Wen könnten Apotheker am Sonntag wählen? |
Melanie Höhn |
07.10.2022 16:30 Uhr |
In Niedersachsen ist im ersten Halbjahr 2022 keine neue Apotheke eröffnet worden – stattdessen machten 32 dicht. Wie will Ihre Partei die Arzneimittelversorgung insbesondere in den ländlichen Regionen aufrechterhalten? Welche Konzepte oder alternativen Versorgungsmodelle zur Apotheke befürworten Sie? Wie bewerten Sie hierbei auch eine verstärkte Einbindung von Versandapotheken?
Die Arzneimittelversorgung und die Beratungsleistungen durch Apotheken stellen einen wichtigen Teil der Gesundheitsversorgung in Niedersachsen dar. Vor diesem Hintergrund hat sich die in der laufenden Legislaturperiode vom Landtag eingesetzte Enquetekommission zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung in Niedersachsen in ihren Beratungen auch mit der pharmazeutischen Versorgung auseinandergesetzt. Die Handlungsempfehlungen der Kommission werden in der kommenden Legislatur unser Orientierungsmaßstab für die Gestaltung der Gesundheitsversorgung in Niedersachsen sein. Dazu gehört auch die Sicherstellung und Weiterentwicklung der Arzneimittelversorgung durch die Vor-Ort-Apotheken. Der Versandhandel wird zukünftig einen Teil des Bedarfes insbesondere dort abdecken, wo die persönliche Beratung in der Apotheke vor Ort nicht benötigt wird. Dennoch bleiben lokale Apotheken für uns weiterhin der wichtigste Ort für die Versorgung mit Medikamenten. Die Weiterentwicklung über die Empfehlungen der Enquetekommission hinaus kann nur im engen Austausch mit den Verbänden und Fachgesellschaften stattfinden.
Mit unserem Vorstoß, regionale Gesundheits- und Versorgungszentren – insbesondere in ländlichen Regionen – zu errichten, erkennen wir einen vielversprechenden Ansatz, um Kapazitäten und Ressourcen zu bündeln und gleichzeitig eine hochwertige und wohnortnahe Versorgung sicherzustellen sowie neue Ansätze zur sektorenübergreifenden Versorgung zu ermöglichen. Mit diesen Zentren werden wir die Versorgung dort sicherstellen und verbessern, wo die ambulante Versorgung gefährdet oder eine stationäre Versorgung nicht möglich oder wirtschaftlich gefährdet ist.
Welche Ideen hat Ihre Partei, den Nachwuchs in den Apotheken sicherzustellen und die Arbeit in der Offizin attraktiver zu machen?
Die Zahl der Pharmaziestudierenden hat sich in den vergangenen Jahren bundesweit erhöht. Auch die Zahl der Approbationen ist gestiegen. Dennoch stellt die Nachwuchsgewinnung eine zentrale Herausforderung dar, der wir auch in den kommenden Jahren begegnen müssen, um eine hochwertige und flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Im Sinne der Handlungsempfehlungen der Enquetekommission zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung in Niedersachsen setzen wir uns insbesondere für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen des Pharmaziestudiums ein. Darüber hinaus werden wir weiterhin Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene unterstützen, die dazu geeignet sind, die Attraktivität der pharmazeutischen Berufe zu steigern.
Mit Blick auf den Nachwuchs in den Apotheken geht es auch um eine wirtschaftliche Absicherung der Apotheken. Daher begrüßen und unterstützen wir die Pläne der Ampel-Koalition auf Bundesebene zur Novellierung des Gesetzes zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken – um pharmazeutische Dienstleistungen und beratungsintensive Leistungen besser zu honorieren und Effizienzgewinne innerhalb des Finanzierungssystems zu nutzen. Wir werden uns aktiv in den Prozess auf Bundesebene einbringen, damit eine flächendeckende Versorgung durch die Vor-Ort-Apotheken in Niedersachsen sichergestellt bleibt.
Gerade in ländlichen Gegenden wird die Vernetzung der Heilberufler immer wichtiger. Welche Vorschläge hat Ihre Partei, um diese auszubauen?
