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Polyvalente Immunglobuline

Von Substitution bis Immunmodulation

Polyvalente Immunglobuline gehören zu den wenigen Fertigarzneimitteln, deren Wirkstoffe humanen Ursprungs sind. Herstellung und Dokumentation erfolgen strikt geregelt. Die Immunglobulin-Substitution bei Antikörpermangel ist gut etabliert; die Anwendung zur Immunmodulation bei Autoimmunerkrankungen nimmt immer mehr zu.
Eva Gottfried
03.11.2024  08:00 Uhr

Humane polyvalente Immunglobuline unterscheiden sich von vielen anderen Antikörperprodukten mit Blick auf Zusammensetzung, Herstellung und Anwendung. Es handelt sich um Konzentrate homologer (humaner) IgG-Antikörper, die in geringen Mengen auch IgA, IgE und IgM enthalten. Aus dem Plasma von Tausenden von Spendern gewonnen, können sie intravenös (ivIG) oder subkutan (scIG) appliziert werden. Die Immunglobulin-Ersatztherapie (Substitutionstherapie, Replacement-Therapie) bei primärem und sekundärem Antikörpermangel ist bewährte Praxis; der Wirkmechanismus zur Immunmodulation bei Autoimmunerkrankungen ist nach wie vor strittig (1, 2).

Trotz inzwischen guter Verträglichkeit sind seltene Nebenwirkungen, insbesondere Hämolyse, im Blick zu behalten. Eine gute Dokumentation bei Herstellung und Abgabe ist essenzieller Bestandteil der Sicherheitsmaßnahmen (1, 2).

Antikörper (Immunglobuline, Ig) werden im gesunden Körper von Plasmazellen gebildet, die sich aus Antigen-stimulierten B-Zellen entwickeln. Durch Mechanismen wie Antikörperselektion und Klassenwechsel (class switch), Affinitätsreifung und Bildung von Gedächtnis-B-Zellen verfügt der Körper über eine riesige Palette von Antikörpern gegen unterschiedlichste Antigene. Diese bilden eine wichtige Säule der humoralen Immunantwort. Von den fünf Antikörper-Isotypen des Menschen sind IgM, IgG und IgA die häufigsten, wohingegen IgE und IgD in geringen Mengen im Serum vorkommen (3, 4).

Eine manifeste Infektanfälligkeit mit rezidivierenden schweren Infektionen gilt als Warnsignal für Immundefekte, die häufig auf Antikörpermangel basieren, aber auch in T-Zell- oder Regulationsdefekten begründet sein können (3). Die Substitutionstherapie ist eine der wichtigsten Indikationen für polyvalente Immunglobuline. Doch zunächst ein Blick auf Herstellung und Prüfung dieser Arzneimittel.

Antikörper ist nicht gleich Antikörper

Wie der physiologische Antikörperpool enthalten auch polyvalente Immunglobulin-Präparate eine immense Menge an Antikörpern, die gegen ebenso viele verschiedene Antigene gerichtet sind. Hierin unterscheiden sie sich von Hyperimmunglobulin-Präparaten (HRIG), die zur passiven Immunisierung, jeweils gegen ein spezielles Antigen dienen. Beispiele sind HRIG gegen Tollwut-Erreger zur Immunisierung nach akutem Kontakt und bei unklarem Impfschutz oder HRIG gegen SARS-CoV-2, die zu Beginn der Pandemie aus Rekonvaleszentenplasma isoliert und zur passiven Immunisierung getestet wurden (5).

Polyvalente Immunglobulin-Präparate können labortechnisch nicht hergestellt werden wie monoklonale Antikörper der Krebs- und Immuntherapie, sondern müssen aus humanem Spenderplasma gewonnen werden. Nicht zu verwechseln sind sie mit dem Serum von spezifisch immunisierten Mäusen oder Kaninchen, das polyklonale Antikörper für den Einsatz in Forschung und Diagnostik enthält (4).

