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Kopfschmerz bei Covid

Was wir aus Corona-Kopfschmerz über Migräne lernen können

Kopfschmerz ist eines der ersten und häufigsten Symptome einer Covid-19-Erkrankung – und eines, das auch nach überstandener Infektion bleiben kann, hieß es beim Deutschen Schmerzkongress, wo über mögliche Ursachen diskutiert wurde. Die Erkenntnisse könnten auch Patienten mit bislang schlecht therapiebaren primären Kopfschmerzen helfen.
Daniela Hüttemann
25.10.2021  15:00 Uhr

»Patienten mit primären Kopfschmerzen in der Vorgeschichte, vor allem Migräne, leiden häufiger und heftiger unter Kopfschmerzen bei einer akuten Covid-19-Erkrankung«, erklärte Professor Dr. Andreas Straube, Oberarzt an der Neurologischen Klinik und Poliklinik der LMU München, mit Blick auf die Studienlage beim Deutschen Schmerzkongress vergangene Woche. Viele berichteten über eine Verstärkung der primären Kopfschmerzen.

Auf der anderen Seite hätten Covid-19-Patienten mit starken Kopfschmerzen im Durchschnitt ein besseres Outcome in Bezug auf die SARS-CoV-2-Infektion. Eine spanische Studie, veröffentlicht im November 2020, habe gezeigt, dass die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus im Schnitt sieben Tage kürzer war (23,9 ± 11,6 versus 31,2 ± 12,0 Tage) und die Interleukin-6-Level niedriger und stabiler waren. Zudem konnten die Forscher 100 Patienten (74 mit initialen Kopfschmerzen und 26 ohne) nach sechs Wochen erneut befragten. 28 Patienten (37,8 Prozent) aus der Gruppe, die zu Beginn der Covid-19-Erkrankung unter Kopfschmerz litten, hatten diese sechs Wochen später immer noch. Von diesen 28 Patienten hatte jeder zweite eine Kopfschmerzhistorie (Migräne oder andere Kopfschmerzen als Vorerkrankung). 17 litten jeden Tag unter Kopfschmerzen.

Kopfschmerzspezialist Straube geht davon aus, dass neu auftretender Dauerkopfschmerz bei 10 Prozent aller Covid-19-Patienten zum Problem wird. Und bei Migränepatienten könnten die Attacken nach einer Covid-19-Erkrankung heftiger und lang anhaltender ausfallen. 

Während bei den akuten Schmerzen sowohl neuropathische als auch entzündliche Mechanismen verantwortlich gemacht werden, wird bei chronischen Kopfschmerzen eine Beteiligung des Inflammasoms diskutiert. »Dabei handelt es sich um einen Eiweißkomplex, der sich innerhalb von Zellen befindet und als Reaktion auf Krankheitserreger oder zellulären Stress aktiviert wird«, erläutert Straube vor Journalisten.

Als Teil der angeborenen Immunabwehr sei das Inflammasom in der Lage, die Freisetzung von Entzündungsbotenstoffen zu veranlassen – ein Mechanismus, der möglicherweise auch bei der Chronifizierung von primären (also ohne erkennbare Ursache auftretenden) Kopfschmerzen wie Migräne eine Rolle spielen könnte. »Es spricht einiges dafür, dass diese Kopfschmerzformen auf dieselben Mechanismen zurückzuführen sind«, sagte Straube. Er hofft, dass sich aus der Erforschung Covid-bedingter Kopfschmerzen neue Behandlungsansätze ergeben, die dann auch Menschen mit den bisher nur schlecht therapierbaren primären Kopfschmerzen einschließlich Migräne zugutekommen.

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