Vom Gift zum Arzneimittel |
Die Studierenden der Goethe-Universität Frankfurt am Main informierten Anfang Februar über das Thema Toxikologie. / Foto: Foto: Mario Wurglics
Begonnen wurde mit einem Fachvortrag zu Arsen. Vielen ist Arsen noch aus dem ersten Laborsemester bekannt und ist in der Pharmazie durch seine toxikologische Wirkung immer noch relevant. So zeigte die Arbeitsgruppe sowohl die historischen Grundzüge von Arsen als beliebtes Mordgift als auch die heutige Problematik als Umweltgift. Arsen kommt jedoch auch als Heilmittel zum Einsatz. Als Beispiel nannten die Referenten Arsentrioxid, welches bis heute zur Behandlung der akuten promyeloischen Leukämie verwendet wird.
Im Anschluss wurden die Zuhörer über die aktuellen Möglichkeiten der forensischen Toxikologie informiert. In der Forensik werden kriminaltechnische Handlungen untersucht. So wurden den Zuhörern anhand eines Fallbeispiels Möglichkeiten der Untersuchung von Feststoffproben wie Gewebe und Flüssigproben wie Blut gezeigt. Auch Haare können zum Nachweis von Arzneimitteln und Drogen dienen. So konnte anhand des Fallbeispiels ein Herzversagen infolge von Kokainkonsum ermittelt werden. Dies ist vor allem durch moderne Analysemethoden möglich. So geht die toxikologische Forensik Hand in Hand mit der instrumentellen Analytik.
Der nächste Vortrag definierte die Begriffe mutagen, kanzerogen, teratogen und die jeweiligen Testverfahren. Eine ständige Bemühung liegt darin, Tierversuche zu vermeiden. Einer der wichtigsten Tests auf Mutagenität bleibt der Ames-Test. Hierbei wird eine Bakterienkultur, die Histidin zum Wachsen benötigt, mit der zu untersuchenden Substanz in einem Nährmedium kultiviert. Ist die Substanz mutagen, ist das Bakterium durch Mutation in der Lage, auf dem Nährboden durch Histidin-Eigensynthese zu wachsen. Der Test auf Kanzerogenität gestaltet sich dahingehend deutlich schwieriger. Hier muss erst die Frage beantwortet werden, ab wann eine Zelle als entartet gilt. Für die teratogene Wirkung konnte neben einer direkten Stammzelluntersuchung noch keine Testung abseits vom Tiermodell gefunden werden.
Zur Abwechslung ging es danach in die Natur. Im Vortrag Pflanzlich und grün - Nicht immer harmlos und gesund ging es um Giftpflanzen. So wurden beispielhaft alte Bekannte wie Digitalis purpurea vorgestellt. Aus der Rizinuspflanze lässt sich Rizin gewinnen, das durch seine akute Toxizität als Kampfstoff eingesetzt werden kann. Am Einsatz in der Krebstherapie wird momentan geforscht. Hierbei sollte aber vom Rizinusöl unterschieden werden, das kein Rizin enthält.
Die Vorträge nach der Pause widmeten sich ganz dem Thema Gifte. Schlangen und Spinnen lassen viele Menschen in Schockstarre verfallen. Die schwarze Witwe ist eine der wenigen tödlichen Vertreter in Europa. Ihre Bisse bleiben bis zum Beginn von Symptomen häufig unbemerkt. Bei den Schlangen sind in unseren Breitengraden vor allem die Aspisviper und die Kreuzotter giftig, sie kommen jedoch eher selten vor. Als Beispiel für eine wichtige Giftschlange außerhalb von Europa wurde die Jararaca-Lanzenotter genannt. Durch ihr Gift gelang es, Captopril, den ersten ACE-Hemmer, zu entwickeln.
Der anschließende Vortrag behandelte das Thema Gifte aus dem Meer. Das Ciguatoxin verursacht häufig eine Lebensmittelvergiftung, die durch eher unspezifische Symptome wie gastrointestinale Störungen gekennzeichnet ist. Eines der wenigen spezifischen Symptome ist die Kälteallodynie, die kurz als umgekehrtes Warm-Kalt-Empfinden beschrieben werden kann. Das Toxin wird von Flagellen in Korallenriffen hergestellt, wobei es keinen toxischen Effekt auf die dort lebenden Fische hat. Eine Behandlung ist nur symptomatisch möglich.
