Welche Partei punktet in BaWü bei den Apothekern? |
Ev Tebroke |
12.03.2021 12:00 Uhr |
Für Die LINKE ist ganz grundsätzlich klar: Patient:innen müssen schnell an ihre Medikamente kommen können und dabei verlässlich beraten werden. Nötig sind dafür Apotheken in Wohnortnähe, die in jedem Sinne die Sprache ihrer Patientinnen und Patienten sprechen und auch nachts und an Wochenenden für ihre Anliegen offen sind. Wir wollen Apotheken, die in ihr Umfeld, ob auf dem Dorf oder in der Stadt, eingebunden sind, die mit den Ärzt:innen im Austausch stehen, die beim Medikationsmanagement helfen und die somit die »sprechende Medizin« stärken. Der seit Jahren wachsende Versandhandel kann all das nicht leisten.
In Baden-Württemberg schließen immer mehr Vor-Ort-Apotheken auf dem Land. Was wollen Sie dagegen tun?
Die Zahl der Apotheken sinkt seit Jahren, der Anteil der Filialen steigt kontinuierlich, ein nicht geringer Teil gehört zu einigen wenigen Ketten. Allein in den vergangenen zehn Jahren haben mehr als 10 Prozent aller Apotheken deutschlandweit aufgegeben. Mittlerweile liegt die Apothekendichte in Deutschland deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Im Land Baden-Württemberg ist die Zahl der Apotheken in den letzten 20 Jahren sogar um etwa 14 Prozent zurückgegangen. War im Jahr 2000 eine Apotheke für 3.716 Menschen da, kamen im Jahr 2020 schon 4.612 Menschen auf eine Apotheke (Statistisches Landesamt 2020).
Wir beobachten diese Konzentration des Arzneimittelhandels mit Sorge. DIE LINKE steht zu einer flächendeckenden Versorgung mit Präsenzapotheken. Wo die Versorgung gefährdet ist, sollten die Apotheken gezielt unterstützt werden. Wir müssen gerade im ländlichen Raum Apotheken vor der Konkurrenz im Internet und aus dem Ausland schützen. DIE LINKE ist entschieden gegen den Versand von rezeptpflichtigen Medikamenten aus dem Internet. Die öffentliche Apotheke erbringt eine Vielzahl von Funktionen für die flächendeckende öffentliche Daseinsvorsorge: Versorgung akut Erkrankter, Nacht- und Notdienste, Versorgung mit stark wirksamen Schmerzmitteln, Abgabe der »Pille danach«. Diese Aufgaben kann der Versandhandel nicht übernehmen.
DIE LINKE hat sich immer klar für das Mehr- und Fremdbesitzverbot und für den Erhalt der Präsenzapotheke ausgesprochen. Nicht nur wegen der Arbeitsplätze, auch wegen ihrer Funktion in einem funktionierenden Sozialleben gerade im ländlichen Raum dürfen Apotheken nicht dem heute vorherrschenden wirtschaftsliberalen Dogma geopfert werden. Insbesondere den Einsatz von Fremdkapital lehnen wir ab, denn die bittere Erfahrung lehrt, dass solche Finanzierungsmodelle immer zu Lasten der Patient:innen und der Beschäftigten geht.
Foto: Die Linke BaWü
Wenn die Apothekenzahl stetig sinkt, wie wollen Sie die Arzneimittelversorgung auf dem Land aufrechterhalten? Welche Konzepte befürworten Sie?
