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Schweigepflicht, Strafanzeige

Was tun bei Impfpassfälschungen in der Apotheke?

Die digitalen Covid-19-Impfzertifikate bestimmen gerade häufig den Alltag der Apotheken. Oftmals sind die Pharmazeuten deshalb mit potenziell gefälschten Impfpässen in der Offizin konfrontiert. Rechtsexperten geben Tipps, wie sich Apotheker in einem solchen Fall am besten zu verhalten haben. Sofort Strafanzeige bei der Polizei zu stellen, sei aber oft nicht ratsam.
Charlotte Kurz
03.12.2021  18:00 Uhr

Apotheken begegnen zurzeit immer wieder Impfpass-Fälschungen. Zur Ausstellung der digitalen Covid-19-Impfzertifikate, die in manchen Bundesländern sogar einzig als Vorlage der vollständigen Impfung zu etwa 2G-Veranstaltungen dienen, müssen Geimpfte in der Apotheke den gelben, analogen Impfpass gemeinsam mit einem Lichtbildausweis vorlegen. Allerdings tummeln sich im Zuge verschärfter Corona-Maßnahmen einige Impfpass-Fälscher auf dem Markt, die Personen, die sich nicht impfen lassen wollen, für teures Geld einen gefälschten Impfpass verkaufen.

Um dem einen Riegel vorzuschieben, hat der Gesetzgeber erst kürzlich eine Strafbarkeitslücke geschlossen. Impfpassfälschern drohen nun bis zu fünf Jahre Haft. Gleichzeitig lassen sich inzwischen auch digitale Covid-19-Impfzertifikate sperren, sowohl einzelne als auch theoretisch alle Zertifikate einer Apotheke. Auf Nachfrage der PZ, wie sich Apotheken bei der Vorlage von mutmaßlich gefälschten Impfnachweisen verhalten sollten, erklärte das Bundesgesundheitsministerium (BMG), dass sie sich diesbezüglich an die örtlich zuständigen Polizeibehörden oder an die Staatsanwaltschaften wenden sollen.

Allerdings ist bei der Kontaktaufnahme mit den Strafverfolgungsbehörden Vorsicht geboten, betonen die beiden Rechtsanwälte Ulrich Laut, Hauptgeschäftsführer von der Apothekerkammer Hessen, und Klaus Laskowski, Syndikusrechtsanwalt und Justitiar bei der Bayerischen Landesapothekerkammer, gegenüber der PZ.

Das Problem: Apotheker sowie das gesamte pharmazeutische Personal gehören zu jenen Berufen, die gesetzlich an die Schweigepflicht gebunden sind. »In Paragraf 203 Strafgesetzbuch (StGB) steht, dass Apotheker nicht unbefugt etwas weitergeben dürfen, dass sie im Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung erfahren haben«, erklärte Laut. Wer also einfach persönliche Daten von Patienten in der Apotheke an die Polizei weitergebe, könne sich damit strafbar machen. Im Einzelfall kann die Aufhebung der Schweigepflicht zwar gerechtfertigt sein, allerdings ist das Laut zufolge nur im Ausnahmefall möglich. Weiter gilt das Zeugnisverweigerungsrecht. Laut Paragraf 53 Strafprozessordnung sind Apotheker ebenfalls dazu berechtigt, die Aussage vor Gericht oder gegenüber der Polizei zu verweigern, so Laut. Befragt die Polizei Apotheker zu Impfpassfälschungen, müssen diese demnach also nicht aussagen.

