Was hat One Health mit Pharmazie zu tun? |
Die Gesundheit von Ökosystemen hat auch direkten Einfluss auf den pharmazeutischen Fortschritt. Eine Vielzahl heutiger Arzneimittel basiert auf Naturstoffen, insbesondere bei der Therapie von Krebs und Infektionskrankheiten (12). In den vergangenen 30 Jahren handelte es sich bei schätzungsweise 50 Prozent der zugelassenen Wirkstoffe um Naturstoffe oder um davon abgeleitete Moleküle, also Naturstoffderivate (13). Auch in der Landwirtschaft spielen Naturstoffe unter anderem bei der Entwicklung von Pflanzenschutzmitteln eine wichtige Rolle.
Vor diesem Hintergrund könnte sich der aktuell voranschreitende Biodiversitätsverlust negativ auf das Finden und die Entwicklung neuer Wirkstoffe auswirken. Mit dem Erhalt der Biodiversität auf unserem Planeten hingegen bleibt auch die Fülle an zu entdeckenden Naturstoffen mit pharmakologischen Wirkungen erhalten und erweitert damit die Möglichkeiten in der Wirkstoffentwicklung.
Wie bereits erwähnt, ist die Mehrheit der Infektionskrankheiten des Menschen tierischen Ursprungs, wobei der Anteil bei neu auftretenden Erregern bei mehr als 75 Prozent liegt (1). In tierischen Reservoiren findet sich eine Vielzahl von teils noch unbekannten Erregern. Epidemien und Epizootien, also das Auftreten seuchenhafter Erkrankungen bei Menschen beziehungsweise Tieren, stellen eine große Bedrohung für die Gesundheit von Menschen und Tieren weltweit dar, insbesondere, wenn sie sie sich zu globalen Ereignissen wie Pandemien oder Panzootien ausweiten.
Forschung im Sinne des One-Health-Ansatzes bedeutet auch interdisziplinäre Zusammenarbeit. / Foto: Getty Images/Yuri_Arcurs
Die Kosten für die Eindämmung einer solchen Pandemie sind deutlich höher als Investitionen in präventive Maßnahmen und steigen mit der Ausbreitung und dem Schweregrad (14). Die Schnelligkeit des Einsatzes von Interventionsmaßnahmen ist essenziell bei der Pandemiebekämpfung.
Zur schnelleren Entwicklung von Wirkstoffen gegen jegliche Erreger kann eine Zusammenarbeit der Fachdisziplinen Pharmazie, Human- und Veterinärmedizin einen signifikanten Mehrwert bieten. Für neu auftretende Erreger wie das West-Nil-Virus in Deutschland gibt es beispielsweise bereits einen zugelassenen Impfstoff für Pferde (15) sowie erste Impfstudien mit Zoovögeln (16). Die hier gesammelten Informationen können für die Impfstoffentwicklung beim Menschen wertvoll sein.
Zur Bekämpfung zoonotischer Erreger sind zudem koordinierte Impfstrategien bei Menschen und Tieren von Relevanz, da eine Eradikation eines Erregers in der menschlichen Population bei weiterer Zirkulation im Tierreservoir meist nur von kurzer Dauer ist. Zudem können durch gemeinsame Impfstrategien häufig Kosten gespart werden. Ein Beispiel hierfür ist die Bekämpfung der Tollwut, welche durch die Vakzinierung von Hunden stark vorangetrieben werden kann (17).
Im Krisenfall sollte darüber hinaus die Bündelung von Kapazitäten und Kompetenzen von Pharmazie, Veterinär- und Humanmedizin bei der Produktion und Verteilung von Impf- und Wirkstoffen möglich sein, um alle Patienten effizient versorgen zu können. Hier hat die Covid-19-Pandemie nach anfänglichem Zögern des Gesetzgebers letztlich durch Erweiterung des Infektionsschutzgesetzes zu einer gesetzlichen Grundlage bezüglich Diagnostik und Impfung geführt, die nun auf andere Infektionen ausgedehnt werden sollte.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.