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Läuferdarm und Radlerreflux

Wenn Magen und Darm keinen Sport vertragen

Ausdauersport verlangt dem Gastrointestinaltrakt (GIT) einiges ab. Es muss nicht gleich die Läuferdiarrhö sein, die Probleme macht. Auch Übelkeit, Seitenstechen oder Reflux mindern die Leistung in Training und Wettkampf.
Elke Wolf
16.05.2022  13:00 Uhr

Olympische Spiele in Rio de Janeiro 2016: Der Franzose Yohann Diniz startete als Favorit in die 50-km-Gehen-Strecke. Er führte das Rennen auch über lange Zeit überlegen an, doch heftigste Magenkrämpfe und Abgang von blutigem Stuhl machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Nach etlichen Zusammenbrüchen, Trink- und Behandlungspausen quälte er sich übers Ziel und beendete das Rennen als Achter. Die »runner’s diarrhea« hatte seine Gold-Ambitionen jäh beendet.

In Abhängigkeit von der Disziplin und vor allem der Dauer und Intensität der Belastung sind gastrointestinale Beschwerden im Sport relativ häufig. Laut eines Reviews, publiziert 2014 in »Sports Medicine«, berichten zwischen 30 bis 90 Prozent der Ausdauersportler über Probleme in der Körpermitte. Die Autoren mutmaßen gar, dass Beschwerden im Magen-Darm-Trakt möglicherweise die Hauptursache dafür sind, warum Sportler bei einem Wettbewerb ihre Leistung nicht optimal abrufen können. Auch bei Hobbysportlern ist das Problem bekannt. Auf Fragebogen basierte Recherchen bei sportlichen Großereignissen, wie etwa dem Belfast City Marathon ergeben eine Inzidenz von etwa 50 Prozent.

In der Tat sind es vor allem Ausdauersportarten wie Laufdisziplinen über die Langdistanzen oder Radfahren, die übel aufstoßen. Während Läufern eher der untere GIT Probleme bereitet, verschiebt sich bei Radfahrern vermutlich aufgrund des erhöhten intraabdominellen Drucks durch die Sitzposition die Problemzone nach oben. Dann sind Übelkeit, Seitenstechen und Reflux die sportlichen Hemmschuhe.

Überlastung des Systems

Vermutlich hat es multifaktorielle Gründe, warum Magen und Darm zum Spielverderber werden. Der wahrscheinlich wichtigste pathogenetische Faktor ist die Veränderung des gastrointestinalen Blutflusses während der körperlichen Aktivität, schreiben etwa Schweizer Gastroenterologen 2018 in einer Zusammenschau von Studien. Durch die Belastung wird der Parasympathikus gehemmt, der Sympathikus aktiviert; die Ausschüttung von Noradrenalin, Adrenalin und multiplen vasoaktiven Substanzen führt zu einer Umverteilung des Blutes hin zur arbeitenden Muskulatur. Bei Belastungsintensitäten von 70 Prozent des maximalen Sauerstoffverbrauchs sinkt die Blutversorgung des Gastrointestinaltraktes um 60 bis 70 Prozent, heißt es da.

Die intestinale Hypoxie führt zu einer ganzen Kaskade an Reaktionen. So kommt es im Splanchnikusgebiet zu einer Dysfunktion der Mukosa, die sich durch eine Malabsorption manifestiert. Durch die schlechte Sauerstoffversorgung öffnen sich wiederum die tight junctions, was die Barrierefunktion beeinträchtigt. So gelangen Endotoxine in die Blutgefäße und können sowohl lokale als auch systemische Prozesse einleiten, die mit Übelkeit, Erbrechen, Bauchkrämpfen oder Stuhldrang assoziiert sind. Lokale Ischämien der Schleimhaut entwickeln sich zu Zellnekrosen mit nachfolgenden epithelialen Erosionen und Blutungen. Die Läuferdiarrhö nimmt also ihren Lauf.

Um gar nicht erst in diese Kaskade hineinzugeraten, empfehlen Sportmediziner, die Ernährungsgewohnheiten anzupassen. Wichtig ist, nichts Ungewohntes vor und während des Trainings und Wettkampfes zu essen und zu trinken. Ohnehin tabu sollten große Ballaststoff- und Fettmengen vor der Aktivität sein, da sie für eine zu lange Transitzeit sorgen. Leichte hypotone Getränke werden meist besser vertragen als hypertone. Die bei Ausdauersportlern beliebten Kohlenhydratkonzentrate in Gelform mit einem Glukoseanteil von mehr als 6 Prozent verursachen ein hohes osmotisches Gefälle, wodurch Wasser in den Verdauungstrakt gezogen wird.

Bleibt der Erfolg aus, empfehlen Sportmediziner Protonenpumpenhemmer für vier bis acht Wochen. Auch definierte Pflanzenextrakte wie hochdosiertes Pfefferminzöl (Buscomint®, Medacalm®), auch in Kombination mit Kümmelöl (Carmenthin®), oder eine definierte Pflanzenkombination rund um die Bittere Schleifenblume (Iberogast® Advance) könnten ob ihres antientzündlichen und desensibilisierenden Effekts für Entspannung sorgen.

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