Warum Homöopathie niemanden kaltlässt |
Cornelia Dölger |
11.01.2024 16:30 Uhr |
Unterstützung bekam Lauterbach heute aus der Ampelfraktion. Wie der FDP-Gesundheitsexperte Lars Lindemann der PZ mitteilte, sei der geplante Schritt »längst überfällig«. Zwar dürfe jeder, der Leistungen in Anspruch nehmen möchte, für die es keine wissenschaftliche Evidenz gibt, diese bekommen, sagte der für Apotheken zuständige Berichterstatter der FDP. Schließlich lebe man in einem freien Land. Allerdings: »Eine Bezahlung solcher Leistungen durch die Solidargemeinschaft kann man sich zwar wünschen, entspricht aber nicht ihrer Aufgabe.«
Auch der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, begrüßte den Vorstoß. »Es ist richtig, Homöopathie als Kassenleistung abzuschaffen«, sagte Gassen der »Rheinischen Post« (Freitagausgabe). Es spiele dabei keine Rolle, ob es sich um kleine oder große Summen handele, sondern es gehe ums Prinzip, so Gassen. »Leistungen, die allen Versicherten angeboten werden, müssen evidenzbasiert ihren Nutzen belegen.«
Der Umgang mit Homöopathie berührt ganz offensichtlich. Das Thema ist emotional höchst aufgeladen – von einem Konsens über den Umgang damit ist man weit entfernt. Bezeichnenderweise verläuft einer Umfrage aus dem vergangenen Mai zufolge die Grenze zwischen Für- und Gegensprechern ziemlich genau in der Mitte der Bevölkerung in Deutschland. Demnach wertet etwa mehr als die Hälfte der Deutschen homöopathische oder anthroposophische Arzneimittel als (eher) positiv. Frauen sind demgegenüber mit 62 Prozent aufgeschlossener als Männer (47 Prozent). Die Umfrage, an der mehr als 1000 Befragte teilnahmen, hatte der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) in Auftrag gegeben.
Auch bei den Heilberuflern ist die Homöopathie umstritten. Der Deutsche Ärztetag beschloss im Mai 2022, dass die Ärztekammern in Zukunft keine Weiterbildungen mehr für Homöopathie anbieten. Es gebe keine wissenschaftlichen Belege dafür, die Homöopathie guten Gewissens in der Weiterbildung zu behalten, hieß es. Im Januar 2023 ließ die AOK Plus verlauten, dass sie ab 1. April nicht mehr die Kosten für homöopathische Behandlungen bei Kassenärzten in Thüringen und Sachsen übernimmt.
Eine längere Diskussion bei den Apothekern gab es zuletzt beim Deutschen Apothekertag 2022 in München. Die Kammer Berlin hatte beantragt, die Zusatzbezeichnung »Naturheilverfahren und Homöopathie« der Musterweiterbildungsordnung in »Phytopharmazie und Naturheilkunde« umzubenennen. Der Titel suggeriere, dass die Homöopathie evidenzbasiert sei. Thomas Benkert, Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), räumte damals ein: »Mir ist bewusst, dass Homöopathie nach wie vor ein Reizthema ist. Dennoch müssen wir interessierten Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit geben, sich über dieses Thema fundiert zu informieren.«
Auch der pharmazeutische Nachwuchs steht der Homöopathie kritisch gegenüber; das machte der Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) zuletzt im vergangenen Mai in einem Positionspapier deutlich.