Wenn Demenzpatienten vergessen zu essen |
Daniela Hüttemann |
14.02.2023 14:30 Uhr |
Zudem ist der Geruchsverlust ein typisches Symptom einer Alzheimer-Demenz. Auch der Geschmackssinn kann sich ändern. Schluckstörungen können auftreten, wenn Bereiche im Gehirn, die für das Schlucken zuständig sind, vom Neuronen-Untergang betroffen sind. »Die Nahrungsaufnahme ist für die Betroffenen dann sehr anstrengend«, berichtete Bauer. Anticholinerg wirksame Medikamente, die den Mund austrocknen, können das Problem verschlimmern.
Bei Kau- und Schluckbeschwerden sollte man nicht gleich alles pürieren, vor allem nicht als Einheitsbrei. Man könne es erst einmal mit stückigem Apfelkompott statt passiertem Apfelmus probieren. Gekochtes ist meist leichter zu schlucken als Gebratenes. Saucen und Suppen sind meistens gut, auch Smoothies bieten sich an. »Anreichern mit Fett oder Andicken können das Schlucken erleichtern«, so die Ernährungswissenschaftlerin, zum Beispiel mit einem extra Schuss Sahne in der Suppe.
Krümelige bröselige Lebensmittel eignen sich dagegen nicht, also lieber auf Zwieback, Salzstangen, Toast und Rohkost verzichten, gegebenenfalls auch auf kohlensäurehaltige Getränke. Getränke sollten nicht zu heiß und nicht eiskalt sein. Ein Strohhalm kann das Trinken erleichtern.
Kommt Trink- oder Aufbaunahrung zum Einsatz, sollte bei Schluckbeschwerden auf Amylase-resistente Eigenschaften (auf der Packung angegeben) geachtet werden. Die Amylase im Mund kann sonst die Konsistenz der Trinknahrung so verändern, dass sie schlechter geschluckt werden kann.
Grundsätzlich gelten für Demenzkranke die üblichen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Komorbiditäten wie Adipositas, Diabetes (weniger Zucker, mehr Ballaststoffe), Bluthochdruck (wenig Kochsalz, mehr Kalium) und Fettstoffwechselstörungen (auf günstige Fette achten, wenig Zucker und Alkohol, viele Ballaststoffe) sollten beachtet werden. Weiche, aber ganze Kost sei zu bevorzugen. Es empfehlen sich mehrere kleine Mahlzeiten am Tag.
Die Pflegenden sollten die Teller nicht zu voll beladen, da viele Patienten verinnerlicht haben, dass sie aufessen müssen. Lieber kleinere Portionen anrichten und bei Bedarf nachreichen. Bauers Geheimtipp für zuhause, unterwegs und in Pflegeheimen: Fingerfood mit einer Größe von einem bis zwei Bissen, das gut greifbar, leicht zu kauen und zu schlucken ist. Es darf nicht bröselig oder klebrig sein. Bauer riet beispielsweise zu Pizzastücken, Frikadellen aus Fleisch oder Gemüse, Mini-Muffins süß oder herzhaft, Trockenobst, Käsewürfeln oder kleinen Kuchenstücken.
Demenzpatienten lehnten oft Saures ab und bevorzugten Süßes. Süße Gerichte eignen sich auch als Hauptspeise, zum Beispiel Kaiserschmarrn oder Milchreis. Herzhafte Speisen können gesüßt werden, zum Beispiel Kartoffeleintopf mit Kürbis und Karotten oder Fleischgerichte mit Trockenobst, Apfel oder Ananas.
Um den Appetit zu fördern, lohne sich Biografie-Arbeit. Also den Patienten befragen, was er früher gern gegessen hat, aus welcher Region er kommt, ob er selbst Kochkenntnisse hat, ob religiöse oder ethnische Besonderheiten vorliegen, ob es Hungerphasen (Armut, Krieg) gab. Vielleicht existieren noch alte Familien-Rezeptbücher.