Von Substitution bis Immunmodulation |
Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) ist eine seltene, aber schwere und fulminant verlaufende immunvermittelte Neuropathie, die sich bei 70 Prozent aller Patienten nach Infektion mit Erregern wie Campylobacter jejuni entwickelt (12). GBS gilt in der westlichen Welt als häufigste Ursache für akute neuromuskuläre Paralysen und muss multidisziplinär behandelt werden. Zwar haben etwa 80 Prozent der Patienten eine gute Prognose, allerdings ist die Mortalität mit etwa 20 Prozent hoch (12).
Neben ivIG (2 g/kg über fünf Tage verteilt) gilt auch die Plasmapherese als Standardtherapie des GBS und wird hier als Alternative zur Ig-Substitution betrachtet, nicht zuletzt auch angesichts von Lieferengpässen (8). Laut pharmakologischer Studien sollen die Effekte vergleichbar und besser als eine reine Supportivtherapie sein; allerdings ist die Plasmapherese mit einem höheren technischen Aufwand verbunden.
Neben direkten Vergleichen zeigen Studien auch, dass Corticosteroide den Effekt der ivIG nicht signifikant verbessern können. Eine abschließende Bewertung steht aber noch aus (8, 12).
Antimikrobielle Resistenzen (AMR) gelten inzwischen als eines der großen Global-Health-Probleme. Zu den Problemkeimen gehören unter anderem β-Lactam-resistenter Streptococcus pneumoniae, Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA), Carbapenem-resistente Klebsiella-Spezies, resistenter Escherichia coli, Clostridium difficile, Mycobacterium tuberculosis und Candida auris (5).
In einem neuen Ansatz untersuchen Forscher nun, ob ivIG die körpereigenen Immunitätsmechanismen im Sinne einer passiven Immunisierung steigern können, um pathogene Mikroorganismen zu eliminieren und Antibiotika reduzieren zu können (5). Dabei werden verschiedene Mechanismen diskutiert, zum Beispiel die Neutralisierung von Mikroben, Toxinen und Superantigenen durch Rezeptorblockade, die Blockade der Internalisierung und eine verbesserte Opsonisierung vor Phagozytose der Erreger. Weiterhin wird eine antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität (ADCC) mittels NK-Zellen vermutet, die virusinfizierte Zellen abzutöten vermag und zur verbesserten Immunstimulation durch Antigene führen könnte. Außerdem wird diskutiert, ob ivIG aktivierte Komplementfaktoren blockieren und überschießende Immunreaktionen bremsen können (5).
Die Vor- und Nachteile der ivIG-Therapie werden weiter untersucht. Projekte hierzu sind bereits ein Teil der europäischen Initiative zur Bekämpfung von AMR (5).
Eva Gottfried ist Diplom-Biologin und Übersetzerin. Sie studierte an der Universität Heidelberg und schloss 1994 ihre Diplomarbeit am DKFZ Heidelberg ab. Ihre Promotionsarbeit fertigte sie am Institut für Immunologie der LMU München an. Dr. Gottfried arbeitete viele Jahre als wissenschaftliche Assistentin am Uniklinikum Regensburg im Bereich Hämatologie/Onkologie und habilitierte sich dort in Experimenteller Medizin mit einer Arbeit zur Modulation der Immunantwort im Tumormilieu. Seit 2014 arbeitet sie als Selbstständige in der Wissenschaftskommunikation und im Medical Writing.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.