Was bei Senioren zu beachten ist |
Die Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz wird trotz ihrer hohen Bedeutung für den Patienten häufig vernachlässigt. So finden sich nicht angepasste Dosierungen im ambulanten Bereich bei bis zu 37 Prozent der Patienten und in Heimen bei bis zu 43 Prozent (22). Dies bedingt ein erhöhtes Risiko für UAW.
Ausreichend trinken ist aktiver Nierenschutz. / Foto: Adobe Stock/Gina Sanders
Informationen zur Dosisanpassung bei chronischer Niereninsuffizienz können auf der Website »Dosing« des Universitätsklinikums Heidelberg recherchiert werden. Dort finden sich arzneistoffbezogene Angaben zur Dosierung und zum klinischen Management abhängig von der Nierenfunktion des Patienten. Insbesondere wenn die Kreatinin-Clearance unter 50 ml/min und der extrarenal ausgeschiedene Anteil des Arzneimittels unter 0,5 liegt, sollte die Dosis zwingend angepasst werden.
Für die direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) gibt es ein zusätzliches Tool (über dosing.de oder direkt über easydoac.de). Die Datenbank berücksichtigt nicht nur die Kreatinin-Clearance, sondern auch weitere Kriterien wie Indikation, Alter, Gewicht oder Komedikation.
Bei einer Leberinsuffizienz muss zuerst festgestellt werden, ob der Arzneistoff einem hohen First-Pass-Effekt unterliegt. Man spricht dann von »High extraction drugs« (Tabelle 4). Da bei einer Leberinsuffizienz ein deutlich geringerer Anteil des Arzneistoffs bei der ersten Leberpassage eliminiert wird, nehmen die Bioverfügbarkeit und damit das UAW-Risiko zu (Abbildung 2) (12). Nimmt ein Patient mit Leberinsuffizienz ein solches Arzneimittel peroral ein, sollten sowohl die Initial- als auch die Erhaltungsdosis reduziert werden. Als Richtwert gelten 25 bis 50 Prozent der Initialdosis und 50 Prozent der Erhaltungsdosis, die man dann vorsichtig erhöhen kann.
Arzneistoffgruppe | Wirkstoffe (Beispiele) |
---|---|
Analgetika | Morphin, Pentazocin |
Antianginosa | Isosorbiddinitrat, Glyceroltrinitrat |
Antidepressiva | Doxepin, Imipramin, Mianserin, Sertralin, Trimipramin, Venlafaxin |
Antimigränemittel | Sumatriptan |
Antineoplastika und Immunsuppressiva | Ciclosporin, Fluorouracil, Mercaptopurin, Tacrolimus |
Antipsychotika | Chlorpromazin, Quetiapin, Perphenazin |
Betablocker | Metoprolol, Propranolol |
Calciumkanalblocker | Nicardipin, Verapamil |
Hypnosedativa, Anxiolytika | Buspiron, Clomethiazol, Zaleplon |
Phosphodiesterasehemmer | Sildenafil |
Statine | Fluvastatin, Lovastatin |
Auch bei »Low extraction drugs«, die keinen First-Pass-Effekt aufweisen, darf eine Leberinsuffizienz nicht ignoriert werden. In diesem Fall bleibt die Initialdosis unverändert; allerdings sollte die Erhaltungsdosis ebenfalls halbiert und anschließend nur vorsichtig erhöht werden.
Als Quelle für die Dosisanpassung bei Leberinsuffizienz eignet sich die niederländische Datenbank »Drugs in liver cirrhosis«. Dort finden sich für viele Arzneistoffe – je nach der Child-Pugh-Klassifikation des Patienten – Informationen zur Sicherheit der Anwendung sowie Empfehlungen zur Dosisanpassung.
Abbildung 2: Auswirkungen einer Leberzirrhose auf die Pharmakokinetik von High extraction drugs (links) und Low extraction drugs; modifiziert nach (12) S. 372 / Foto: PZ/Stephan Spitzer