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West-Nil-Virus könnte sich in Deutschland ausbreiten

Das Robert-Koch-Institut rechnet mit einer weiteren Ausbreitung des West-Nil-Virus in Deutschland. Erste von Stechmücken übertragene Infektionen mit dem Erreger waren im vergangenen Jahr bekannt geworden.
Christina Hohmann-Jeddi
19.06.2020  15:26 Uhr

Das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin geht davon aus, dass sich das zu den Flaviviren zählende West-Nil-Virus (WNV) in Deutschland etablieren kann. Der Erreger sei offenbar in der Lage, in Deutschland den Winter zu überdauern und werde wahrscheinlich vor allem von den weit verbreiteten Stechmücken der Gattung Culex übertragen, schreibt das RKI im »Epidemiologischen Bulletin« Nr. 25/2020.

»Erfahrungen mit WNV in südeuropäischen Ländern lassen vermuten, dass sich WNV in Deutschland etablieren und wahrscheinlich weiter ausbreiten wird. Vor allem längere Sommer mit hohen Temperaturen könnten zu einer verlängerten WNV-Saison und einer weiteren räumlichen Ausbreitung beitragen«, so das RKI. Dabei müsse vor allem auch das wärmebegünstigte Gebiet des Oberrheins als Risikogebiet betrachtet werden.

Das WNV ist ein in verschiedenen Regionen der Welt endemisch vorkommendes zoonotisches Virus. Der Erreger wird von Mücken auf den Hauptwirt, Vögel, übertragen. Der Mensch und einzelne andere Säugetiere gelten als Fehlwirt. Menschen können bei einer Infektion auch erkranken, doch bei etwa 80 Prozent der WNV-Infektion treten keine Symptome auf. Viele Infektionen werden daher nicht erkannt. Knapp 20 Prozent der mit WNV Infizierten entwickeln dem RKI zufolge milde, unspezifische Symptome wie Fieber oder Hautausschlag. Bei 1 Prozent der Infizierten, vor allem bei älteren Menschen mit Vorerkrankungen, tritt ein neuroinvasives Krankheitsbild auf, das eine Letalität von 10 Prozent hat.

Erste autochthone Infektionen in Deutschland

Im Spätsommer 2019 wurden dem RKI erstmals autochthone WNV-Infektionen in Deutschland gemeldet, die vermutlich über Stechmücken übertragen wurden. Fünf Personen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Berlin erkrankten an West-Nil-Fieber, drei von ihnen entwickelten ein neuroinvasives Krankheitsbild, heißt es vonseiten des RKI. In allen Wohnortkreisen dieser Patienten gab es 2019 auch Nachweise von Infektionen in Vögeln und Pferden. Dies weise auf eine Verbreitung des Virus in diesen Regionen hin.

Das RKI rät Ärzten, in Gebieten mit bekannter WNV-Zirkulation in Tieren »vor allem im Sommer und Spätsommer bei Personen mit ätiologisch unklaren Enzephalitiden und bei örtlichen Häufungen von Patienten mit Fieber unklaren Ursprungs (mit oder ohne Hautausschlag) eine WNV-Diagnostik zu veranlassen – auch wenn die Personen keine Reiseanamnese aufweisen«. Personen in Risikogruppen für schwere Verläufe von WNV-Infektionen sei insbesondere in dieser Jahreszeit und in diesen Gebieten Schutz vor Mückenstichen zu empfehlen.

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