Gewinnung polyvalenter IG

Polyvalente Immunglobuline zählen zur Gruppe der Plasmaderivate und werden in einem aufwendigen Verfahren in Chargen aus gepooltem Blutplasma mehrerer Tausend Spender gewonnen (Kasten) (1, 2). Das Produktionsverfahren beruht in seinen Grundzügen auf der Plasmafraktionierung und wird nach seinem Erfinder Erwin J. Cohn (1892 bis 1953) bezeichnet. Es umfasst grob die Schritte (2):

  • Gewinnung von Plasma durch Plasmapherese oder Vollblutspende,
  • Poolen und Testen von 1000 bis 10.000 Einzelspenden,
  • Fraktionieren, Reinigen und Konzentrieren der Immunglobuline,
  • abschließende Überprüfungen, insbesondere mit Blick auf die Virussicherheit.

Bei den Fraktionierungs-, Reinigungs- und Konzentrationsschritten werden physikalische und chemische Parameter wie Temperatur, pH-Wert, Ethanolkonzentration und Salzgehalt mehrfach variiert und dabei die Immunglobuline in Fraktion II angereichert. Gerinnungsfaktoren und Albumin werden in anderen Fraktionen gefällt (2). Mittels Octansäure und Lagerung bei niedrigem pH-Wert werden Plasmafette abgetrennt, die Fraktionen mittels Chromatografie getrennt und unerwünschte IgA- und IgM-Antikörper entfernt (2, 4). Partikel, Bakterien und Pilze werden mithilfe von Steril- und Nanofiltern entfernt. Zur Inaktivierung und Entfernung von umhüllten und nicht umhüllten Viren sind mindestens zwei unabhängige Schritte vorgeschrieben, sei es mittels Solvens-Detergens-Behandlung (S/D), Trockenhitze/Dampf, Caprylsäure-Behandlung, Ionenaustauschchromatografie (IEC), niedrigem pH (etwa pH 4) oder Nanofiltration (20 bis 35 nm) (4).

Um die Sicherheit zu garantieren, müssen die Produkte frei sein von viralen Erregern wie Hepatitis-A-, -B- und -C-Virus, HIV-1 und -2 oder Parvovirus B19 sowie von Prionen als Erreger von Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung und ihren Varianten (CJD, vCJD) (2, 4).

In der anschließenden chromatografischen Aufreinigung werden die eingesetzten Chemikalien wieder entfernt (2, 4) und die Antikörper durch den Zusatz von Zuckermolekülen oder Aminosäuren wie L-Prolin für den Einsatz bei Raumtemperatur und Lagerung für etwa zwei bis drei Jahre stabilisiert (2, 4).

Standardpräparate mit polyvalenten Immunglobulinen enthalten mehr als 90 Prozent Antikörper vom Subtyp IgG und nur kleinste Mengen IgM und IgA (weniger als 5 Prozent). Anders ist es bei Hyperimmunglobulin oder Hyperimmunplasma für besondere Zwecke, die zum Beispiel für IgA oder IgM gegen Tollwut-Erreger speziell angereichert sind (2, 4).

In Europa sind Ig-Präparate in verschiedenen Konzentrationen zugelassen: 5 Prozent und 10 Prozent für die intravenöse Applikation sowie 10, 16 und 20 Prozent für die subkutane Applikation (1, 2, 4).

Intravenös oder subkutan

Die Substitutionstherapie wurde in den 1950er-Jahren von Ogden Carr Bruton für Patienten mit einer Form von X-chromosomal vererbter Agammaglobulinämie (Bruton-Syndrom, Morbus Bruton) entwickelt.

Anfangs wurden die Arzneimittel subkutan verabreicht (1). Dies wurde vorübergehend von der intramuskulären Applikation abgelöst, die aufgrund ihrer Schmerzhaftigkeit und ihres ungenügenden Wirkspiegels in den 1980er-Jahren wiederum durch die ivIG ersetzt wurde. Dabei steigt der Ig-Spiegel kurz nach Applikation deutlich an und fällt anschließend über drei bis vier Wochen wieder ab, sodass die Auffrischung in Klinik oder Praxis im Drei- bis Vier-Wochen-Rhythmus erfolgen muss. Wichtig ist, dass der Talspiegel nicht unter 4,5 g/L fällt (1, 4, 6).

