Wenn die Krebstherapie auf Magen und Darm schlägt |
Eine Strahlen- oder Chemotherapie ist äußerst belastend, sowohl psychisch als auch körperlich. Es lohnt sich, einen Blick auf die Begleitmedikation zu werfen und diese zu optimieren. / Foto: Getty Images/Chinnapong
Das Management gastrointestinaler Nebenwirkungen sei oft sehr anspruchsvoll, berichtete Professor Dr. Hans-Dieter Allescher vom Zentrum Innere Medizin des Klinikums Garmisch‐Partenkirchen vor Kurzem beim Online-Fortbildungskongress der Bayerischen Landesapothekerkammer. Mitunter müsse die Therapie verzögert oder die Dosierung der Substanzen reduziert werden.
Die wichtigsten Substanzen bei der Behandlung von Zytostatika-assoziierter Übelkeit und Erbrechen sind 5‐HT3-Antagonisten wie Ondansetron, Granisetron, Palonosetron und Tropisetron, die über ihre anticholinerge Wirkung jedoch die Schleimhäute austrocknen und die gastrointestinale Motilität erheblich stören können.
Als Antiemetika werden zudem die Neurokinin‐1‐Rezeptor‐Antagonisten Aprepitant, Fosaprepitant und Rolapitant sowie Cannabinoide eingesetzt. Neben der antiemetischen Wirkung von Cannabis‐Präparaten nutze man auch deren appetitsteigernden und stimmungsaufhellenden Effekt, erläuterte Allescher.
Strahlen- und Chemotherapie attackieren die Schleimhäute. Schwere Epithelveränderungen im Mund, an Speiseröhre, Magen, Dünndarm und Kolon lösen Schmerzen und Schluckbeschwerden aus. Unter den klassischen Chemotherapeutika sind es vor allem das Pyrimidin-Analogon 5‐Fluorouracil und der Topoisomerase-I-Hemmer Irinotecan, die oft starke Diarrhöen auslösen. Irinotecan hemmt das Enzym Acetylcholinesterase und kann so zu einem akuten cholinergen Syndrom mit starker Speichel‐ und Schweißsekretion, Flush und akuter Diarrhö führen. Auch bei einer Therapie mit den Tyrosinkinase-Inhibitoren Sorafinib und Sunitinib treten häufig Durchfälle auf, ausgelöst durch eine gesteigerte Sekretion von Chloridionen und eine verminderte Absorption der Nahrung, aber auch durch ein verändertes intestinales Mikrobiom.
Über einen anderen pharmakologischen Prozess attackieren Checkpoint-Inhibitoren die empfindliche Magen-Darm-Mukosa. Die therapeutisch erwünschte Aktivierung zytotoxischer T-Zellen kann Autoimmunprozesse anstoßen oder verstärken. Eine so ausgelöste Autoimmunkolitis äußert sich in einer stark entzündeten Schleimhaut und Durchfällen, die eine immunsuppressive Therapie mit Corticosteroiden, Immunsuppressiva oder TNF‐α-Antikörpern erforderlich machen.
Der Gastroenterologe appellierte an die Apotheker, auf Verordnungskaskaden zu achten, die aus den vielfältigen Nebenwirkungen resultieren können. Opioide hemmen die gastrointestinale Propulsion und ziehen eine ausgeprägte Obstipation nach sich. Bekommt der Patient zudem 5‐HT3‐Antagonisten, verstärkt deren anticholinerge Wirkung die Symptome. Dies kann eine Verordnungskaskade in Gang setzen kann.