Was ist eine transverse Myelitis? |
Sven Siebenand |
09.09.2020 14:28 Uhr |
Eine transverse Myelitis kann sogar eine Querschnittslähmung auslösen. Steuert man medikamentös gegen, bilden sich die Symptome aber in vielen Fällen wieder zurück. / Foto: Shutterstock/Minerva Studio
Die transverse Myelitis ist eine akute, entzündliche Erkrankung des Rückenmarks. Das körpereigene Immunsystem greift dabei die Myelinscheiden der Nervenzellen im Rückenmark an. Es handelt sich um eine seltene Erkrankung mit einer Inzidenz von 1:250.000 bis 1:1.000.000.
Die Diagnose kann zum Beispiel durch eine Liquorpunktion im Rückenmark oder mithilfe der Kernspintomografie gesichert werden. Symptome der Erkrankung können Muskelspasmen, Schmerzen und die Störung von autonomen Körperfunktionen sein. Auch Querschnittslähmungen sind möglich, daher der Name transverse Myelitis. In vielen Fällen, vor allem bei frühzeitig einsetzender Therapie, bilden sich die Symptome vollständig zurück. In der Akuttherapie werden zum Beispiel Corticoide eingesetzt, auch ein Plasmaaustausch kann in Erwägung gezogen werden. An die Akuttherapie schließt sich eine Therapie zur Wiederherstellung der körperlichen Fähigkeiten an.
Was ist die Ursache der transversen Myelitis? Sie kann ohne bekannte Ursache oder als Folge einer anderen entzündlichen Erkrankung, zum Beispiel der Multiplen Sklerose, auftreten. Zudem kann es durch eine Infektionserkrankung zu einer transversen Myelitis kommen. Bekannt das zum Beispiel vom Polio-Erreger oder dem Enterovirus D68.
Das Warum ist dabei noch nicht vollständig aufgeklärt. Unterschiedliche Mechanismen werden diskutiert: Erstens ist denkbar, dass der Erreger selbst eine Immunreaktionen auslöst, die sich auch gegen körpereigenes Gewebe richtet. Dazu muss er sich allerdings im Rückenmarkt befinden. Zweitens könnte es sein, dass Oberflächenmoleküle des Erregers denen auf körpereigenen Geweben ähneln. Wenn das Immunsystem Antikörper gegen diese Antigene bildet, richten sich diese auch gegen körpereigenes Gewebe. Man spricht in diesem Fall von einem Mimikry-Effekt. Die dritte Hypothese ist die mikrobielle Superantigen-vermittelte Entzündung. Das heißt, Superantigene könnten eine starke T-Zell-Antwort auslösen, bei der auch autoreaktive T-Zellen entstehen können.
Last, but not least ist als Ursache auch die humorale Immunantwort im Gespräch. Wenn der Körper auf eine Infektion mit einer extrem hohen Antikörper-Produktion reagiert, können diese verklumpen und sich ablagern. Dazu kann es auch im Rückenmark kommen, was dort zu entzündlichen Prozessen führen kann. Dieser letztgenannte Mechanismus steht im Zusammenhang mit einem Fallbericht einer Booster-Impfung gegen Hepatitis B.
Bekannt ist, dass humane Adenoviren in seltenen Fällen Entzündungen des zentralen Nervensystems auslösen können. Der Impfstoff von Astra-Zeneca und der Universität Oxford basiert allerdings auf einem Schimpansen-Adenovirus. Dass bei einer Probandin aus Großbritannien tatsächlich eine tranverse Myelitis aufgetreten ist, ist noch nicht vollends bestätigt, die Symptome deuten aber darauf hin, dass dies der Fall sein könnte. Zu klären ist aber noch, ob es wirklich durch die Vakzine dazu gekommen ist. Auch andere Ursachen sind – wie oben beschrieben – möglich.
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