Weihnachten ist ein Gefühl |
Jennifer Evans |
23.12.2021 18:00 Uhr |
Die sorbische Christkindtracht ist in jedem Dorf unterschiedlich. Gemeinsam ist allen der Gesichtsschleier, denn keiner soll das Christkind erkennen, wenn es an den Häusern klingelt. / Foto: MEK/Yana Wernicke
Weihnachten verbreitete sich in einer zweiten Globalisierungswelle im 20. Jahrhundert samt seiner Konsum- und Eventkultur auf dem ganzen Globus. Auf der Orchard Road, der größten Einkaufsmeile des multiethnischen Singapurs, wird jedes Jahr »Christmas on a Great Street« gefeiert. Unter dem Hashtag #orchardrdxmas posten Besucher aus aller Welt von dort Selfies vor weihnachtlichen Dekorationen und Lichtinstallationen. Ein sogenanntes Christmas Village gibt es auch in der chinesischen Millionenstadt Yiwu. Dort geht es aber nicht um den Konsum, sondern um die Herstellung von Produkten. 60 Prozent der Weihnachtsdekoration kommt heutzutage aus Yiwu, wie die Sonderausstellung im Museum Europäischer Kulturen in Berlin zeigt.
Zu den relativ neuen Ritualen während der Feiertage zählt inzwischen das gemeinsame Anschauen von Filmen. In Polen zum Beispiel sehen sich viele Familien das Nationalepos »Pan Tadeusz« an, in den Niederlanden läuft eine Version des Films »Love ... Actually«, in Schweden flimmern Donald Duck und in Rumänien eine rumäniche Variante von »Dinner for One« über den Bildschirme. Honigringe aus Weizenmehl, gefüllt mit Rübensirup, Gewürzen, Zucker, versüßen in Malta das Familienfest. Die Ringform gilt dabei als Zeichen unendlichen Glücks und die Füllung soll den Überfluss von Gesundheit, Liebe und Geld symbolisieren.
Weniger bekannt als Weihnachtsmann und Christkind, aber genauso traditionell, ist das sorbische Bože Dźěćatko, was so viel wie »Kindchen« bedeutet. In Tracht gekleidet ist es in der Adventszeit in Lausitzer Dörfern unterwegs, sein Gesicht ist dabei stets verschleiert. Mit Birken- oder Ginsterzweigen streicht es dann den Menschen über den Arm und berührt mit der Hand dreimal deren Wange. Die Geste soll Glück und Gesundheit für das kommende Jahr bringen. Als Gegenleistung bekommt es Äpfel oder Süßigkeiten. Zu DDR-Zeiten hieß es übrigens Bescherkind, ein Ausdruck der antireligiösen Kulturpolitik seinerzeit.
In der Sowjetunion war Weihnachten als religiöses Fest nach der Oktoberrevolution 1917 verboten. Stattdessen gab es ab 1937 das Jolka-Fest. Dabei kommen am 31. Dezember Figuren aus der russischen Märchenwelt zusammen. Väterchen Frost und seine Enkelin, das Schneemädchen, bringen in der Silvesternacht die Geschenke. In vielen ost- und südosteuropäischen Staaten beging man das Fest auch als Symbol der Freundschaft mit der Sowjetunion.