Seit 2003 sind auch Präparate zur subkutanen Applikation (scIG) mittels Infusionspumpe als Heimtherapie bei bestimmten Indikationen zugelassen (1, 6). Nach umfassender Einweisung injiziert sich der Patient die Medikation einmal wöchentlich. Die Nadel-Katheter-Systeme sind individuell anpassbar. Bei guter Therapietreue wird ein gleichbleibender Spiegel auf niedrigem Niveau (etwa 7 g/L) mit nur geringer Fluktuation erreicht (1, 4).

Vorteile der subkutanen Therapie wie mehr Freiheiten für die Patienten und weniger systemische Nebenwirkungen müssen sorgfältig mit deren Fähigkeit zur Eigenverantwortung und Compliance sowie Überwindung beim Spritzen abgewogen werden (1, 6). Laut S3-Leitlinie zur Therapie primärer Antikörpermangelerkrankungen (gültig bis Oktober 2023, in Überarbeitung) werden die verschiedenen polyvalenten Ig-Präparate unterschiedlicher Hersteller als weitgehend gleichwertig in der Wirksamkeit angesehen (6).

Maßnahmen bei Herstellung senken Nebenwirkungen

Immunglobulin-Präparate zeigen inzwischen ein sehr gutes Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil, unabhängig von der Applikationsart (1). Es wird unter anderem beeinflusst von Salzgehalt, IgA-Anteil, Hilfsstoffen und Fließeigenschaften; darüber hinaus spielen Patientenfaktoren wie Begleiterkrankungen und weitere Medikation eine wichtige Rolle (1).

So kommt es bei ivIG nur noch selten zu leichten systemischen Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Fieber, Bauch- und Rückenschmerzen oder Hitzegefühl. Bei subkutaner Gabe treten diese noch seltener auf, weil die Immunglobuline nicht direkt in die Blutbahn gespritzt werden und der Spiegel bei guter Compliance stabiler ist. Dafür kommt es bei subkutaner Applikation häufiger zur Lokalreaktionen mit Rötung, Schwellung oder Juckreiz an der Einstichstelle (1).

Auch allergische Reaktionen und andere schwere Nebenwirkungen wie Quaddeln und Juckreiz, Schwindel, Herzklopfen, Kaltschweißigkeit, Schüttelfrost, Husten, Atemnot und Blutdruckabfall treten bei ivIG nur noch selten auf, bei scIG sogar sehr selten. Allerdings kommt es je nach Studie bei 1 bis 19 Prozent der Patienten zur Hämolyse, was insbesondere mit dem Auftreten von Isoagglutininen (Isohämagglutinine) im Zusammenhang steht. Dann muss die Infusion sofort abgebrochen und der Patient mit Corticosteroiden behandelt werden (1, 6).

Isoagglutinine sind gegen Blutgruppenantigene gerichtete Antikörper (anti-A-/anti-B-IgG-Antikörper), die im Plasma der meisten Spender natürlich vorkommen. Nur Spender der Blutgruppe AB (5 Prozent) sind frei davon (7). Zur Verbesserung der Sicherheit werden Isoagglutinine heutzutage schon bei der Produktion von polyvalenten IG um bis zu 90 Prozent reduziert (7).

In den Anfängen der Immunglobulin-Therapie bestand auch ein erhöhtes Risiko für thromboembolische Ereignisse (TEE) mit Blutgerinnseln in Gliedmaßen, Lunge und Gehirn. Deren Ursache lag im Gerinnungsfaktor XI, der zur Agglutination beiträgt. Seitdem die Hersteller eine reduzierte Gerinnungsaktivität ihrer Produkte nachweisen müssen, treten nur noch sehr selten TEE auf (2).

Dokumentationspflicht

Die Herstellung von ivIG/scIG wird durch nationale und europäische Vorgaben geregelt und umfasst auch Maßnahmen zur Produktsicherheit (durch Spenderauswahl mit Testung sowie Risikoreduktion im Herstellungsprozess) und klinischen Sicherheit (durch klinische Studien und Überwachung) (2). Dabei zählen polyvalente Immunglobuline – neben Humanalbumin, Gerinnungsfaktoren und Fibrinklebern – zur Gruppe der Plasmaderivate und sind chargendokumentationspflichtig. Dies ist im Detail im Transfusionsgesetz (TFG) geregelt (1).

