Wenn Engagement zu Erschöpfung wird |
Im pharmazeutischen Bereich können zahlreiche Herausforderungen ein Burn-out begünstigen. Dies zeigen Umfragen und Erhebungen, vor allem aus dem englischsprachigen Raum (34, 43).
Der Fachkräftemangel beispielsweise erhöht die Arbeitsbelastung, da weniger Personal mehr Aufgaben übernehmen muss. Hinzu kommen der Druck, sich ständig an neue Entwicklungen im Gesundheitswesen anpassen zu müssen, die in vielen Ländern begrenzten Karrierechancen sowie die fehlende Anerkennung. Besonders hoch ist das Erkrankungsrisiko bei Alleinstehenden ohne Kinder, die regelmäßig lange arbeiten.
Pharmazeutisches Personal unter Druck: Fachkräftemangel und hohe Arbeitsbelastung, Lieferengpässe, geringe Berufserfahrung und hohe Kundenfrequenz können belasten. / © Getty Images/Dimensions
In Krankenhausapotheken belasten zudem übermäßige administrative Anforderungen, unsichere Rahmenbedingungen durch gesundheitspolitische Reformen sowie die fehlende Zeit für Lehrtätigkeiten.
In öffentlichen Apotheken sind es hingegen der permanente Zeitdruck, die Orientierung an Leistungskennzahlen und der Kontrollverlust. Hinzukommen ein hohes Patienten- und Verschreibungsaufkommen sowie die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Psychische Probleme beeinträchtigen aber nicht nur das Wohlbefinden der Berufstätigen, sondern können auch die Qualität der Patientenversorgung sowie die Nachhaltigkeit der öffentlichen Apotheke gefährden (34, 43).
Der Übergang vom engagierten Arbeitseinsatz zur chronischen Erschöpfung ist fließend und schwer zu erkennen. Es existieren verschiedene Modelle, die Burn-out als Prozess mit zwei bis zwölf Phasen beschreiben. Nach dem Modell des Psychotherapeuten Herbert Freudenberger entwickelt sich ein Burn-out in zwölf Phasen (12, 38) (Grafik).
Zu Beginn zeigen sich bei Betroffenen häufig vegetative Stresssymptome wie Schlafstörungen, die zunächst zeitlich begrenzt sind. Bleibt die Belastung über Wochen hinweg ohne Aussicht auf Entlastung bestehen, kann sich eine chronische Erschöpfung entwickeln. Die Symptome sind diffus und vielfältig: In der Literatur werden dem Syndrom teils mehr als 100 unterschiedliche Beschwerden zugeordnet. Das englische Akronym DISINTEREST fasst typische Symptome einprägsam zusammen (Kasten).

© Adobe Stock/Aycatcher
Das englische Akronym DISINTEREST fasst typische Burn-out-Symptome zusammen. Es steht für:
D – Decreased sense of humour: verminderter Sinn für Humor
I – Increased physical problems: Zunahme körperlicher Beschwerden, zum Beispiel Infektionen oder Erschöpfung
S – Social withdrawal: sozialer Rückzug
I – Increased work load: erhöhte Arbeitsbelastung
N – Not accomplishing: Leistungsabfall
T – Tension: Spannung
E – Emotional exhaustion: emotionale Erschöpfung
R – Reduced sleep: Schlafmangel
E – Easily taking offense: leichte Kränkbarkeit
S – Skipping meals and rest breaks: Auslassen von Mahlzeiten und Verzicht auf Pausen
T – Tranquilizer and/or alcohol use: Konsum von Tranquilizern und/oder Alkohol
Literatur: 9
Eindeutige Anzeichen für ein Burn-out gibt es nicht (38). Vielmehr lassen sich die Symptome in fünf Kategorien einteilen:
Burn-out wird meist als Prozess verstanden, der in mehreren Schritten abläuft. Nach dem Modell von Herbert Freudenberger unterscheidet man zwölf Phasen vom Zwang, sich zu beweisen, bis hin zu völliger Erschöpfung. / © PZ/Stephan Spitzer
Typisch für ein Burn-out ist eine zunehmende Entfremdung von der eigenen Arbeit. Die Betroffenen empfinden Tätigkeiten, die sie früher als sinnstiftend erlebt haben, nun als Belastung. Zynismus, Gleichgültigkeit und Pessimismus breiten sich aus. Oft entsteht das Gefühl, nur noch als Zuschauer am eigenen Leben teilzunehmen.
Ein Burn-out erhöht das Risiko für zahlreiche körperliche und psychische Erkrankungen. Besonders betroffen ist das Herz-Kreislauf-System: Männer entwickeln häufiger Bluthochdruck, koronare Herzkrankheiten oder andere kardiovaskuläre Komplikationen. Auch Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus, Hyperlipidämie und Adipositas treten vermehrt auf und es bestehen Zusammenhänge mit Atemwegs- und Hauterkrankungen wie Ekzemen oder Allergien. Personen mit Burn-out haben ein erhöhtes Risiko für schwere Verletzungen sowie eine gesteigerte Sterblichkeit vor dem 45. Lebensjahr.
Insgesamt klagen die Betroffenen umso häufiger über körperliche Beschwerden, je stärker die Ausprägung des Erschöpfungssyndroms ist (34, 41).
Das Risiko für psychische Erkrankungen ist sechsmal höher als in der Allgemeinbevölkerung. Typisch sind Angststörungen, depressive Episoden und körperliche Beschwerden, für die keine organische Ursache gefunden werden kann. In schweren Fällen kann ein chronisches Erschöpfungssyndrom direkt in eine Depression übergehen und suizidale Gedanken hervorrufen (Grafik) (10, 11, 41).
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.