Wann Antibiotika wirklich nötig sind |
Kinder, die an bestimmten schweren chronischen Krankheiten leiden, können dauerhaft auf Antibiotika angewiesen sein. Ein Beispiel ist die angeborene Multiorganerkrankung Mukoviszidose (Zystische Fibrose, CF). Bei der autosomal-rezessiv vererbten Erkrankung ist der epitheliale Ionenkanal CFTR (Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator) in der Funktion beeinträchtigt oder fehlt ganz. Die Patienten sind dadurch anfällig für chronische bakterielle Infektionen des bronchopulmonalen Systems. Bei Kindern sind die häufigsten Erreger Staphylococcus aureus und Haemophilus influenzae.
Daher inhalieren die meisten CF-Patienten ganzjährig oder intermittierend Antibiotika. Bei einer akuten Verschlechterung (Exazerbation) kommen meistens intravenöse oder orale Antibiotika hinzu. Bei Pseudomonas-aeruginosa-Infektionen sind Ciprofloxacin und Levofloxacin wirksam. In der S3-Leitlinie »Lungenerkrankung bei Mukoviszidose: Pseudomonas aeruginosa« aus 2022 finden sich Behandlungsschemata und Dosierempfehlungen für geeignete Antibiotika (25, 26).
Die Verordnung eines Antibiotikums kann Eltern verunsichern. Manche befürchten unerwünschte Wirkungen wie nachhaltige Veränderungen des kindlichen Mikrobioms. Völlig ausschließen kann man Nebenwirkungen zwar bei keiner Therapie, doch das Apothekenteam kann über die Nutzen-Risiko-Abwägung aufklären und beruhigen. Zudem kann es zur prophylaktischen Einnahme eines Probiotikums beraten (Kasten).
Bei jedem Antibiotikum ein Probiotikum: Wie gut ist diese Empfehlung für pädiatrische Patienten? Das überprüften Autoren 2019 in einem Cochrane-Review, für den sie 23 Studien mit 6352 Kindern auswerteten (30, 31). Die Teilnehmer wendeten Probiotika (Lactobacillispp., Bifidobacterium spp., Streptococcusspp. oder Saccharomyces boulardii allein oder in Kombination), Placebos, keine oder andere Behandlungen zur Vorbeugung von Antibiotika-assoziierter Diarrhö (AAD) an. Probiotika konnten pro neun behandelten Kindern einen Fall von Durchfall verhindern. Präparate mit höherer Dosis (≥ 5 Milliarden KBE pro Tag) schienen besser wirksam zu sein als niedriger dosierte Präparate. Die beste Wirksamkeit zeigten Lactobacillus rhamnosus und Saccharomyces boulardii bei 5 bis 40 Milliarden KBE/Tag.
Eine allgemeine Empfehlung wollten die Autoren jedoch nicht geben. Zwar scheinen gesunde Kinder Probiotika gut zu vertragen. Selten wurden Nebenwirkungen wie Ausschlag, Übelkeit, Blähungen oder Verstopfung berichtet. Bei stark geschwächten oder immunschwachen Kindern mit Risikofaktoren, Grunderkrankungen oder Zentralvenenkatheter traten aber schwere Nebenwirkungen auf, weshalb Probiotika nicht allgemein empfohlen werden sollten.
Antibiotika-Zubereitungen sind im flüssigen Zustand nicht lange haltbar und sind daher oft als Trockensaft im Handel. Die (gefrier)getrockneten Inhaltsstoffe müssen kurz vor Gebrauch in Wasser gelöst oder suspendiert werden (28, 29). Viele Eltern freuen sich, wenn das Apothekenteam den Saft als Serviceleistung für sie anmischt. Vorab verrät ein Blick in die Gebrauchsanweisung, ob man Leitungswasser verwenden kann oder ob speziell gereinigtes Wasser erforderlich ist. So braucht man zum Beispiel mineralarmes Wasser, wenn das Antibiotikum mit Calcium- und Magnesiumsalzen aus hartem Leitungswasser nicht resorbierbare Komplexe bildet.
Im ersten Schritt wird das Pulver durch Klopfen aufgelockert. Das Wasser wird portionsweise – meistens in zwei Gaben – zugegeben; zwischendurch wird die Flasche kräftig geschüttelt. Die erste Wasserzugabe sollte nicht zu gering sein, da sich sonst trockenes Pulver an Wand oder Boden in einem Film einschließen kann. Wenn sich beim Schütteln Schaum bildet, muss dieser erst zerfallen, bevor bis zur Markierung aufgefüllt wird.
Wichtig ist es, das Herstelldatum auf die Flasche zu schreiben. Die vom Arzt auf dem Rezept dokumentierte Dosierung ist ebenfalls auf die Umverpackung des Arzneimittels zu übertragen. Vor jeder Entnahme wird die Flasche kräftig geschüttelt, da sich Pulver absetzen kann. Wenn dabei Schaum entsteht, können Eltern mit einer Dosierspritze das Arzneimittel ohne Schaum entnehmen. Der Abstand zwischen den einzelnen Einnahmen sollte möglichst genau eingehalten werden, um optimale Wirkstoffspiegel im Körper sicherzustellen.
Gute Aufklärung in der Apotheke kann viele Bedenken der Eltern vor Nebenwirkungen zerstreuen. / Foto: ABDA
Bei Kindern können Milch und Milchprodukte einen hohen Stellenwert in der Ernährung haben. Hier ist der Hinweis wichtig, dass Tetracycline und Fluorchinolone bei gleichzeitiger Einnahme mit Milch vermindert wirksam sind. Sie bilden zusammen mit zwei- und dreiwertigen Metallionen wie Calcium-, Magnesium-, Zink-, Eisen- und Aluminium-Ionen stabile Chelatkomplexe. Die Komplexe sind nicht resorbierbar. In der Folge werden die benötigten Konzentrationen der Antibiotika im Blut nicht erreicht.
Für eine genaue Dosierung stellen Hersteller meistens skalierte Applikationsspritzen oder Messbecher mit dem Antibiotikum zur Verfügung. Eltern sollten immer die Messhilfe verwenden, die der Packung beiliegt. Am genauesten lassen sich Säfte mit einer Spritze (ohne Nadel) dosieren. Säuglingen können Eltern das Arzneimittel daraus direkt in den Mund verabreichen.
Einige Antibiotika wie Tetracycline machen die Haut lichtempfindlicher. Das Apothekenteam sollte die Eltern informieren, dass ihr Kind während der Therapie Sonneneinstrahlung am besten meiden oder ein Sonnenschutzmittel verwenden soll.
Antibiotika sollten stets so lange wie verordnet eingenommen werden. Werden sie zu früh abgesetzt, können sich Resistenzen entwickeln. Reste müssen entsorgt werden. Eltern können sie dazu in der Apotheke abgeben. Antibiotika sind nur für den aktuellen Krankheitsfall vorgesehen. Die Arzneimittel aus Angst vor einem Mangel für zukünftige Krankheiten aufzubewahren oder an andere Personen weiterzugeben, ist nicht sinnvoll und kann sogar schaden (27).
Nicole Schuster studierte zwei Semester Medizin, dann Pharmazie und Germanistik in Bonn und später in Düsseldorf. Während ihres Studiums machte sie Praktika bei verschiedenen wissenschaftlichen Verlagen. Nach der Approbation absolvierte Schuster ein Aufbaustudium in Geschichte der Pharmazie in Marburg und wurde 2016 zum Doktor der Naturwissenschaften promoviert. Die PZ-Leser kennen Schuster als Autorin zahlreicher Fachbeiträge.