Erster Schritt: Verweigerung der Zertifikatsausstellung

Bei möglichen Impfpassfälschungen empfiehlt Justitiar Laskowski, zunächst die Ausstellung eines Impfzertifikats zu verweigern. Dazu seien die Apotheken auch verpflichtet. Zudem könnten sie auch anbieten, den Impfpass einzubehalten oder zu vernichten. Dies dürfe aber nur mit Einwilligung der Patienten geschehen, Apotheken selbst dürften keine Dokumente »beschlagnahmen«, so Laskowski. Schließlich könnten sich die Betroffenen in der Apotheke überlegen, Strafanzeige zu stellen, erklärte er weiter. Dazu sei hingegen keine Apotheke verpflichtet. Vielmehr sollte man sich in einer sogenannten Güterabwägung überlegen und auch dokumentieren, ob es gerechtfertigt ist, die Schweigepflicht zu brechen, weil ein Ungeimpfter mit gefälschtem Impfpass potenziell aufgrund eines möglichen Ansteckungsrisikos gerade bei den aktuellen Infektionszahlen eine konkrete Gefahr für die Gesundheit Dritter darstellen könne, so Laskowski.

Auch Frank Bendas, Geschäftsführer der Apothekerkammer Sachsen, will den Apothekern eine Möglichkeit an die Hand geben, wie sie mit potenziellen Impfpassfälschern umgehen. »Die Rechtslage wird bundesweit unterschiedlich eingeschätzt, aber wir sind der Auffassung, dass jemand, der als Straftäter in die Apotheke kommt, kein Recht auf die Schweigepflicht hat. Seine Geheimhaltungsinteressen können nicht schutzwürdig sein«, meint Bendas. Die Kammer habe sich mit der Aufsichtsbehörde, dem Sozialministerium in Dresden, abgestimmt, dass die Apotheker bei einem möglichen Fälschungsfall abgesichert sind, wenn sie sich für eine Strafanzeige entscheiden und daraufhin womöglich selbst eine Anzeige kassieren. »Die Schweigepflicht ist natürlich ein hohes Gut«, sagte Bendas der PZ. Allerdings könnten Apotheker - ähnlich wie bei Rezeptfälschungen - auch bei den Impfpassfälschungen das Schweigerecht in bestimmten Fällen brechen, da durch ein gefälschtes Impfzertifikat eine erhebliche Gefährdung der Allgemeinheit möglich ist.

Die Apothekerkammern Niedersachsen und Baden-Württemberg haben laut PZ-Recherchen eine ähnliche Abstimmung mit den jeweiligen Generalstaatsanwaltschaften getroffen. Das Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart in Baden-Württemberg liegt der PZ vor. Darin heißt es, dass sowohl die Generalstaatsanwaltschaften in Niedersachsen als auch in Baden-Württemberg der Auffassung sind, »dass eine Strafanzeige gegen Kunden, die einen gefälschten Impfnachweis vorlegen, nicht nach § 203 StGB strafbar wäre«. Ein schutzwürdiges, somit berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Kunden liegt laut Generalstaatsanwaltschaft hier nicht vor. Allerdings heißt es in diesem Brief auch: »Wir bitten um Verständnis, dass wir einer Entscheidung unserer Staatsanwaltschaften im Einzelfall nicht vorgreifen können.«

Wichtig: Immer rechtlich absichern

Klar ist: Die Schweigepflicht ist nicht zu unterschätzen, auch nicht bei der Frage, wie mit Impfpassfälschern in der Apotheke umzugehen ist. Zudem gilt in rechtlichen Fragen immer die Abwägung und Entscheidung in einem Einzelfall, vor pauschalen Zusagen wie etwa durch die Generalstaatsanwaltschaften warnt der Rechtsanwalt Laut. Wer in einem solchen Fall jedoch Strafanzeige stellen möchte, könne das nur nach Prüfung und Abwägung potentieller Risiken im konkreten Einzelfall tun, sei dazu aber nicht verpflichtet, betonte auch nochmal Laskowski von der Kammer Bayern. Er empfiehlt deshalb allen Apothekern: »Wer sich entschließt, Strafanzeige stellen zu wollen, der sollte sich vorher zum Beispiel bei der Staatsanwaltschaft beraten lassen und sich verbindlich bestätigen lassen, dass die Nicht-Einhaltung der Schweigepflicht in diesem Fall straffrei bleibt«. Für alle, denen das angesichts des fordernden Apothekenalltags aber zu umständlich sei, habe er größtes Verständnis.

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