Das TFG gibt vor, dass in der Apotheke die Produkt- und Chargenbezeichnung, Menge, Datum des Erwerbs und Anschrift des Lieferanten dokumentiert werden müssen. Bei Abgabe der Präparate sind zusätzlich noch Abgabedatum, verschreibender Arzt, Lieferanten und Patientendaten zu dokumentieren, um eine Rückverfolgung garantieren zu können (1).

Die genauen Vorgaben zu Plasmaprodukten sind in dem EMA-Leitfaden »Guideline on plasma-derived medicinal products EMA/CHMP/BWP/706271/2010« zusammengefasst (2).

Weltweit angespannte Versorgungslage

Die Versorgung mit Ig-Präparaten gerät zunehmend unter Druck. Die Gründe reichen von steigender Nachfrage aufgrund zunehmender zugelassener Indikationen über die Abnahme der Plasmaspenden im Zuge der Pandemie, einen Anstieg von Lebensdauer und Körpergewicht der Patienten bis zum gestiegenen Off-Label-Use bei verschiedenen immunassoziierten Störungen.

Der Arbeitskreis Blut des RKI mahnt immer wieder einen Demand Management Plan (DMP) an (8). So könnten gegebenenfalls Maßnahmen ergriffen werden, zum Beispiel eine Priorisierung der Indikationen, Beschränkung der Dosierung, Umstieg auf andere therapeutische Maßnahmen und Medikamente sowie ein kritisches Überdenken des Off-Label-Einsatzes. Unter der Website »pharmnet-bund.de« veröffentlicht das BfArM aktuelle Lieferengpässe (8).

Wie wirken Immunglobuline?

Die Nebenwirkungen von Immunglobulin-Präparaten werfen Fragen zum Wirkmechanismus auf. Die einzelnen Moleküle bestehen aus einem Fab-Teil (Antigen-bindend) und einem Fc-Teil (Fragment crystallizable, konstanter Teil). Für die Aktivität und unterschiedlichen Funktionen der Immunglobuline ist der Fc-Teil verantwortlich. So binden die vier IgG-Subklassen mit ihrem Fc-Teil an Fcy-Rezeptoren auf verschiedenen Immunzellen (Grafik) (3).

Im humanen System sind drei aktivierende Rezeptoren bekannt (FcγRI, FcγRIIA, FcγRIIIA), ein inhibierender Rezeptor (FcγRIIB), und ein Neutrophilen-spezifischer Rezeptor (FcγRIIIB). Über verschiedene Moleküldomänen der jeweiligen Rezeptoren werden unterschiedliche Signale in die Immunzellen vermittelt (3).

Das genaue Zusammenspiel von Immunglobulinen, Rezeptoren und deren Effekten bei der Immunmodulation durch IG-Präparate ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Diskutiert werden komplexe FcR-abhängige und -unabhängige Mechanismen (3, 4, 9). Hierzu zählen auch die Aktivierung von B- und T-Lymphozyten, die Neutralisation pathogener Autoantikörper, die Modulation der Antigenpräsentation zur Immunzellaktivierung und Wechselwirkungen mit Zytokinen, Chemokinen, Komponenten des Komplementsystems und Endothelzellen (9).

Vielfältige Indikationen

Zu den wichtigsten Indikationen für polyvalente Immunglobuline zählen Antikörpermangelsyndrome (Tabelle 1) (8). Diese können angeboren (primär) oder erworben (sekundär) sein, von verschiedenen Ebenen der B-Zell-Entwicklung ausgehen und sich unterschiedlich stark auswirken.