DIE LINKE fordert ganz grundsätzlich, den Abbau der Gesundheitsversorgung in der Fläche zu verhindern. Wir wollen eine gute, flächendeckende, barrierefreie und bedarfsgerechte gesundheitliche Versorgung in Stadt und Land erreichen. Das geht mit neuen Versorgungsformen wie Patientenbussen, Gemeinschafts- und Teilzeitpraxen oder Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) in öffentlicher Hand. Letzterer kommt in unserem Verständnis für die Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung eine große Rolle zu. Medizin, Pflege und Apotheken können hier schon allein durch die räumliche Nähe auf viel kürzeren Wegen zusammenarbeiten als bisher möglich. Die MVZs müssen aber unter kommunaler Verwaltung stehen, private equity fonds oder ähnliche Finanzierungsmodelle lehnen wir entschieden ab.Das Thema Gesundheitsversorgung trägt in seinem Kern die soziale Frage. Bei der gesundheitlichen Grundversorgung gibt es große regionale und lokale Unterschiede nicht nur entlang der Stadt-Land-Achse. Auch in den Städten sehen wir bei der Versorgung Probleme und schlagen hier ebenfalls MVZs, also Stadtteil-Gesundheitszentren, vor: Obwohl die größeren Städte in Baden-Württemberg angeblich meist ärztlich überversorgt sein sollen, ist in Stadtteilen, die überdurchschnittlich von krankmachenden Umständen wie soziale Ungleichheit, Armut, Vereinsamung und Stress betroffen sind, die Versorgung schlechter. Vor allem hier wollen wir kommunale Gesundheitszentren (Stadtteilpraxen) schaffen, um Gesundheitsversorgung und -vorsorge zu verbessern. In solchen Stadtteilpraxen soll hausärztliche und psychotherapeutische Versorgung in Koordination mit Gesundheits- und Sozialberatung und -hilfe über die rein medizinische Behandlung hinaus angeboten werden. Um entsprechende Beschlüsse in den Kommunen zu erleichtern, sind Landesfördermittel notwendig.
Gerade in ländlichen Gegenden wird die Vernetzung der Heilberufler immer wichtiger. Welche Vorschläge haben Sie um diese auszubauen?
Die fehlende interprofessionelle Zusammenarbeit ist ein großes Manko des deutschen Gesundheitssystems. DIE LINKE will eine Versorgung durch alle Akteure, bei der die Patient:innen im Mittelpunkt stehen. Dafür sind mehr Kommunikation und eine andere Aufgabenverteilung notwendig. Apotheken könnten in der Arzneimittelversorgung neue Aufgaben übernehmen. Das betrifft etwa das Medikationsmanagement, das die Bundesregierung im eHealth-Gesetz unzweckmäßig in die Hand der Ärzt:innen gelegt hat. Wir sehen die Apotheke auch in einer wichtigen Rolle in regionalen Gesundheitsnetzwerken. Die inhabergeführte Apotheke ist nach Ansicht der LINKEN dabei kein Auslaufmodell, sollte aber durch weitere Einrichtungen ergänzt werden, damit das System auf künftige Herausforderungen für die flächendeckende Versorgung vorbereitet ist.
Den Vor-Ort-Apotheken fehlt der Nachwuchs. Welche Ideen haben Sie, um die Arbeit in der Offizin attraktiver zu machen?
Mit den LINKEN Forderungen für weitere Kompetenzen der öffentlichen Apotheke, für die Stärkung des heilberuflichen Charakters des Apothekerberufs, gegen den Versandhandel und gegen die weitere Deregulierung der Apothekenlandschaft stehen wir für eine attraktive Weiterentwicklung der Tätigkeit in den öffentlichen Apotheken. Wir wollen den Grundstein legen für eine Zukunft, die nicht von Markt und Profit bestimmt wird. In der Gesundheit, Pflege und Wohnen nach Bedarf und Gemeinwohl organisiert werden. In der wir die Arbeit so gestalten und verteilen, dass sie zum Leben passt und die Löhne für ein gutes Leben reichen. Ein Berufsbild mit 60- bis 80-Stunden-Wochen in der eigenen Apotheke bei immer höheren Anforderungen beispielsweise an Zertifizierungen und vollem ökonomischen Risiko ist von diesem Ziel weit entfernt. Wie für andere Berufe auch sollte für das pharmazeutische Personal gelten: Die Arbeit soll interessant sein, die Arbeitsbedingungen gut, der Beruf gesellschaftlich anerkannt und adäquat entlohnt werden.