Der nächste Vortrag befasste sich mit der Toxizität von Insektiziden, die am cholinergen System angreifen. Diese sind für Insekten giftig, da sie die Acetylcholinesterase hemmen oder als Agonisten an Nicotinrezeptoren wirken. Genauer wurde auf die Wirkstoffgruppe der Neonicotinoide eingegangen, die eine hohe Selektivität für Insekten zeigen. Dennoch dürfen auch diese nur eingeschränkt verwendet werden. Weiter wurde die Verwendung von Organophosphaten als Kampfstoffe thematisiert.
Als letzter Vortrag vor der Mittagspause wurden die Zuhörer und Zuhörerinnen über Herbizide aufgeklärt. In unserer heutigen Landwirtschaft ist der Einsatz solcher Mittel üblich, er stellt jedoch eine Gefahr für Anwender und Verbraucher dar. So begann der Vortrag mit einem Zeitungsartikel, der die Glyphosat-Klage gegen Bayer thematisierte. Als wichtiger Vertreter wurden die Neonicotinoide genannt, die durch irreversible Bindung an nikotinische Acetylcholinrezeptoren zur Paralyse der Insekten führen und somit zu deren Tod. Im Sommer 2017 kam es dann zum Fipronil-Skandal in Europa. Dabei wurde Fipronil illegalerweise einem Mittel zur Bekämpfung der Blutlaus beigemischt. Infolgedessen wurden Rückstände von Fipronil europaweit in Eiern nachgewiesen.
Der Vortrag Endokrine Disruptoren (EDC) beendete die Pause und führte in ein neues Themengebiet. EDC sind Chemikalien, welche die Wirkweise von Hormonen stören und somit teils drastische Effekte wie die Beeinflussung der Fortpflanzung hervorrufen. Eine besondere Problematik stellt hier Plastik dar. Jedes Jahr werden 8,3 Milliarden Tonnen Plastik produziert, davon werden weniger als 10 Prozent recycelt. Die enthaltenen Weichmacher können zu Diabetes mellitus, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und bestimmten Tumorerkrankungen führen.
Der nächste Vortrag blieb beim Thema Umwelt: Luftverschmutzungen bilden eine Gefahr für die Gesundheit. So wird vor allem in den Städten die maximale Stickstoffdioxid-Konzentration regelmäßig überschritten. Es kommt zu einer erhöhten Anfälligkeit gegenüber Viren und Bakterien, sowie Gewebeschädigungen. Weiterhin wird vermutet, dass eine erhöhte Stickstoffdioxidbelastung, durch zum Beispiel einen Wohnort an Hauptverkehrsstraßen, mit der Asthmaprävalenz zusammenhängt.
Mit dem Thema Probleme bei pflanzlichen Arzneimitteln ging es weiter. Das Schöllkraut gilt seit dem 16. Jahrhundert als gallentreibendes und krampflösendes Mittel und besitzt viele weitere pharmakologische Wirkungen. Hierbei ist jedoch auf das Nutzen-Risiko-Profil zu achten. Mehr als 60 Meldungen liegen vor, nach welchen unerwünschte Arzneimittelwirkungen auftraten, eine davon verlief tödlich. In Iberogast® ist es allerdings weiter fester Bestandteil. Nach einem zweiten Todesfall muss jedoch nun auf das hepatotoxische Risiko hingewiesen werden und das Mittel darf bei Schwangeren, Stillenden und Kindern unter 3 Jahren nicht angewendet werden.
Zum Abschluss wurde über die Gifte Botulinumtoxin und Tetanustoxin berichtet. Sie gehören zu den gefährlichsten Giften der Welt. Beide Neurotoxine werden von der Bakteriengattung Clostridium gebildet und greifen an SNARE-Komplexe an, zeigen jedoch unterschiedliche Symptome. Botulinumtoxin führt zu Muskellähmungen, Tetanustoxin hingegen zu Muskelkrämpfen. Eine Behandlung kann durch Antitoxine erfolgen. Es wird bei Tetanus allerdings eine Impfung empfohlen, die in regelmäßigen Abständen erneuert werden muss. Botulinumtoxin wird pharmakologisch auch in der ästhetischen Medizin, Neurologie, Orthopädie sowie Gynäkologie eingesetzt.