Die Mehrheit der Menschen in Niedersachsen lebt in ländlichen Regionen. Eine schnelle, wohnortnahe und hochwertige medizinische Versorgung – von der Diagnose bis zur Behandlung – schließt die Versorgung mit Arzneimitteln ein. Wie zuvor erwähnt, wollen wir mit der Einrichtung regionaler Gesundheits- und Versorgungszentren – insbesondere im ländlichen Raum Angebote schaffen, welche die Patientinnen und Patienten durch die Bündelung von Leistungen, Kompetenzen verschiedenster medizinischer Professionen optimal versorgen können. In der Gestalt können wir uns einer sektorenübergreifenden Gesundheitsversorgung annähern, die wir sowohl als eine der größten Herausforderungen als auch Chance innerhalb des Gesundheitswesens für die kommenden Jahre begreifen.
Darüber hinaus bieten sich für eine patientenorientierte Behandlung digitale Lösungen an. In der Praxis müssen derart sensible Daten den höchsten Datenschutz-Standards entsprechen – mit der bundesweiten Einführung des E-Rezepts lösen wir das Versprechen ein und minimieren gleichzeitig das Risiko fehlerhafter oder schwerlesbarer Papierrezepte. Was bleibt, ist mehr Zeit für die Beratung vor Ort.
Welche weiteren Aufgaben/Dienstleistungen sollten Apotheken in Zukunft übernehmen?
Apotheken haben das Potential, als Teil der Gesundheitsversorgung weitere Aufgaben zu übernehmen, beispielsweise im Bereich der Prävention. So ist der Einsatz vieler Apothekerinnen und Apotheker während der Covid-19-Impfkampagne sowie zur Grippeschutzimpfung hervorzuheben. Der eigentliche Leistungskern muss gewahrt und eine Überforderung der Apotheken verhindert werden. Entsprechend der Handlungsempfehlungen der Enquetekommission zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung gilt es aus unserer Sicht, die Kompetenzen von Apotheken im Kontext der Delegation weiter auszubauen.
Für eine bestmögliche medizinische Beratung und Versorgung, unabhängig vom Wohnort, plädieren wir dafür, die interprofessionelle Zusammenarbeit weiter zu stärken. Diese wird zwar in Teilbereichen bereits innovativ vorangetrieben, allerdings kommt es vor allem an Sektorengrenzen noch zu vermeidbaren Informationsverlusten und Versorgungslücken, die zum Wohle der Patientinnen und Patienten konsequenter in den Blick genommen werden sollten.
Was die Arzneimittelversorgung betrifft, welche Lehren zieht Ihre Partei aus der Corona-Pandemie?
Die zentrale Bedeutung der Vor-Ort-Apotheken hat nicht zuletzt die Corona-Pandemie demonstriert. Die Arzneimittelversorgung muss überall und für alle Bürgerinnen und Bürger gut zugänglich sein. Aufgrund der während der Pandemie geltenden Sonderregelungen konnte eine effiziente Arzneimittelversorgung durch die Apotheken sichergestellt werden. Die Apotheken haben gezeigt, dass sie mit dieser Situation sehr verantwortungsvoll umgehen. Eine Überführung dieser temporär geltenden Erleichterungen in die Regelversorgung, um den Apotheken mehr Flexibilität zu ermöglichen, halten wir für unterstützenswert.
Weltweite Engpässe und Lieferverzögerungen haben uns zudem aufgezeigt, wie wichtig die verstärkte Kooperation und Konzentration auf Produktionsstätten innerhalb der EU für eine Sicherstellung der Grundversorgung von Arzneimitteln und Medizinprodukten ist. Neben der Verbesserung des Managements bei Lieferengpässen durch die Erweiterung der Austauschmöglichkeiten der Apotheken unterstützen wir auch den Aufbau von Produktionsstätten innerhalb der EU. Außerdem haben die zahlreichen Apothekerinnen und Apotheker sowie Beschäftigten in den niedersächsischen Apotheken während der Corona-Pandemie maßgeblich dazu beigetragen, dass es nicht zu einer Überlastung des Gesundheitssystems gekommen ist. Für ihren unermüdlichen Einsatz möchten wir uns bedanken!