Wir beobachten seit Längerem mit Sorge den Trend, dass zu wenige PTA und PKA ausgebildet werden und dass Pharmazeut:innen in die Industrie abwandern. Die Honorierung der angestellten Apotheker:innen sowie der Assistenzkräfte ist für ihre Qualifikation verhältnismäßig gering. Die Verdienstmöglichkeiten für Approbierte sind in der Industrie ungleich höher. Besonders deutlich ist die unterdurchschnittliche Vergütung der PKA, die mit einer dreijährigen und anspruchsvollen Ausbildung zu den Geringverdienenden zählt. Insbesondere für die belastenden Nachtdienste muss die Bezahlung für die Apotheker:innen so sein, dass diese ungünstigen Arbeitszeiten nicht als unzumutbare Belastung empfunden werden. Hier sind die Tarifpartner gefordert, das Nachwuchsproblem in den Verhandlungen angemessen zu berücksichtigen.
DIE LINKE steht dafür, den heilberuflichen Charakter der pharmazeutischen Berufe zu stärken, die Kooperation unter Kolleginnen und Kollegen zu fördern und den wirtschaftlichen Wettbewerb zu begrenzen. Apotheken sind der niedrigschwelligste Zugang zum Gesundheitssystem. Diese door-opener-Funktion sollte bei der Weiterentwicklung des Berufsbilds Berücksichtigung finden. In diesem Sinne wollen wir die pharmazeutische Betreuung inkl. Medikationsmanagement deutlich ausbauen und an die neuen technischen Möglichkeiten anpassen. Wir wollen die Arzneimittelabgabe unbürokratischer gestalten und die Beratungsqualität fördern. Das Pharmaziestudium muss praxistauglicher werden und die klinische Pharmazie noch stärker berücksichtigen.
Nicht zuletzt da die Niederlassung für viele junge Pharmazeut:innen an Attraktivität verloren hat, müssen neue Formen der angestellten Tätigkeit, die weniger örtliche Bindung, weniger wirtschaftliches Risiko (besonders im ländlichen Raum) und familienfreundliche Arbeitszeiten (work-life-balance) bedeuten, gefunden werden. Wie weiter oben ausgeführt, wollen wir grundversorgende, interdisziplinäre Versorgungszentren zu einer wichtigen Säule der ambulanten Versorgung ausbauen.
Wo sehen Sie künftig die Rolle der Vor-Ort-Apotheken in der Arzneimittelversorgung?
Welche weiteren Aufgaben/Dienstleistungen sollten Apotheken in Zukunft übernehmen?
Die Apotheken erfüllen eine wichtige Funktion für Patient:innen, nämlich die Beratung. Die ständig wachsende Anzahl von Medikamenten, Darreichungsformen und Generika, überfordern Patient:innen nicht selten. Insbesondere Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten überfordern Patient:innen und Angehörige häufig. Hier ist die Apotheke bzw. der Apotheker und sein Team vor Ort unabdingbar. DIE LINKE sieht diese Rolle als unverzichtbar an, Online-Handel, insbesondere die international auftretenden Anbieter können diese Funktion nicht erfüllen und sind deshalb abzulehnen.
Apotheken sollten das tun, was sie am Besten können, kranke Menschen bei der richtigen Wahl von Medikamenten und Pflegemitteln zu beraten und zu unterstützen. Sie können aber auch durch Beratung in der Prävention eine große Rolle spielen. Apotheken sind in vielen Fällen der erste Anlaufpunkt für Menschen, die sich nicht ganz gesund fühlen, durch eine enge Einbindung in die MVZs.
