Von Substitution bis Immunmodulation |
Die Substitutionstherapie wurde in den 1950er-Jahren von Ogden Carr Bruton für Patienten mit einer Form von X-chromosomal vererbter Agammaglobulinämie (Bruton-Syndrom, Morbus Bruton) entwickelt.
Anfangs wurden die Arzneimittel subkutan verabreicht (1). Dies wurde vorübergehend von der intramuskulären Applikation abgelöst, die aufgrund ihrer Schmerzhaftigkeit und ihres ungenügenden Wirkspiegels in den 1980er-Jahren wiederum durch die ivIG ersetzt wurde. Dabei steigt der Ig-Spiegel kurz nach Applikation deutlich an und fällt anschließend über drei bis vier Wochen wieder ab, sodass die Auffrischung in Klinik oder Praxis im Drei- bis Vier-Wochen-Rhythmus erfolgen muss. Wichtig ist, dass der Talspiegel nicht unter 4,5 g/L fällt (1, 4, 6).
Immunglobuline werden meist intravenös appliziert. Es gibt aber auch Arzneimittel zur subkutanen Selbstanwendung. / © Adobe Stock/Firma V
Seit 2003 sind auch Präparate zur subkutanen Applikation (scIG) mittels Infusionspumpe als Heimtherapie bei bestimmten Indikationen zugelassen (1, 6). Nach umfassender Einweisung injiziert sich der Patient die Medikation einmal wöchentlich. Die Nadel-Katheter-Systeme sind individuell anpassbar. Bei guter Therapietreue wird ein gleichbleibender Spiegel auf niedrigem Niveau (etwa 7 g/L) mit nur geringer Fluktuation erreicht (1, 4).
Vorteile der subkutanen Therapie wie mehr Freiheiten für die Patienten und weniger systemische Nebenwirkungen müssen sorgfältig mit deren Fähigkeit zur Eigenverantwortung und Compliance sowie Überwindung beim Spritzen abgewogen werden (1, 6). Laut S3-Leitlinie zur Therapie primärer Antikörpermangelerkrankungen (gültig bis Oktober 2023, in Überarbeitung) werden die verschiedenen polyvalenten Ig-Präparate unterschiedlicher Hersteller als weitgehend gleichwertig in der Wirksamkeit angesehen (6).
Immunglobulin-Präparate zeigen inzwischen ein sehr gutes Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil, unabhängig von der Applikationsart (1). Es wird unter anderem beeinflusst von Salzgehalt, IgA-Anteil, Hilfsstoffen und Fließeigenschaften; darüber hinaus spielen Patientenfaktoren wie Begleiterkrankungen und weitere Medikation eine wichtige Rolle (1).
So kommt es bei ivIG nur noch selten zu leichten systemischen Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Fieber, Bauch- und Rückenschmerzen oder Hitzegefühl. Bei subkutaner Gabe treten diese noch seltener auf, weil die Immunglobuline nicht direkt in die Blutbahn gespritzt werden und der Spiegel bei guter Compliance stabiler ist. Dafür kommt es bei subkutaner Applikation häufiger zur Lokalreaktionen mit Rötung, Schwellung oder Juckreiz an der Einstichstelle (1).
Viele Reinigungsschritte haben das Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil der Präparate unabhängig von der Applikationsart deutlich verbessert. / © Adobe Stock/Robert Kneschke
Auch allergische Reaktionen und andere schwere Nebenwirkungen wie Quaddeln und Juckreiz, Schwindel, Herzklopfen, Kaltschweißigkeit, Schüttelfrost, Husten, Atemnot und Blutdruckabfall treten bei ivIG nur noch selten auf, bei scIG sogar sehr selten. Allerdings kommt es je nach Studie bei 1 bis 19 Prozent der Patienten zur Hämolyse, was insbesondere mit dem Auftreten von Isoagglutininen (Isohämagglutinine) im Zusammenhang steht. Dann muss die Infusion sofort abgebrochen und der Patient mit Corticosteroiden behandelt werden (1, 6).
Isoagglutinine sind gegen Blutgruppenantigene gerichtete Antikörper (anti-A-/anti-B-IgG-Antikörper), die im Plasma der meisten Spender natürlich vorkommen. Nur Spender der Blutgruppe AB (5 Prozent) sind frei davon (7). Zur Verbesserung der Sicherheit werden Isoagglutinine heutzutage schon bei der Produktion von polyvalenten IG um bis zu 90 Prozent reduziert (7).
In den Anfängen der Immunglobulin-Therapie bestand auch ein erhöhtes Risiko für thromboembolische Ereignisse (TEE) mit Blutgerinnseln in Gliedmaßen, Lunge und Gehirn. Deren Ursache lag im Gerinnungsfaktor XI, der zur Agglutination beiträgt. Seitdem die Hersteller eine reduzierte Gerinnungsaktivität ihrer Produkte nachweisen müssen, treten nur noch sehr selten TEE auf (2).
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.