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Gestörte Stoffwechselkontrolle

Was hilft bei Insulinresistenz des Gehirns?

Das Gehirn kann resistent gegen Insulin werden, was die Regulation des Körpergewichts und des Stoffwechsels stört. Folgen sind Übergewicht und Stoffwechselerkrankungen. Lässt sich die zentrale Insulinresistenz durchbrechen? Zwei Ansätze gibt es.
Christina Hohmann-Jeddi
25.05.2022  17:00 Uhr

»Seit einigen Jahren ist bekannt, dass nicht nur die Muskulatur, die Leber und das Fettgewebe Insulinrezeptoren besitzen, sondern auch das Gehirn«, berichtete Professor Dr. Martin Heni vom Universitätsklinikum Ulm beim Fortbildungskongress Pharmacon in Meran. Die zentralen Insulinrezeptoren seien wichtig für die Regulation von Körpergewicht und Nahrungsaufnahme. Und ebenso wie die genannten Organe könne auch das Gehirn insulinresistent werden, sagte der Mediziner.

Um die zentralnervöse Wirkung des Hormons isoliert zu betrachten, kann man es intranasal per Spray verabreichen. Dabei gelangt Insulin ins Gehirn, aber nicht in den Blutstrom; der Blutzuckerspiegel sinkt in der Folge nicht ab. Wie Henis Arbeitsgruppe in einer Reihe von Experimenten zeigen konnte, gibt es im Gehirn verschiedene Areale, die auf Insulin reagieren. Neben dem Hippocampus sind dies präfrontale Areale, die für die inhibitorische Kontrolle des Verhaltens zuständig sind, und der Hypothalamus, die zentrale Kontrollinstanz für den Stoffwechsel im gesamten Körper.

Zentrale Steuerfunktion

Infolge der Bindung von Insulin an seine Rezeptoren im Gehirn werden laut Heni in der Leber die endogene Glucoseproduktion reduziert und gleichzeitig die Sekretion von Insulin aus dem Pankreas stimuliert. Darüber hinaus würden langfristig auch die Kontrolle der Nahrungsaufnahme und des Körpergewichts sowie die Körperfettverteilung und die Gedächtnisleistung beeinflusst. »Von diesem Forschungsbereich werden wir in den nächsten Jahren noch einiges hören«, sagte der Internist.

In Studien habe sich auch gezeigt, dass Insulin im Gehirn nicht bei allen Menschen gleich wirkt. Bei Übergewichtigen habe ein Insulinnasenspray nicht den gleichen Effekt wie bei Schlanken. Die Gehirne von übergewichtigen Personen zeigten eine Insulinresistenz. Wie diese genau zustande komme, sei noch unklar, berichtete Heni. Häufige Insulinspitzen könnten hier eine Rolle spielen. Einer Hypothese zufolge trete die zentralnervöse bereits Insulinresistenz auf, bevor die Insulinsensitivität in der Peripherie nachlasse.

Ist die Insulinresistenz des Gehirns behandelbar? Das Team um Heni untersuchte hierzu zwei therapeutische Ansätze. Als erstes analysierten die Forschenden den Effekt von Sport. Hierfür absolvierten 21 übergewichtige Personen mit zentralnervöser Insulinresistenz über acht Wochen ein strukturiertes Training mit einer Stunde intensiver Bewegung dreimal pro Woche. »Abgenommen haben die Probanden durch die kurze Intervention nicht«, berichtete Heni. Doch das Training veränderte die Insulinempfindlichkeit im Striatum. Das Gehirn reagierte auf die intranasale Insulingabe nach dem Sportprogramm so wie das Gehirn von Schlanken.

Und auch eine zweite Maßnahme zeigte in einer Pilotstudie Erfolg: das Antidiabetikum Empagliflozin. Als SGLT-2-Hemmer verbessere es die Insulinempfindlichkeit im Körper, berichtete Heni. Daher untersuchte sein Team, ob die Gabe von Empagliflozin (25 mg/Tag für acht Wochen) auch eine Wirkung auf die Insulinsensitivität im Gehirn hat. »Nach den acht Wochen hatte sich die Insulinresistenz im Hypothalamus bei den meisten Probanden gebessert«, sagte der Internist. Bei den Personen, die auf die Intervention ansprachen, sei auch das Leberfett und das viszerale Fett zurückgegangen. Ein Teil der positiven Effekte dieser Wirkstoffgruppe vor allem auf die Leber könne zentralnervös vermittelt werden. Interessant sei, dass die SGLT-2-Rezeptoren nicht nur in der Niere, sondern auch im Gehirn vorkämen. Ob der Wirkstoff über diese im Gehirn wirke, müsse aber noch genauer untersucht werden.

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