Was Schlaf mit dem sozialen Netz zu tun hat |
Brigitte M. Gensthaler |
27.04.2021 07:00 Uhr |
Schäfchenzählen hilft nicht bei Schlafstörungen, konsequente Schlafhygiene meistens schon. / Foto: Fotolia/Jürgen Fälchle
»Die sogenannten Schlafmittel verhindern den gesunden Schlaf sehr effektiv«, mahnte Professor Dr. Hans Förstl von der TU München beim Pharmazeutischen Kongress des 18. Sächsischen Apothekertags, der virtuell am 24. April stattfand. »Wir können den Schlaf pharmakologisch nicht annähernd so fein regulieren, wie es die Natur in gesunden Tagen schafft«, sagte der Psychiater und Neurologe.
Schlafen habe viel mit Lernen zu tun. »Nachts nimmt sich das Gehirn offline Zeit, um Probleme zu bearbeiten. Daher hat man morgens oftmals eine Lösung für ein Problem, das man am Vortag nicht bewältigen konnte.« Im Tiefschlaf werde das Gehirn zudem von schädlichen Substanzen wie β-Amyloiden gereinigt. Die metabolische Clearance erfolge über das glymphatische System, das erst vor wenigen Jahren entdeckt wurde. Dieses funktioniere bei jungen Menschen deutlich effektiver als im Alter.
Eine Insomnie kann Folge vieler Erkrankungen sein, zum Beispiel von Schmerzen, Epilepsie, Schlaganfall oder chronischen Nieren- und Magen-Darm-Erkrankungen. Apotheker sollten auch an Genussmittel und Medikamente als Ursache denken, zum Beispiel Stimulanzien, Nikotin und Alkohol, Opioide, antriebssteigernde Antidepressiva und Antidementiva, Antihypertensiva, β-Sympathomimetika, Diuretika, Gyrasehemmer und Steroide.
Benzodiazepine und Z-Substanzen hält Förstl nur bei speziellen Indikationen und in Akutsituationen als Schlafmittel für angezeigt. »Probleme entstehen bei längerfristiger Gabe.« Er wies auf den Zusammenhang mit Demenz hin: Wenn das glymphatische System unter Schlafmitteleinfluss nicht richtig arbeiten könne, fördere dies die Progression einer Alzheimer-Erkrankung. Besser geeignet sind laut Förstl Quetiapin und Mirtazapin in niedriger Dosierung, vor allem bei depressiven Patienten mit Schlafstörungen oder bei Menschen in Abhängigkeitssituationen. Man könne auch Agomelatin und Melatonin probieren; diese Stoffe würden »immer interessanter«.