Erkrankungsgruppe Indikationen für ivIG (Beispiele) Therapieziel
Angeborener (primärer) Immun­defekt (PID) mit verminderter Antikörperproduktion Hypogammaglobulinämie*
schwere Immundefekte (SCID)
angeborenes AIDS mit rezidivierenden bakteriellen Infektionen
Substitution
Erworbener (sekundärer) Immundefekt mit Antikörperdefizit Antikörperdefizit mit schweren oder rezidivierenden Infektionen
ineffektive antimikrobielle Behandlung, unter anderem bei chronischer lymphatischer Leukämie (CLL)*
Hypogammaglobulinämie bei Multiplem Myelom*
Serum-IgG-Spiegel < 4g/L
nachgewiesenes Defizit spezifischer Antikörper (PSAF)
Substitution
Autoimmunerkrankungen primäre Immunthrombozytopenie (ITP)
Guillain-Barré-Syndrom (GBS)
Kawasaki-Syndrom
chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP)*
multifokale motorische Neuropathie (MMN)
Immunmodulation
Tabelle 1: Zugelassene Anwendungsgebiete der intravenösen Immunglobuline (ivIG); Sonderindikation unter anderem für Myasthenia gravis; Stand 2023 (8); *) auch scIG zugelassen

Zu den primären Immundefizienzen (PID) zählen Agamma- und Hypogammaglobulinämien; zu erworbenem (sekundärem) Antikörpermangel mit schweren wiederkehrenden Infektionen kann es unter anderem bei einer Krebserkrankung kommen (6, 8). Dabei gilt die Ig-Substitution als eine Behandlungsoption neben antimikrobieller Therapie und Schutzimpfungen. Auch wenn einige Immunglobuline neben der intravenösen auch zur subkutanen Applikation (scIG) zugelassen sind, konnten scIG in der Versorgung bisher noch wenig Fuß fassen (1, 8).

Neben der Substitution von Antikörpern gilt zunehmend die Immunmodulation als Ziel der Ig-Applikation. Zu den Indikationen zählen verschiedene Autoimmunerkrankungen mit Antikörpermangel wie das Guillain-Barré-Syndrom, das Kawasaki-Syndrom, die Immunthrombozytopenie (ITP) und die chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) (1, 8).

Insbesondere für die seltene, autoimmunologisch begründete CIDP wird die subkutane Applikation propagiert (10). Hier ist außerhalb der Core-Indikationen ein Präparat zur subkutanen Gabe für die Erhaltungstherapie nach vorausgegangener stabilisierender ivIG zugelassen (8). Insgesamt über alle Indikationen hinweg ist aber die intravenöse Applikation bisher häufiger als die subkutane Gabe (8).

Bei Antikörpermangel: Dosierung nach Indikation

Zu den PID zählen mehr als 450 monogenetische Erkrankungen. Die Morbus Bruton genannte Form der Agammaglobulinämie/XLA beruht auf dem Fehlen reifer B-Zellen (< 2 Prozent B-Zellen im peripheren Blut); charakteristisch ist ein Mangel an IgG mit < 2 g/L im Serum (1).

Ebenso zählen zu den PID verschiedene Formen der Hypogammmaglobulinämie (Hyper-IgM-Syndrom, HIGM) wie die Common variable immunodeficiency disorders (CVID). Trotz normaler B-Zell-Zahl im Blut ist die Serumkonzentration von IgG und IgA erniedrigt, wohingegen die IgM-Konzentration normal oder erhöht ist. Der Grund liegt in einem defekten Isotyp-Klassenwechsel (class switch) bei der Plasmazell-Entwicklung (3). Patienten mit deregulierten Immunantworten sind sehr infektanfällig. Bei Indikation zur ivIG (Tabelle 1) wird diese in der Regel mit einer Dosis von mindestens 0,4 g/kg Körpergewicht (KG) pro Monat eingesetzt (6, 8, 11).

Bei erworbenen Antikörpermangelerkrankungen, die zu den sekundären Immundefizienzen zählen (SID), wird dagegen mit einer niedrigeren Therapiedosis von 0,2 bis 0,4 g/kg KG pro Monat begonnen (6, 11). SID treten etwa 30-mal häufiger als PID auf und entwickeln sich auf dem Boden vielfältiger Grunderkrankungen und Konditionen (6, 11). Als ursächlich erweisen sich neben Krebserkrankungen insbesondere auch Arzneimittel wie Rituximab, CAR-T-Zell-Therapie, Steroide, Phenytoin oder Cyclophosphamid bei hämatologisch-onkologischen, neurologischen und chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Tabelle 2) (6, 11).