Wir befürworten, dass öffentliche Apotheken mit dem Medikationsmanagement künftig zusätzliche Dienstleistungen aus dem Gesundheitsbereich erbringen. Aktuell beschränkt sich das Spektrum auf Medikationspläne, wobei die Leistung der Apotheke im Gegensatz zu den Ärzten nicht honoriert wird.Für das Medikationsmanagement ist die Apotheke nach Auffassung der LINKEN der beste Ort. Nur hier fallen alle ärztlichen Verordnungen sowie die Selbstmedikation zusammen. Das ABDA/KBV-Modell bringt das mit der ärztlichen Wirkstoffverordnung und einem evidenzbasierten Medikationskatalog zusammen. Wir haben dieses Modell unterstützt und erhoffen uns aus dem Modellversuch ARMIN weitere Erkenntnisse für eine patientenorientierte und hochwertige Arzneimittelversorgung.
Was die Arzneimittelversorgung betrifft, welche Lehren ziehen Sie aus der Corona-Pandemie?
Wohin uns Liberalisierung und Deregulierung im Gesundheitsbereich in den letzten Jahrzehnten geführt haben, das hat die Coronakrise deutlich gezeigt. Sie sind das falsche Rezept, auch für Apotheken. Das Apothekenwesen hat in der Corona-Krise Unglaubliches geleistet und erheblich dazu beigetragen, dass die Arzneimittelversorgung der Menschen weiterhin gewährleistet war und ist. Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig eine verlässliche, flächendeckende Arzneimittelversorgung ist und hat gleichzeitig die Verwundbarkeit der Arzneimittelversorgung in Deutschland besonders sichtbar gemacht: Mehrfach kam es im Verlauf der Pandemie zu schwerwiegenden Lieferengpässen, z.B. weil die internationalen Lieferketten unterbrochen waren. Diese Probleme bestehen allerdings nicht erst seit der Pandemie. Schon seit Jahren besteht eine große Abhängigkeit von internationalen Lieferketten und damit eine erhebliche Gefahr von Lieferengpässen. Diesem Problem muss dringend begegnet werden. Doch bislang hat die Bundesregierung diese stets nur verwaltet und nicht versucht, sie zu verhindern.
Ganz grundsätzlich ist aus unserer Sicht die Forschung und Entwicklung von Arzneimitteln sowie Impfstoffen profitorientierten Aktienkonzernen zu entziehen und in eine politische Verantwortung zu übertragen, damit sie allen Menschen zugutekommt. Das Vorhaben auch der anderen europäischen Gesundheitsminister, die Produktion von Medikamenten und deren Grundstoffen wieder vermehrt nach Europa zurückzuholen, ist ein wichtiger Schritt, den DIE LINKE schon seit langem fordert. Aber er reicht alleine nicht aus.
Deswegen hat die Partei DIE LINKE im Februar einen Gesetzesentwurf im Bundestag eingebracht, um Lieferengpässe einerseits schneller zu erkennen und ihnen andererseits effektiv begegnen zu können. So will DIE LINKE die Hersteller in Deutschland stärker in die Pflicht nehmen: Sie sollen Sorge dafür tragen, dass die Lieferfähigkeit ihrer Medikamente gewährleistet bleibt. Wir wollen Kostenübernahme durch die Industrie wenn Patient:innen auf teurere Alternativpräparate ausweichen müssen und ein Exportverbot für die betroffenen Wirkstoffe und Medikamente. Wir fordern, dass Lieferengpässe bereits im Vorfeld verpflichtend zu melden sind und die Hersteller essenzielle Medikamente bevorraten müssen. Bei Verstößen durch die Hersteller wollen wir zudem auch Sanktionen und Bußgelder einführen. Auch die exklusiven Rabattverträge einzelner Krankenkassen für bestimmte Medikamente, die während der Corona-Pandemie ausgesetzt wurden, gehören zu den Ursachen der Lieferprobleme und müssen endgültig abgeschafft werden.