeschriebenen Ärzten und Apothekern herunterladen oder weiterleiten.

Müller findet die App sehr praktisch. »Da werden auch Arztbriefe gespeichert, sodass man alles dabei hat. Schön wäre es, wenn mehr Ärzte sich beteiligen würden.« Er habe auch den Eindruck, dass Arzt und Apotheker dadurch enger zusammenarbeiten. »Papier wird überflüssig, ich habe weniger Wege – dies macht das Leben doch für alle leichter«, so sein Fazit.

Die App bietet zudem Einnahmeerinnerungen an, wenn man seine Medikation mit entsprechender Dosierung und Einnahmeintervall eingibt. Auch Befunde und Röntgenbilder sowie der bundeseinheitliche Medikationsplan lassen sich hier ablegen. Patienten können ihr E-Rezept auch elektronisch an die Apotheke übermitteln, um Medikamente zur Abholung vorzubestellen. Dann muss der QR-Code nicht noch einmal gescannt werden, das E-Rezept soll aber zur Legitimierung vorgezeigt werden oder der Patient weist sich aus.

Der Übertragungsweg ist verschlüsselt und die Rezeptdaten liegen dezentral in der Arztpraxis, bis sie von der Apotheke abgerufen werden. Während der Abgabe werde das E-Rezept entwertet, sodass man es nicht mehrfach einlösen kann, erklärt Apothekerin Schultheiß. Stellt die Apotheke zuvor fest, dass ein Medikament nicht vorrätig ist, könne sie das E-Rezept auch zurückgeben, sodass der Patient es woanders einlösen könnte, sobald sich andere Apotheken beteiligen.

Einfacher und schneller

Schultheiß bestätigt, dass der Vorgang, einmal etabliert, die Abgabe vereinfache. Der Zeitaufwand sei vergleichbar bis geringer. »Es passieren keine Übertragungsfehler mehr, was die Arzneimitteltherapiesicherheit erhöht«, erklärt die Apothekerin. »Bei pharmazeutischen Bedenken können wir die entsprechende Sonder-PZN eingeben, allerdings gibt es noch kein Feld, wo wir den Grund anführen können.« Auch Hilfsmittel wie Blutzucker-Teststreifen können elektronisch verordnet werden; hier entfällt, ebenfalls in Rücksprache mit der TK, die normalerweise nötige Unterschrift für den Erhalt durch den Patienten auf der Rückseite. Einzig Betäubungsmittel, Rezepturen und T-Rezepte lassen sich bislang nicht elektronisch abbilden.

Die Anschaffung eines neuen Scanners war nicht nötig. Lediglich das Programm EVA wurde installiert und eine Schnittstelle zur Apothekensoftware geschaffen. Auch die Abrechnung erfolgt komplett papierlos. Perspektivisch soll die Erstattung schneller erfolgen.

Mittlerweile ist das gesamte Apothekenteam geschult und kann die E-Rezepte verarbeiten. Zudem sprechen die Mitarbeiter TK-Patienten aus der diabetologischen Praxis gezielt an, ob sie sich in den Modellversuch einschreiben wollen. »Bislang sind die Reaktionen überwiegend positiv«, so Schultheiß. »Einige haben sogar gesagt, dass sie schon lang auf diese Möglichkeit gewartet haben.«

Auch die TK äußerte sich gegenüber der PZ sehr zufrieden mit dem bisherigen Verlauf. »Wir konnten schon viele Erfahrungen zu Nutzen und Funktionen sammeln«, so Dr. Frank Verheyen, Teamleiter Arzneimitteldistribution bei der TK. »Auch wir haben bereits von Versicherten positive Rückmeldungen erhalten.«

Der Modellversuch soll noch bis Mitte nächsten Jahres weiterlaufen. Geht das E-Rezept bei der TK dann in die Regelversorgung? »Das können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen«, so Verheyen. Dies werde von den weiteren Erfahrungen und den genauen politischen Bedingungen abhängen. »Es ist gerade aber sehr viel Schwung in der Sache.«

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