Dabei profitieren nur Patienten mit ausgeprägtem IgG-Mangel von ivIG/scIG. Patienten mit IgA- oder IgM-Mangel werden mit speziell angereicherten IgA- oder IgM-Präparaten behandelt (4, 11).

Ursachen Beispiele
Lymphoproliferative Erkrankungen chronisch lymphatische Leukämie (CLL), multiples Myelom (MM), Non-Hodgkin-Lymphome (NHL), Hodgkin-Lymphome (HL)
follikuläres Lymphom (FL),
Mantelzell- und Marginalzonen-Lymphom
Proteinverlust nephrotisches Syndrom, chronisch entzündliche Darmerkrankungen
Erkrankungen der Lymphwege intestinale Lymphangiektasien (Morbus Waldmann), Yellow-Nail-Syndrom, Chylothorax, Proteus-Syndrom
medikamenten- und/oder behandlungsassoziiert Krebs: Rituximab, Imatinib, Ibrutinib, Cyclophosphamid
Immunsuppression: Steroide, Cyclophosphamid
Antipsychotika: Clozapin, Phenytoin, Carbamazepin, Lamotrigin, Valproat
rheumatische Erkrankungen: Abatacept
CAR-T-Zell-Therapie
Tabelle 2: Mögliche Ursachen von sekundärem (erworbenem) Antikörpermangel; mod. nach (11)

Guillain-Barré-Syndrom: Therapie mit ivIG

Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) ist eine seltene, aber schwere und fulminant verlaufende immunvermittelte Neuropathie, die sich bei 70 Prozent aller Patienten nach Infektion mit Erregern wie Campylobacter jejuni entwickelt (12). GBS gilt in der westlichen Welt als häufigste Ursache für akute neuromuskuläre Paralysen und muss multidisziplinär behandelt werden. Zwar haben etwa 80 Prozent der Patienten eine gute Prognose, allerdings ist die Mortalität mit etwa 20 Prozent hoch (12).

Neben ivIG (2 g/kg über fünf Tage verteilt) gilt auch die Plasmapherese als Standardtherapie des GBS und wird hier als Alternative zur Ig-Substitution betrachtet, nicht zuletzt auch angesichts von Lieferengpässen (8). Laut pharmakologischer Studien sollen die Effekte vergleichbar und besser als eine reine Supportivtherapie sein; allerdings ist die Plasmapherese mit einem höheren technischen Aufwand verbunden.

Neben direkten Vergleichen zeigen Studien auch, dass Corticosteroide den Effekt der ivIG nicht signifikant verbessern können. Eine abschließende Bewertung steht aber noch aus (8, 12).

Wirksam gegen antimikrobielle Resistenz?

Antimikrobielle Resistenzen (AMR) gelten inzwischen als eines der großen Global-Health-Probleme. Zu den Problemkeimen gehören unter anderem β-Lactam-resistenter Streptococcus pneumoniae, Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA), Carbapenem-resistente Klebsiella-Spezies, resistenter Escherichia coli, Clostridium difficile, Mycobacterium tuberculosis und Candida auris (5).

In einem neuen Ansatz untersuchen Forscher nun, ob ivIG die körpereigenen Immunitätsmechanismen im Sinne einer passiven Immunisierung steigern können, um pathogene Mikroorganismen zu eliminieren und Antibiotika reduzieren zu können (5). Dabei werden verschiedene Mechanismen diskutiert, zum Beispiel die Neutralisierung von Mikroben, Toxinen und Superantigenen durch Rezeptorblockade, die Blockade der Internalisierung und eine verbesserte Opsonisierung vor Phagozytose der Erreger. Weiterhin wird eine antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität (ADCC) mittels NK-Zellen vermutet, die virusinfizierte Zellen abzutöten vermag und zur verbesserten Immunstimulation durch Antigene führen könnte. Außerdem wird diskutiert, ob ivIG aktivierte Komplementfaktoren blockieren und überschießende Immunreaktionen bremsen können (5).

Die Vor- und Nachteile der ivIG-Therapie werden weiter untersucht. Projekte hierzu sind bereits ein Teil der europäischen Initiative zur Bekämpfung von AMR (5).

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